"Wer kämpft, kann verlieren; wer nicht kämpft, hat schon verloren", schrieb einmal Bert Brecht. Als die sogenannten Dissidenten, die politischen Bürgerrechtsaktivisten zuerst in Moskau, dann in Warschau, später in Prag und Budapest für die Idee der Freiheit und gegen die herrschende kommunistische Doktrin auftraten, lag die Chance einer politischen Wende bei null. Für ihre Aktivitäten wurden sie verhaftet, verurteilt und schikaniert.

Trotz der Vielfalt ihrer Positionen forderten alle die Anerkennung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten. Die herausragenden Wortführer waren die Schriftsteller Alexander Solschenizyn und Václav Havel, der Publizist Adam Michnik und der Elektriker Lech Walesa, der Naturwissenschafter Andrei Sacharow und der Philosoph Jan Patocka.

Zu den Bahnbrechern des Kampfes gegen die Herrschaft der Lüge und die staatliche Repression gehörte auch der international angesehene Essayist und Schriftsteller György Konrád, der heute vor 80 Jahren in der ostungarischen Stadt Debrecen geboren wurde. In seinem berühmten, im Ausland herausgegebenen Buch Antipolitik forderte er bereits 1984 "uneingeschränkte Selbstbestimmung, uneingeschränkte Demokratie und uneingeschränkte Redefreiheit".

Nach der Wende von 1989 wurde der Autor zahlreicher Romane und Essaybände unter anderem Präsident des Internationalen Pen Clubs, der Brandenburger Akademie der Künste und Träger des Karlpreises und des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels. Konrád war für einige Jahre in den Reihen der Freien Demokraten (SzDSz) tätig und trat als einer der Initiatoren der Demokratischen Charta, einer Protestbewegung in den frühen Neunzigerjahren, gegen rechtsextreme und antisemitische Tendenzen auf.

"Dissident", das Schimpfwort unter der Diktatur für die Abweichler, die Andersdenkenden, wurde zu Recht ein Ehrentitel. György Konrád ist ein Mann der moralischen Integrität geblieben. Als er mit wenigen anderen während des Kádár-Regimes eine Erklärung zum Gedenken an den Aufstand von 1956 verfasste, waren "die braven national Fühlenden mucksmäuschenstill" (so später Konrád). Viele der seinerzeitigen Mitläufer oder Schweigenden sind die heutigen Nationalisten, die "mich wie die Kommunisten oft als Vaterlandsverräter beschimpfen". Der Präsident einer mit gewaltigen Finanzmitteln ausgestatteten " Kunstakademie"(ein unbedeutender Wendehals) bezweifelt etwa öffentlich, dass Konrád im Ausland als ungarischer Autor zu betrachten sei.

Warum? Konrád, der als elfjähriges Kind dank eines Schweizer Schutzpasses die Schreckensherrschaft der ungarischen Pfeilkreuzler 1944 überlebt hatte, bekennt sich zu seinem Judentum, zu seiner Identität als jüdischer Ungar (oder ungarischer Jude): "Ohne Selbstverteidigung gibt es nur Ausgeliefertsein und Erniedrigung." Deshalb warnt er auch in Weltblättern, Ungarn unter der Orbán-Regierung sei kein Rechtsstaat mehr, weil dort eine hegemonische Autokratie entstehe, weil eine Partei oder sogar eine Person die Möglichkeit habe, alles durchzusetzen. Er glaube auch heute nicht an "die Mauseloch-Strategie". (Paul Lendvai, DER STANDARD, 2.4.2013)