Der indochinesische Tiger hat eigentlich nur einen Feind, der ihm wirklich gefährlich werden kann: Den Menschen.

Foto: WWF / Choong Joon Lai

Franko Petri (li.) bei einer Lagebesprechung mit Nationalpark-Rangern.

Foto: Anton Vorauer

Bangkok/Wien – Eine Patrouille kämpft sich rund 400 Kilometer von der Hauptstadt Bangkok entfernt durch den Dschungel. Überall Dornengestrüpp. Von den Bäumen hängen Lianen, die sich auch am nur schwer erkennbaren Weg weiterschlängeln. Sie sind kaum von Schlangen zu unterscheiden.

Vor denen sind die Männer aber kaum auf der Hut – die Schlangen flüchten meist, wenn sie die Erschütterungen der Schritte spüren. Sorgen bereiten eher die Wildelefanten, die auch mithilfe des WWF hier wieder mehr Lebensraum vorfinden. Wenn einer dieser Elefanten angreifen sollte, heißt es um dein Leben laufen, wurde Franco Petri, Sprecher des WWF Österreich, eingebläut.

Plötzlich sind in einiger Entfernung Schüsse zu hören. Das können nur Wilderer oder burmesische Soldaten auf der Jagd sein, wissen die Ranger. Und um diese aufzustöbern, sind sie hier im Dschungel unterwegs – schwerbewaffnet mit belgischen Maschinenpistolen. Sie machen Jagd auf die illegalen Jäger – um die letzten hier lebenden indochinesischen Tiger zu schützen.

"Joint Smart Patrol" heißen die Einheiten, die Petri kürzlich im Urwald von Thailand begleitete – eine gemischte Truppe aus Rangern des WWF, Rangern des Nationalparks, Vertretern des thailändischen Militärs und der Grenzpolizei geht hier gemeinsam auf Tour.

Warum so viele Behörden? "Das Joint-Konzept ist die einzige Chance auf Erfolg", erläutert Petri. "Denn die Erfahrung hat gezeigt, dass sich sonst die festgenommenen Wilderer mit Bestechungsgeld rasch wieder freikaufen. Wenn so viele Institutionen und der WWF vertreten sind, geht das nicht mehr."

"Smart" seien diese Patrouillen übrigens auch, "weil sie nicht nur die Tiger und ihre Beutetiere beschützen, sondern auch Tigerspuren und Spuren der Beutetiere genau festhalten mit einem GPS-Gerät und auf einer Karte verzeichnen. So können wir – ergänzt durch Fotos und Videos von eigenen ,Kamerafallen' – wissenschaftlich genau erheben, wo welche Tiger und ihre Beutetiere noch vorkommen."

Bei den Tigerschutzprogrammen des WWF "geht es nicht nur um die Tiger allein – sondern um viele Aspekte der Nachhaltigkeit", erläutert Franko Petri weiter im Standard-Gespräch. "Da geht es insgesamt auch um Maßnahmen gegen die Waldvernichtung und damit um Klimaschutz – aber auch um den Lebensraum der Beutetiere und um soziale Nachhaltigkeit für die Menschen in der Region."

Alternative Einkommen

Denn das ist der nächste Pfeiler für einen erfolgreichen Tigerschutz: Entscheidend sei, dass die Menschen in der Region auch eine Perspektive bekommen – und eben nicht mit der Wilderei ihr Geld verdienen müssen. Besonders wichtig sei es beispielsweise, dass Ranger auch nach ihrer Pensionierung ein gesichertes Einkommen haben – denn andernfalls kämen sie in Versuchung, ihr enormes Wissen über das Tigergebiet Wilderern zur Verfügung zu stellen.

Derzeit gibt es noch 3200 wildlebende Tiger in 13 Staaten Asiens (siehe auch Wissen). Gleichzeitig leben aber 20.000 Tiger in Gefangenschaft, in Zoos oder in Privatbesitz – meist unter unwürdigen und alles andere als artgerechten Bedingungen. Unter anderem auch in eigenen Farmen, etwa in China, in denen rund 4000 Exemplare leben. Wegen des bestehenden strikten Handelsverbots werden die Farmen heute offiziell nur touristisch genutzt. Doch die toten Tiger werden in den Kühlhäusern der Tigerfarmen gelagert, und die Betreiber warten darauf, dass das Handelsverbot aufgehoben wird, berichtet Petri.

Der WWF Österreich und der WWF Deutschland haben ein Dreijahresprojekt gestartet, um die noch freilebenden Tiger in Thailand und Myanmar zu retten; ein Gebiet in dem noch die meisten freilebenden indochinesischen Tiger vorkommen. Ziel ist es, weltweit die Zahl der freilebenden Tiger bis zum Jahr 2022 wieder zu verdoppeln. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD, 2.5.2013)

=> Wissen Von 100.000 auf 3200 Tiger

Wissen Von 100.000 auf 3200 Tiger

Vor 100 Jahren gab es mehr als 100.000 Tiger in Asien. Heute leben nur noch etwa rund 3200 Tiger in freier Wildbahn in 13 Staaten Asiens. Allein seit den 1980er-Jahren hat sich die Zahl der wild lebenden Tiger halbiert. Drei der neun Tigerunterarten (Bali-, Java- und Kaspischer Tiger) sind bereits in den vergangenen 70 Jahren ausgestorben. Der südchinesische Tiger wurde seit 30 Jahren nicht mehr beobachtet. Die noch existierenden fünf Unterarten sind höchstgefährdet.

Der indochinesische Tiger hat ein Gewicht bis zu 190 Kilogramm sowie eine Kopf-Rumpf-Länge bis zu 2,75 Meter. Im vergangenen Jahrzehnt gingen 40 Prozent der vor zehn Jahren noch vorhandenen Lebensräume der Tiger verloren.

Die maximal 350 indochinesischen Tiger leben in nicht verbundenen Verbreitungsgebieten. Diese Schutzgebiete sind zu klein – und der geplante grenzübergreifende Ausbau der Infrastruktur in Myanmar, Thailand und China droht das Ausdehnungsgebiet der Tiger weiter zu durchtrennen – der genetische Austausch würde weiter eingeschränkt.