Peddigrohr verschleiert in Ilse Haiders Arbeiten die weiblichen Akte.

Foto: Galerie Steinek

Wien - Weibliche und männliche Akte haben unterschiedliche Geschichten. Von klassischen Statuen einmal abgesehen hat man explizite Darstellungen männlicher Akte im öffentlichen Raum Österreichs eigentlich erst nach dem Jahr 2000 gesehen: Da war zum einen der Gelitin'sche Arc de Triomphe (2003) in Salzburg, und letztes Jahr kam im Wiener Museumsquartier mit Ilse Haiders Mr. Big noch ein zweiter dazu.

In der aktuellen Präsentation von Ilse Haider in der Galerie Steinek kommt man nun gewissermaßen dahinter, was die Künstlerin überhaupt zum nackten Mann gebracht hat: Unter dem Titel go to reference hat sie sich mit den klassischen Ikonen der Aktfotografie zu Beginn des 20. Jahrhunderts befasst. Männer sind da erwartungsgemäß nicht dabei, dafür aber Tänzerinnen wie Josephine Baker, Mata Hari, Claire Bauroff, Isadora Duncan und Olga Desmond, die sich um 1900 von so renommierten Persönlichkeiten wie Trude Fleischmann oder Paul Colin ablichten ließen.

In der Schau sind die Aktaufnahmen in der für Haider typischen Technik auf dreidimensionale Bildträger gebannt: Es handelt sich dabei um Peddigrohr, das sich in einzelnen Streifen in den Raum hineinwölbt. Die Körper werden so auf eine Weise fragmentiert, dass man sie nur von einem bestimmten Standpunkt aus vollständig sehen kann. Ganz anders als bei Mr. Big wird damit auch die Perspektive des Betrachters thematisiert. Dieser muss den Blick auf die Körper auf voyeuristische Weise erhaschen.

Baker, Duncan etc. waren aber nicht nur die Objekte des (männlichen) Blicks, sondern ähnlich wie Hedy Lamarr oder Hildegard Knef auch frühe Ikonen der sexuellen Befreiung. Darauf verweist Haider mit künstlerischen Bearbeitung von Stills aus den Filmen Ekstase und Die Sünderin und präsentiert im letzten Raum eine auf dem Flohmarkt gefundene Aktbild-Sammlung: Ilse Haider featuring The Unknown Author: The nude body scrapbooks 1945-1976 heißt das Archiv, das sie ins Medium Video übertragen hat. Zu sehen sind akribisch gefertigte Collagen aus Magazin- und Zeitungsauschnitten, mit denen der anonyme Sammler seinem Interesse an Nacktheit überraschend gleichberechtigt - mit weiblichen und männlichen Körpern - Ausdruck verlieh.   (Christa Benzer, DER STANDARD, 2.5.2013)