Die eine römische Sedisvakanz ist mit der Wahl eines neuen Papstes schon beendet. Die andere bleibt aber auf unbestimmte Zeit bestehen - mit unvorhersehbaren Folgen. Die Wahlen Ende Februar haben Italien in eine Sackgasse manövriert, aus der kein Ausweg erkennbar ist. Mario Monti muss das Land, in dem die Rezession anhält, wider Willen weiterregieren, obwohl er das Vertrauen der meisten Italiener schon längst verloren hat. Ein neuer Premier, der den festgefahrenen Karren flottmachen könnte, ist nicht in Sicht. Zwischen den drei maßgeblichen Kräften scheint ein Dialog unmöglich. Pier Luigi Bersani lehnt die von Silvio Berlusconi geforderte Koalition ab. Beppe Grillo weist jede Vereinbarung mit Bersani entrüstet von sich.

Dass ausgerechnet in dieser dramatischen Lage die Amtszeit des Staatspräsidenten abläuft, erschwert die Situation zusätzlich. Giorgio Napolitano - er wird in Kürze 88 - gilt als einzige Integrationsfigur im zerrissenen Land. Um vorzeitige und womöglich sinnlose Neuwahlen zu vermeiden, hat der Staatschef nun eine dubiose Lösung aus dem Zylinder gezaubert: Ein Weisenrat soll den verfeindeten Parteien wirtschaftliche und politische Reformkonzepte und Lösungsvorschläge unterbreiten. Eine Verlegenheitslösung, um Zeit zu gewinnen. Mehr nicht. Die störrischen Parteien wollen sich nicht ans Gängelband nehmen lassen. Silvio Berlusconi fiebert, von Umfragen beflügelt, neuerlichen Wahlen entgegen.

Dass sich im zehnköpfigen Weisenrat keine einzige Frau befindet, demonstriert augenfällig, an welch byzantinischem Regelwerk sich Italiens Politik noch immer orientiert. "In Italien könnte eine Frau eher zum Kardinal gewählt werden als zur Staatspräsidentin", so die ehemalige EU-Kommissarin Emma Bonino.

Die "institutionellen Regeln", nach denen Italiens erstarrte Politik abläuft, sind rigide und anachronistisch. So sind fast alle Anwärter auf das Amt des Staatspräsidenten älter als 70 und waren zuvor Regierungschef oder Senatspräsident. Und alle Präsidenten der vergangenen Jahrzehnte wurden im Alter von rund 80 Jahren für eine siebenjährige Amtszeit gewählt.

Kein italienischer Normalbürger begreift, warum Bersani einwöchige Beratungen benötigte, um zu erfahren, dass Berlusconi ihm ohne direkte Regierungsbeteiligung das Vertrauen verweigern würde. Und warum verwendete er sechs Tage darauf, Grillo zu umwerben, wenn dieser ihn herzhaft-derb als "Hurenbock" ablehnt?

Lichtjahre trennen die Politiker mit ihrem bizarren Kauderwelsch von der Realität der Normalbürger. Niemand versteht, warum Bersani, Chef des Partito Democratico, bei Napolitano für eine Vertrauensabstimmung im Senat intervenierte, nachdem ihm Berlusconi und Grillo bereits die Türe unmissverständlich vor der Nase zugeschlagen hatten. Bersani hatte die Lega Nord ersucht, den Senatssaal vor dem Votum zu verlassen, um so eine Mehrheit zu bekommen - Mauscheleien gegen Zugeständnisse, wieder einmal.

Die Blockade nach den Wahlen vom Februar demonstriert nicht zuletzt, dass sich die politische Lage in Italien erst dann normalisieren wird, wenn Berlusconi die Szene verlässt. Erst dann wird eine große Koalition nach dem Vorbild anderer europäischer Länder vorstellbar. Doch davon ist Italien sehr weit entfernt: Der Cavaliere hat bereits angekündigt, dass er auch bei den nächsten Wahlen antreten wird. Als Spitzenkandidat natürlich. (Gerhard Mumelter, DER STANDARD, 2.4.2013)