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Revolutionen lassen sich immer erst im Rückblick erkennen. Wäre es anders, hätten die großen Telefonkonzerne am 23. April 2003 sicher Alarm geschlagen. An jenem Tag wird die Adresse www.skype.com registriert. Es ist auch nicht leicht, den Schweden Niklas Zennström und seinen dänischen Partner Janus Friis ernst zu nehmen. Zu verwegen klingt ihr Plan, dass Menschen künftig über das Internet telefonieren sollen. Zehn Jahre später machen fast 300 Millionen Menschen jeden Monat genau das: Sie telefonieren, teilweise stundenlang und über tausende Kilometer hinweg, über Skype - und das gratis.

Plattenindustrie

Die Telefonkonzerne hätten durch das Beispiel der Plattenindustrie gewarnt sein können: Zennström und Friis hatten mit ihrer Internettauschbörse Kazaa schon einmal dazu beigetragen, das Geschäftsmodell einer etablierten Branche empfindlich zu stören. Skype und Kazaa funktionieren beide nach dem Peer-to-Peer-Prinzip: Informationen werden in Datenpakete zerstückelt und direkt zwischen den Computern der Nutzer hin- und hergeschickt.

Im August 2003 stellen Friis und Zennström ihr Gratisprogramm ins Netz. Markenzeichen wird ein weißes "s" auf babyblauem Grund. Medienberichte damals zeigen sich skeptisch, die Tester empfehlen Skype-Nutzern den noch nicht sehr verbreiteten Breitbandanschluss DSL. Doch obwohl die Übertragungsqualität vorerst zu wünschen übrig lässt und die Videotelefonie erst im Januar 2006 eingeführt wird, trifft das Programm den Nerv der Zeit.

Teure Ferngespräche ade

"Insbesondere die Zielgruppe der jungen, die Welt bereisenden Akademiker ging den klassischen Telefonanbietern an Skype verloren", sagt Torsten Gerpott, Forscher für Telekommunikationswirtschaft an der Mercator School of Management in Duisburg. Teure Ferngespräche ade. Skype verbreitet sich rasant. Fernbeziehungen, Businessgespräche und sogar Sprachkurse finden plötzlich übers Internet statt.

Und weil Skype auch günstige Anrufe ins klassische Telefonnetz anbietet, müssen die Telefon- und Internetanbieter reagieren. "Skype hat deutlich dazu beigetragen, dass die Preise zum Wohl der Nutzer gefallen sind", sagt Industrie-Analyst Rüdiger Spies. Auch die Verbreitung von Internet-Flatrates führt Spies unter anderem auf Skype zurück.

50 Prozent des Handy-Datenverkehrs

Mit der Skype-App für das iPhone zündet Skype 2009 die zweite Stufe seiner Revolution und erobert die boomenden Smartphones. Anfangs versuchen die Mobilfunkkonzerne noch, sich gegen die "Voice over IP"-Telefonie zu wehren. Vergeblich: Der Branchenverband Bitkom schätzt, dass bereits 2014 mehr als 50 Prozent des Handy-Datenverkehrs in Deutschland auf die Nutzung von Skype und Konkurrenzprogrammen wie Whatsapp und GoogleTalk zurückgehen werden.

Zennströms und Friis' Plan sah vor, mit den Telefonaten ins Festnetz oder zusätzlichen Service-Angeboten wie Videokonferenzen zu verdienen. Den Beweis mussten sie nie antreten: 2005 verkaufen die beiden ihre Anteile an Skype für mehr als 3,1 Milliarden Dollar an Ebay. Im Frühjahr 2011 landet das Unternehmen auf Umwegen beim Software-Giganten Microsoft - für 8,5 Milliarden Dollar.

Microsoft

Analysten ist bis heute unklar, ob sich der Deal für Microsoft gelohnt hat. Nach Angaben des Unternehmens trug Skype im vergangenen Jahr wesentlich zum Gewinn der "Unterhaltungssparte" bei. Der Wahrheitsgehalt solcher Aussagen ist auch immer eine Frage der Bilanzierung. Dank Skype bleibt Microsoft aber zumindest auf den Smartphones der Marktführer vertreten, während sein Windows Phone ein Nischendasein pflegt.

Doch die Internettelefonie ist ein "heiß umkämpfter Markt", sagt Gerpott. Skypes jahrelange Dominanz ist angekratzt. "Microsoft versteht es nicht so gut wie andere IT-Konzerne, Firmenkäufe zu integrieren und weiterzuentwickeln", sagt Spies. Vielleicht sollte Microsoft 'mal bei Zennström anrufen. Der heute 47-Jährige hat es sich mit seinem Investitionsfonds Atomico zum Beruf gemacht, Internetfirmen nach oben zu bringen. (APA, 1.4.2013)