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Auf technoiden Flügeln: Justin Bieber am Samstag in der Wiener Stadthalle.

Foto: APA/PFARRHOFER

Wien - Die sonore Stimme eines weisen alten Mannes kündigt Justin Bieber an: "Believe" befiehlt sie in monumentaler Trailer-Ästhetik den Fans, die sich ja eh schon "Beliebers" nennen.

Biebers Auftritt ist messianisch: Der 19-Jährige schwebt auf riesigen technoiden Flügeln von der obersten Etage der dreistöckigen Bühne herab. Begleitet vom Kreischen vorwiegend weiblicher und pubertierender Jünger landet eine Lichtgestalt, um eine knapp einhalbstündige Show abzuliefern. Für einen Ungläubigen sieht Bieber, an seinen Flügeln baumelnd, eher aus wie eine unbenutzte Marionette.

Nach der Landung arbeitet sich der Kanadier an seinen Soul- und Dance-Vorbildern ab. Neben Balladen gibt es Technosongs zu hören, zwischendurch werden Lieder mit bloßer Gitarrenbegleitung performt. Bisweilen greift Bieber selbst zu Instrumenten, um seine (erwachsenen) Mitmusiker anschließend zu fragen, ob er gut gewesen sei. In den zielgruppengerechten Texten geht es vor allem um Musik und Liebesbeziehungen, die ewig dauern sollen.

Die Show ist atemberaubend. Immer wenn man denkt, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichteffekt her. Ständig lassen es die Pyrotechniker irgendwo krachen, Tänzer springen aus dem Nichts zwei Meter in die Höhe. Man staunt über die Professionalität und die Präzision, mit der dieses Trara inszeniert ist.

"Don't you have a memory?"

Es ist halt wenig dahinter. In der Mitte des Konzerts gibt es einen Zusammenschnitt von wichtigen Stationen in Biebers Leben zu sehen: frühes Musizieren, die Übergabe diverser Plattenverträge und Preise. Über diese Erfolgsgeschichte hinaus scheint es nichts zu erzählen zu geben. Justin Bieber hat sicher eine gehörige Portion Nachahmungstalent, die Tiefe fehlt ihm.

Dabei kann man ihm fehlende Authentizität angesichts gegenwärtiger Popmusik schwer vorwerfen. Aber: Während Lady Gaga ein buntes Rollenspiel treibt und sich klar als Kunstfigur zu erkennen gibt, pocht Bieber auf seine Echtheit. Er sei kein Produkt der Musikindustrie, erklärte er 2012 in einem Interview mit der Zeit. Man kann ihm nur wünschen, dass er mit dieser Einschätzung nicht vom unschuldigen Engel zum Ikarus wird.

Schmunzeln lässt eine Videoeinspielung gegen Ende. Mit empörten Worten werden die Fans aufgefordert, die Smartphones herunterzunehmen: "Don't you have a memory?" Das Kreischen wird für Momente verhaltener. Der hier spricht, ist aber ein Schauspieler. Harsche Worte gegen Fans sind nicht die Sache Biebers. (Roman Gerold, DER STANDARD, 2.4.2013)