Das aus Karton nachgebaute Denkmal von Zoltan Pap wird zum Ort der Bücherverbrennung, dem Residenzplatz, getragen.

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Der Germanist Karl Müller (li.) und der Historiker Albert Lichtblau bei der Gedenkkundgebung zum 75. Jahrestag der Bücherverbrennung in Salzburg am 30. April 2013. Müller und Lichtblau gehören zu den Organisatoren der Initiative "Freies Wort".

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Die Journalistin und Standard-Kolumnistin Barbara Coudenhove-Kalergi war die Hauptrednerin bei der Gedenkkundgebung zum 75. Jahrestag der Bücherverbrennung in Salzburg am 30. April 2013.

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Der Historiker Oliver Rathkolb sprach Montagabend im Rahmen der Reihe "Salzburger Vorlesungen" zum Thema Bücherverbrennungen.

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Zum 75. Jahrestag hat die Initiative "Freies Wort" ein umfangreiches Gedenkprogramm organisiert.

Zwölf Stunden Spezialprogramm im freien Sender „Radiofabrik", eine Menschenkette von der Universitätsbibliothek zum Ort der Bücherverbrennung, dem Residenzplatz, ein "Speakers Corner" als Symbol für das Recht auf freie Meinungsäußerung, ein Theaterstück als Hommage an Jura Soyfer, eine Lesung der Salzburger Autorengruppe zum Thema "Brenn:Punkt Salzburg", die symbolische Rückführung des im Hof eines Uni-Gebäudes im Stadtteil Nonntal gut versteckten Mahnmals zur Bücherverbrennung an den Ort des Geschehens und eine Kundgebung unter dem Motto "Freiheit ist immer Freiheit des Andersdenkenden" samt eigener Glockenspiel-Komposition am Residenzplatz – die Initiative "Freies Wort" rund um den Leiter des Salzburger Literaturhauses Tomas Friedmann, den Historiker Albert Lichtblau und den Germanisten Karl Müller hat zum 75. Jahrestag der Bücherverbrennung ein ausgesprochen dichtes Gedenkprogramm auf die Beine gestellt.

Es sei eine Initiative gegen das "öffentliche Schweigen", charakterisiert Karl Müller die Veranstaltungsreihe. Es habe bis 1987 gedauert, bis sich in Salzburg überhaupt irgendjemand an den barbarischen Akt der Nationalsozialisten erinnern wollte. Damals hat die Salzburger Autorengruppe mit einer Veranstaltung, an der federführend der Dichter Erich Fried teilgenommen hatte, dieses "öffentliche Schweigen" gebrochen.

Die Gedenkveranstaltung Dienstagabend war mit etwa 500 Teilnehmern wesentlich besser besucht als jene vor 25 Jahren. Unter den Besuchern unter anderen auch Erzbischof Alois Kothgasser. Strittig unter den Organisatoren war bis zuletzt, ob Politiker bei der Gedenkkundgebung zu Wort kommen sollen. Letztlich entschied man sich dafür. Man könne nicht kritisieren, dass die Politik jahrzehntelang zur Bücherverbrennung geschwiegen habe und ihr gleichzeitig das Wort verbieten, argumentiert Mitorganisator Friedmann. Und so waren dann auch Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) und Bürgerlistengemeinderätin Inge Haller auf der Bühne. Letztere war von der Initiative "Freies Wort" selbst nominiert worden, wo sie in der Vorbereitung der Veranstaltung aktiv war.

Antiislamismus

Als Hauptrednerin widmete sich die Journalistin und Standard-Kolumnistin Barbara Coudenhove-Kalergi dann vor allem dem Bezug zum Heute, denn sie sei gegen reine Gedenkveranstaltungen "ein bisschen skeptisch", wenn diese "eine Fleißaufgabe des schlechten Gewissens" wären. Den Antisemitismus, der bei der Bücherverbrennung eine große Rolle gespielt habe, hält Coudenhove-Kalergi für weitgehend überwunden: "Eine jüdische Großmutter zu haben, ist heute sogar ganz schick."

Trotzdem könne man nicht sagen, dass wir endgültig "in einem Zeitalter des demokratischen zivilisierten Zusammenlebens" angekommen seien. Man bekomme zwar nicht mehr "Saujud" zu hören, dafür aber sehr wohl "Scheißtürke" oder "Scheißtschusch". Für Coudenhove-Kalergi ist insbesonders der Antiislamismus "der Antisemitismus des 21. Jahrhunderts". Damit könne man heute, "so wie damals", wieder Politik machen.

"Symbolische Justifizierung"

Bereits am Vorabend referierte der Wiener Zeithistoriker Oliver Rathkolb im Rahmen der von der Universität Salzburg veranstalteten Reihe „Salzburger Vorlesungen" zu den geschichtswissenschaftlichen Aspekten der nationalsozialistischen Bücherverbrennungen. Der Vorstand des Institutes für Zeitgeschichte an der Uni Wien sieht die Bücherverbrennung auch als Ausdruck eines damals herrschenden Zeitgeistes im deutschsprachigen Raum. Quasi als Beleg dient ihm dafür die Rezeption der Bücherverbrennungen 1933 durch die österreichischen Zeitungen. Obwohl das österreichische Regime scharf anti-nationalsozialistisch agierte, berichtete die – unter Zensur erscheinende – Presse sehr zurückhaltend über die insgesamt 93 Bücherverbrennungen in 70 deutschen Städten.

Die christlich-soziale "Reichspost" habe sich sogar mit den Zielen der Verbrennung solidarisiert: Dass die nationale Bewegung in Deutschland das Volk von "dem namenlosen Bücherschmutz" befreien wolle, "entspricht gesunden Instinkten". Ausdrücklich begrüßt habe die "Reichspost" die Verbrennung des Anti-Kriegsbuches "Im Westen nichts Neues" von Erich Maria Remarque. Die Zustimmung zur Vernichtung "den undeutschen Geistes" sei weit in die Gesellschaftselite hineingegangen. Selbst der liberale Politiker und Publizist Theodor Heuss – 1949 der erste Bundespräsident der BRD – habe die Bücherverbrennungen unter Hinweis "auf deutsche Traditionen" als "nicht so tragisch" gerechtfertigt, da diese ja nur die Reaktion des deutschen Volkes auf die Gräuelpropaganda ostjüdisch-kommunistischer Zirkel wären. Dies obschon von Heuss selbst ein Werk verbrannt worden sei.

Die Bücherverbrennung in Salzburg 1938 sei spezifisch zu sehen, meint Rathkolb. Sie wäre mehr als nur eine "symbolische Hinrichtung" gewesen. Es gehe dabei auch um "symbolische Rache an den Funktionären und Repräsentanten des Dollfuß-Schuschnigg Regimes". In Salzburg wurden neben den jüdischen Autoren auch viele klerikale Literatur ins Feuer geworfen. Die Salzburger Zeitung schreibe wörtlich von "symbolischer Justifizierung". (Thomas Neuhold, derStandard.at, 30.4. 2013)