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Italiens Staatspräsidenten Giorgio Napolitano sucht einen Ausweg aus der Staatskrise.

 

Foto: AP Photo/Riccardo De Luca

Rom - Mit seinem überraschenden Beschluss, zwei Arbeitsgruppen einzusetzen, die Vorschläge für Reformen im institutionellen und wirtschaftlichen Bereich formulieren sollen, hat Italiens Präsident Giorgio Napolitano de facto die politische Krise in Rom auf Eis gelegt. Nachdem er feststellen musste, dass auch einen Monat nach den Parlamentswahlen die Bedingungen für die Bildung einer tragfähigen Regierung noch immer nicht vorhanden sind, setzt er nun auf zwei kleine Expertenteams, die mehrheitsfähige Vorschläge für Wirtschafts- und Verfassungsreformen erarbeiten sollen. Bis dahin bleibt die Regierung unter Mario Monti im Amt, die laut Napolitano ein "Element der Sicherheit" darstellt.

Von diesem Schachzug erhofft sich Napolitano zwei Resultate: Einerseits will er die internationalen Finanzmärkte beruhigen, die sich angesichts des anhaltenden politischen Vakuums in Rom zunehmend Sorgen machen. Andererseits will er die politischen Parteien zwingen, sich über das Programm wirtschaftspolitischer Reformen zu einigen, das die Expertengruppen vorlegen werden. Napolitano hofft, dass die Reformvorschläge der "Weisengruppen" als Grundlage für eine konstruktive Zusammenarbeit einer künftigen Regierung dienen können. Napolitanos Vorbild sind dabei die Niederlande, wo es 2012 zu einer Großen Koalition aus Rechtsliberalen und Sozialdemokraten gekommen ist.

"Neuwahlen wünschenswerter als ein Dahinsiechen"

Die Expertengruppen in Rom machen sich schon am Dienstag an die Arbeit. Sie müssen in erster Linie ein neues Wahlgesetz formulieren, das dem Land stärkere politische Stabilität sichern kann. Außerdem sollen auch Vorschläge für eine Reduktion der Zahl der Parlamentarier formuliert werden. Derzeit sitzen 945 Mandatare im Parlament. Das System aus zwei gleichberechtigten Parlamentskammern erschwere die Verabschiedung von Gesetzen, meinen politische Beobachter in Rom. Auch mit Einsparungen bei den Kosten der Politik werden sich die Arbeitsgruppe auseinandersetzen müssen.

Der Einsatz der "Weisengruppen" stößt in der politischen Szene Roms auf unterschiedliche Reaktionen. Die "Fünf Sterne"-Bewegung betrachtet Napolitanos Entscheidung als ihren persönlichen Erfolg. Die Truppe um den Starkomiker Beppe Grillo hatte schon vor Tagen auf einen Verbleib Montis im Amt gedrängt und das Parlament aufgerufen, für das Land längst fällige Reformen zu verabschieden. Erst danach sollte es zu Neuwahlen kommen. Anders sieht die Mitte-Rechts-Allianz um Ex-Premier Silvio Berlusconi die Lage. "Wir sind für eine Große Koalition, die Maßnahmen für die Wirtschaft ergreift und das politische System erneuert. Wenn keine Regierung zustande kommt, sind jedoch Neuwahlen wünschenswerter als ein Dahinsiechen", sagte der Chef von Berlusconis Mitte-Rechts-Partei "Volk der Freiheit", Angelino Alfano.

Nachfolger

Mit dem Einsatz der Expertengruppen hat Napolitano de facto die Gefahr von Neuwahlen im Sommer gebannt. Erst sein Nachfolger, der bis zum 15. Mai gewählt werden muss, kann vorgezogene Parlamentswahlen ausschreiben. Verfassungsgemäß kann das Parlament in Italien in den sechs Monaten vor Ablauf des Mandats des Präsidenten nicht aufgelöst werden. Sollte Napolitanos Nachfolger Neuwahlen ausschreiben, würden diese jedoch nicht vor September oder Oktober stattfinden, heißt es in Rom.

Der politische Engpass könnte die Wahl eines Nachfolgers von Napolitano beschleunigen. Experten zufolge wird der ursprünglich für 22. April erwartete Beginn der Präsidentenwahl im Parlament voraussichtlich schon auf den 18. April vorverlegt werden. Über den Namen des möglichen neuen Präsidenten wird schon wild spekuliert, bisher gibt es jedoch keinen absoluten Favoriten. Chancen werden dem Ex-EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi eingeräumt, dessen Kandidatur von der Mitte-Links-Allianz unterstützt wird. Gegen Prodi stemmt sich aber der Mitte-Rechts-Block um Berlusconi. Dieser unterstützt die Kandidatur von Berlusconis Vertrautem Gianni Letta. Als weitere Kandidaten gelten der Ex-Senatspräsident Franco Marini und der Ex-Premier Giuliano Amato. (Micaela Taroni/APA, 1.4.2013)