Graz - Der Mensch hat zwar nicht wesentlich mehr Gene als eine Maus, aber sie können eine immense Vielfalt an Proteinen produzieren. Der molekulare Mechanismus dahinter ist das "alternative Spleißen". Störungen dieses Vorganges sind aber auch Ursache vieler Krankheiten. An der Aufklärung des Mechanismus und seiner Regulation arbeitet an der Uni Graz eine Gruppe um Tobias Madl in Kooperation mit der TU München.

Der Mensch besitzt rund 25.000 Gene - und einen raffinierten Mechanismus, um über unterschiedliche "Lesarten" aus ein und der selben DNA-Sequenz unterschiedliche Genprodukte zu gewinnen: Das "alternativen Spleißen" versetzt die menschlichen Zellen damit in die Lage, aus ihren Genen ein komplexes Proteom von letztlich mehr als 500.000 Proteinspecies herzustellen.

Dynamischer, hochkomplexer Prozess

Beim "Spleißen" wird die Erstabschrift eines Gens ("prä-mRNA") in ein "Transkript" aus Boten-RNA (mRNA) umgewandelt. Spleißosome, die selbst wiederum aus über 100 Proteinen bestehen, kontrollieren die Übertragung des genetischen Codes. Sie entfernen aus der Boten-RNA diejenigen Abschnitte, die keine protein-kodierenden Informationen enthalten (Introns) und fügen die Informationstragenden Abschnitte (Exons) wieder zusammen. "Das Spleißosom ist eine der kompliziertesten Maschinen innerhalb der Zelle. Es lagert sich ständig um, tauscht Proteine aus und ist überhaupt äußerst dynamisch", schildert Tobias Madl vom Institut für Chemie der Universität Graz.

Entscheidet sich das Spleißosom erst während des Spleißprozesses, welche RNA-Sequenzen Introns und welche Exons sind, spricht man vom "alternativen Spleißen". Die genaue Erkennung und Definition der jeweiligen Schnittstellen sei immens wichtig, denn etwa 15 Prozent aller genetischen Erkrankungen werden nach bisherigem Forschungsstand mit Fehlregulationen und Veränderungen der Schnittstellen in Verbindung gebracht.

Molekularer Mechanismus bei RNA-Schnittstelle aufgeklärt

Erst jüngst hat Madls Arbeitsgruppe gemeinsam mit einem Team an der TU München und dem Helmholtzzentrum München einen molekularen Mechanismus aufgeklärt, der für die Definition und Regulation einer bestimmten Schnittstelle grundlegend ist. In ihrer aktuellen Publikation in "Nucleic Acids Research" zeigen sie, wie die sogenannte RNA-Schnittstelle am 3-Strich-Ende (3'RNA) über einen dynamischen Proteinkomplex erkannt und definiert wird. Der Proteinkomplex besteht aus den Proteinen SF1 (Splicing Factor 1) und U2AF65.

Die Beobachtungen der beteiligten Komplexe und die Vorgänge im Zellinneren konnten die Forscher mittels Kernspinresonanzspektroskopie, Röntgenkristallografie und Röntgen/Neutronenkleinwinkelstreuung unter Einbeziehung der Strukturrechnung machen. "Wir arbeiten gegenwärtig an der Weiterentwicklung der Programme zu einer generell anwendbaren Strategie", so der Strukturbiologe. (APA, 01.04.2013)