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Kommen Bienen beim Pollensammeln direkt mit Pestiziden in Berührung, kann das für sie tödlich enden.

Foto: APA/Karla Hollaender

Wien/Brüssel – Der Kampf gegen das Bienensterben und für ein Pestizidverbot wird zunehmend heftiger. Gestern, Mittwoch, hat die Umweltorganisation Global 2000 eine Sachverhaltsdarstellung an die Minister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) und Alois Stöger (SPÖ) geschickt, in der schwere Vorwürfe gegen die Bundesagentur für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (Ages) erhoben werden. "Unserer Ansicht nach hat die Ages gegen ihren gesetzmäßigen Auftrag, die Öffentlichkeit objektiv zu informieren und die Umwelt zu schützen, verstoßen", erklärt Helmut Burtscher, Chemieexperte von Global 2000, im Standard-Gespräch.

Konkret geht es um die Frage, ob bestimmte Pestizide, mit denen etwa Maissamen gebeizt werden, für das Bienensterben der vergangenen Jahre verantwortlich sind – und wie viele Bienenvölker wegen dieser Nervengifte tatsächlich gestorben sind. Zwei Zahlen sind es, die Ages-Vertreter wiederholt öffentlich und gegenüber Politikern genannt haben, die für Burtscher "eigentlich ein Betrug" sind.

Aufruf, Proben einzuschicken

Basis für diese Auseinandersetzung ist die Melissa-Studie, die ab 2009 zum Bienensterben in Österreich erarbeitet wurde. Dafür wurden Imker aufgefordert, Proben von geschädigten Bienenvölkern einzuschicken. Bei diesen eingelangten Proben waren dann bei mehr als 50 Prozent genau jene Neonicotinoide genannten Pestizide gefunden worden.

"Es hatten aber bei weitem nicht alle betroffenen Imker Proben eingeschickt", betont Burtscher. So berichtet etwa Roland Netter, Obmannstellvertreter des Imkervereins Strengberg, dass in der Region von 18 Imkern nur ein einziger – nämlich er selbst – beim Melissa-Projekt mitgemacht habe. Gleichzeitig hätten aber 14 Imker mehr als 20 Prozent an Bienenverlusten hinnehmen müssen.

So weit die Melissa-Studie und ihre Ergebnisse. Der Vorwurf von Burtscher an die Ages-Vertreter lautet nun, dass sie die Ergebnisse dieser 1396 Proben "danach ohne Hochrechnung auf die Gesamtzahl der österreichischen Bienenvölker – nämlich rund 367.000 – bezogen". Und erklärt wurde, es habe 2011 nur "0,38 Prozent durch insektizide Saatgutbeizen geschädigte Bienenvölker" gegeben. "Als ob sämtliche betroffenen Bienenvölker untersucht worden wären", ärgert sich Burtscher. "Diese Prozentzahl kommt in der Melissa-Studie überhaupt nicht vor."

Mehr noch: 2012 seien laut Burtscher noch weniger Proben eingeschickt worden – und die Ages-Vertreter hätten sie wieder als absolute Zahlen interpretiert und erklärt, die Anzahl der von Neonicotinoiden betroffenen Bienenvölker sei von 2011 auf 2012 von 0,38 auf 0,1 Prozent zurückgegangen. Das sei eine unzulässige Verharmlosung der Ausfälle, betont Burtscher. Tatsächlich gab es 2012 Verluste von rund 25 Prozent bei den Wintervölkern.

Global 2000 fordert daher den Umwelt- und den Gesundheitsminister dezidiert auf, als Eigentümervertreter dafür zu sorgen, dass die Ages diese Aussagen öffentlich richtigstellt. In einer ersten Reaktion der Ages am Mittwoch hieß es lediglich: Die "Fragen zur Methodik und Zahlenerhebung stehen nicht im Widerspruch zu den Ergebnissen der Ages".

Vor EU-Abstimmung

Auf europäischer Ebene könnte es bald eine Entscheidung geben, ob zumindest drei Neonicotinoide teilweise verboten werden: Ein Antrag der Kommission hatte im März im zuständigen Ausschuss keine qualifizierte Mehrheit gefunden. Dafür wären 74 Prozent der Stimmen nötig gewesen.

Eine zweite Abstimmungsrunde wurde nun bereits für Ende April angesetzt. Kommt es dabei wieder zu keiner qualifizierten Mehrheit im Ausschuss, kann die Kommission diese Frage im Alleingang entscheiden.

In einem diese Woche präsentierten Report haben Greenpeace und die britische Universität Exeter die bisherigen Erkenntnisse zusammengetragen und analysiert, welche Faktoren zu dem massiven Bienensterben beitragen. Demnach leiden die Bienen nicht nur unter Krankheiten und Parasiten, sondern auch unter den Auswirkungen des Klimawandels sowie industrieller Landwirtschaftspraktiken.

Hier führen vor allem die Neo nicotinoide nicht nur zu akuten, teilweise tödlichen Vergiftungen,  sondern auch zu physiologischen Störungen bei der Nahrungssuche und Lernfähigkeit. Greenpeace fordert ein Verbot dieser Pestizide – und eine Umverteilung der EU-Förderungen in Richtung ökologischer Landwirtschaft. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD, 11.4.2013)