Die Hintergründe des Bienensterbens in Österreich und des weltweit beobachteten Rückgangs der Bienenpopulationen sind multifaktoriell, also durch viele Einflüsse bedingt, wie es so treffend heißt. Diese Feststellung schließt aber nicht aus, dass es sinnvoll ist, gegen jene einzelnen Faktoren, deren negative Auswirkungen nun über Jahre beobachtet und nachgewiesen wurden, endlich wirksame Maßnahmen zu ergreifen. Im Fall der bienenschädlichen Pestizide erscheint das einfach: Das synthetisch-chemische Gift darf nicht mehr vorsätzlich in die Natur gebracht werden. Schlimm genug, dass die anderen Faktoren wie Klimawandel, Krankheiten oder schwindende Pflanzenvielfalt nicht so schnell ausgeschaltet werden können.

Was oder, besser, wer spricht aber dagegen? Wie kann es sein, dass gerade Österreich gegen den Vorschlag der EU-Kommission, die Neonicotinoide zu verbieten, gestimmt hat? Wer braucht die Neonicotinoide und wozu? Das Festhalten an der gängigen Praxis der intensivierten Landwirtschaft trotz alarmierender Hinweise ist natürlich auch multifaktoriell bedingt, aber auch hier lassen sich einzelne maßgebliche Faktoren ausmachen: Die Bienenschäden treten hauptsächlich in Gebieten mit intensivem Mais- und Rapsanbau auf: Monokulturen mit Futtermais für die Massentierhaltung und maximale Flächennutzung mit Raps für die Erzeugung von Agrosprit.

Ein Faktor ist also die Form der Landwirtschaft, die möglichst billig viel "Fleisch erzeugt" und den enormen Fleischkonsum der Österreicher/innen ermöglicht - etwa 1,25 Kilogramm Fleisch pro Woche und Person. Allein bei Schweinen sind es rund 5.601.000 geschlachtete Tiere pro Jahr. Und das ist viel zu viel Fleisch, das bestätigen sowohl Ernährungsexperten als auch Klimaforscher. Jedoch ist es ein starker Wirtschaftszweig mit entsprechender Lobby: "Fleisch bringt's" plakatierte die AMA großflächig, als nach einem der zahlreichen vergangenen Fleischskandale der Umsatz der Fleischproduzenten etwas einzusinken drohte.

Die Massentierhaltung benötigt große Mengen an billigen Futtermitteln. Ein großer Anteil davon ist aus Argentinien und Brasilien importiertes Soja, zumeist gentechnisch verändert, gewachsen auf gerodeten Flächen des einstigen Regenwaldes. Die heimischen Futtermittel bestehen hauptsächlich aus Mais, der in großen Monokulturen angebaut wird. Diese sind bekanntlich anfällig gegen Schädlinge. Und da ist er, der teuflische Feind gegen den verinnerlichten Anspruch "Unser täglich Schnitzel gib uns heute", der mit allen Mitteln bekämpft werden muss: der Maiswurzelbohrer. Und die lukrativen Mittel der Agrarchemie sind die Neonicotinoide. Der Staub des damit gebeizten Saatgutes verursacht jedoch nachweislich auch irreversible Bienenschäden.

Zurück zum Sonntagsbraten

Eine einfache Lösung gegen den Mais-Schädling wäre eine Fruchtfolge mit drei verschiedenen Kulturpflanzen. Nach zwei Jahren sterben die Larven des Maiswurzelbohrers, wenn sie keine Nahrung finden. Doch anstatt einer ökologischen Schädlingsbekämpfung hat in Österreich die intensive Schweinemast Vorrang. Und das auf Kosten der Biene. Die konservative Forderung "Zurück zum Sonntagsbraten" kommt deshalb nicht aus ebendieser Ecke, sondern von Umweltschützern, die dafür plädieren, wenn schon Fleischkonsum, dann seltener und besser, nämlich aus regionaler und biologischer Landwirtschaft.

Seit 2008 wird nun das durch Neonicotinoide verursachte Bienensterben beobachtet. Die dem Lebensministerium anhängige österreichische Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) hat jetzt - nach scharfer Kritik vonseiten der Umweltschutzorganisationen und der Imkerschaft - für Mai 2013 einen "Bienenworkshop" angekündigt, um "den Bienenschutz umfassend zu betrachten". Gleichzeitig wird gerade jetzt im Frühjahr wieder gebeiztes Saatgut auf die Felder ausgebracht. Wo steht der Umweltminister innerhalb der Personalunion mit dem Landwirtschaftsminister? Beim Bienenschutz wird die politische Unvereinbarkeit sehr deutlich. Wer kann schon als Vertreter der heimischen Agrarlobby gleichzeitig in der Haut eines aktiven Umweltministers stecken? Diesem bleibt nur der wiederholte Hinweis auf das Multifaktorielle. Von einem Interessenkonflikt war beim Thema Bienenschutz zumindest bisher jedenfalls nichts zu merken. (Simonne Baur, DER STANDARD, 02.05.2013)