Clarissa Stadler moderiert den "Kulturmontag" im ORF. Die anderen sechs Tage wohnt sie in einer bunten Ringstraßenwohnung in Wien. Ihr liebster Raum, erfuhr Wojciech Czaja, ist die winzige Höhlenküche.

"Farben spielen für mich eine sehr wichtige Rolle. Ich nehme sie genauso stark wahr wie Töne oder Gerüche. Mit manchen Farben könnte ich nicht leben. Da krieg ich sämtliche Zustände. Bei anderen Farben wiederum geht es mir richtig gut: Gelb zum Beispiel, und zwar in allen Schattierungen, vom bissigen Zitronengelb über Sonnenblumengelb, Dottergelb bis hin zu Senf.

"Ich habe keine Angst vor Farben. Und ich wohne gerne mit Kunst." Die ORF-Moderatorin Clarissa Stadler in ihrer Wohnung in der Wiener Innenstadt.
Foto: Lisi Specht

Generell kann ich sagen: Ich bin eine leidenschaftliche Wohnerin. Ich richte mich gerne ein (manchmal stelle ich sogar Hotelmöbel um!), und ich wohne gern mit Kunst. Ich kann mich erinnern: Schon als Kind hatte ich mein Zimmer mit bunten Plakaten und ausgerissenen Kalenderdrucken austapeziert. Während des Studiums habe ich dann begonnen, Kunst zu sammeln, zunächst als Tauschaktion mit Künstlerfreunden, später dann in Form von Ratenzahlungen. Das Kunstshopping hat sich bis heute gehalten. Egal wo ich hinfahre, meist komme ich mit irgendwelchen Mitbringseln zurück, mit einem großen Bild aus Warschau, einem alten Globus aus New York und so weiter.

Besonders angetan hat es mir polnische Kunst. Die Polen zählen für mich zu den besten Malern in Europa. Das liegt einerseits an diesem fetten, pastosen Pinselstrich, andererseits aber auch an dieser leichten Ironie, an dieser subtilen Selbstverarsche, die sich durch die polnische Kunst zieht. Ich liebe die Bilder von Marcin Maciejowski. Bei der Nummer 66, der rothaarigen Dame an der Wand, handelt es sich übrigens um eine polnische Fernsehmoderatorin. Lustiger Zufall. Und die Frau im Bus Nr. 124? Keine Ahnung.

Auch eine Schwäche von mir: Espressotassen! Die meisten habe ich auf diversen Flohmärkten gekauft oder in italienischen Bars und Restaurants zusammengeschnorrt. Die meisten kommen aus Sizilien. Ich weiß nicht, wie viele unterschiedliche Exemplare ich habe. Unzählige! Überhaupt ist die Küche mein Lieblingsraum, auch wenn das die wenigsten nachvollziehen können. Das ist der einzige Raum in der ganzen Wohnung, der noch immer unrenoviert ist. Die Einbauschränke reichen bis zur Decke und sind so richtig typisch für die Fünfzigerjahre. Es gibt unzählige kleine Nischen und Verstecke, alles quietscht und klemmt, die Beschläge sind ausgeleiert, und die Regale sind voll von Marmeladegläsern und Gewürzdosen. Ich mag keine Designerküchen. Ich finde, eine Küche darf ruhig nach Zwiebel, Knoblauch, Kuchen und Kaffee riechen. Mein Rainer, mein Lebensgefährte, ist Architekt und versucht mir schon seit Jahren einzureden, meine kleine Höhlenküche umzubauen. Kommt nicht infrage! Der Arme. Aber dafür führen wir ein wunderbares Leben miteinander.

Abgesehen von dieser eigenartigen Küche ist diese Wohnung alles in allem wohl genau das, was man sich unter einer klassischen Ringstraßenwohnung vorstellt: groß, lichtdurchflutet und kaum zu heizen. Das einzig Ungewöhnliche ist dieser Fünfzigerjahretouch, der hie und da aufblitzt. Das Haus hat im Zweiten Weltkrieg einen Bombenschaden erlitten und wurde danach renoviert. Das sieht man vor allem an den Türen und Badezimmerfliesen. Ich finde das sehr charmant.

Schlimm ist bloß die Hitze im Sommer. Da kann die Wohnung affenheiß werden. Es ist zum Ersticken. Im Juli und August überlege ich mir regelmäßig, alles aufzugeben und wegzuziehen. Das hätte allerdings den Nachteil, dass sich keine Fledermäuse mehr in meinem Wohnzimmer einnisten würden, wie das schon mal der Fall war. Das hätte aber auch den Vorteil, dass ich dann nicht mehr auf das grauenvolle Dachgeschoß vis-à-vis schauen müsste. Diese Wiener Dachgeschoßausbauten sind eine Seuche." (DER STANDARD, 1./2.6.2013)