Als Geschäftsführerin von British American Tobacco Austria setzt sich Karin Holdhaus seit 2008 für Zigarettenmarken wie Lucky Strike, Parisienne und Pall Mall ein. Zugleich ist Holdhaus  Umweltsprecherin der ÖVP im Wiener Gemeinderat. Wie diese beiden Funktionen zusammengehen und warum sie sich sowohl als Vertreterin der Tabakindustrie als auch als Politikerin gegen Überregulierung durch die Politik ausspricht, sagt sie im Gespräch mit derStandard.at. Außerdem erklärt Holdhaus, warum der Tabakkonzern finanziell die Bürgerinitiative meinveto.at unterstützt, die gegen Bevormundung durch die Politik ankämpft. Auf ihren Wunsch wurden zwei getrennte Interviews geführt.

Interview mit der Tabak-Geschäftsführerin

derStandard.at: Würden Sie sich selbst als Tabak-Lobbyistin bezeichnen?

Holdhaus: Ich bin Mitgeschäftsführerin bei British American Tobacco Österreich. Wir haben Lobbyisten angestellt, ich bin Leiterin der Kommunikation und Industriepolitik.

derStandard.at: Als Tabakvertreterin unterstützen Sie die Bürgerinitiative meinveto.at. Diese spricht sich auch dagegen aus, dass die Politik moralisierend auftritt. Sie sind selbst ÖVP-Abgeordnete im Wiener Gemeinderat. Hat Ihre Partei das mitzuverantworten?

Holdhaus: Ich spreche jetzt in der Funktion als Sprecherin für British American Tobacco Österreich.

derStandard.at: Trotzdem haben Sie zugleich ein politisches Mandat.

Holdhaus: Sie können gerne mit mir ein gesondertes Interview als Landtagsabgeordnete führen. 

derStandard.at: Gern. Geht es British American Tobacco bei der Unterstützung der Initiative meinveto.at eher um gesamtgesellschaftliche Fragen oder darum, dass weiterhin geraucht werden darf?

Holdhaus: Wir glauben, dass durch die Tabakproduktrichtlinie der Informationsgehalt  sinkt und im nächsten Schritt ein legales Produkt so stark eingeschränkt wird, dass der Konsument sich die Produkte vom illegalen Markt holen wird. Rauchen würde sich dann in einem unkontrollierten Bereich abspielen.

Dieses Gefahrenszenario kann auch nicht im Interesse der Politik sein. Wenn dieser Überregulierungswahn so weitergeht, werden sich bald Hersteller aller Genussmittel der Initiative meinveto.at anschließen.

British American Tobacco unterstützt die Initiative, weil wir glauben, dass der derzeitige Trend in der Politik hin zu Überregulierung und Verboten geht. Wir sind im Zuge der Überarbeitung der Tabakproduktrichtlinie gerade mit einer übermäßigen Regulierung konfrontiert.

derStandard.at: Unterstützen Sie meinveto.at auch finanziell?

Holdhaus: Eine solche Initiative ist natürlich immer auch auf finanzielle Unterstützung angewiesen.

derStandard.at: Eines dieser von der Politik erlassenen Verbote ist das Werbeverbot für Zigaretten. Ist es aus Ihrer Sicht nicht sinnvoll, präventiv zu arbeiten?

Holdhaus: Werbeverbot hat mit Prävention nichts zu tun. Das Werbeverbot für die Tabakbranche wurde bereits vor sieben Jahren auf EU-Ebene beschlossen und 2007 in Österreich umgesetzt.

Das Argument dafür war damals, dass Werbung Jugendliche beeinflusst. Jetzt, sieben Jahre später, bestätigt sich, dass ein Werbeverbot die falsche Maßnahme ist.

Wenn sich jemand ein Auto kaufen will, wird er durch die Werbung dahingehend beeinflusst, welches Auto er kauft. Wenn er kein Auto will, wird er auch keines kaufen. In Zukunft soll auf über 75 Prozent der Zigarettenverpackung ein Warnhinweis angebracht sein. Die Unternehmen werden nicht mehr die Möglichkeit haben, sich zu unterscheiden.

Das ist eine Maßnahme gegen den Wettbewerb und wird nicht dazu beitragen, dass das Bewusstsein dafür gestärkt wird, dass Tabakprodukte schädlich sein können. Bereits jetzt finden sich auf jeder Packung Warnhinweise.

derStandard.at: Sie denken, die Entscheidung, ein Auto zu kaufen, ist vergleichbar mit der Entscheidung, Raucher oder Raucherin zu werden?

Holdhaus: Im Bereich des Jugendschutzes gibt es viel bessere Maßnahmen als das Werbeverbot. Diese sind vor allem im Präventivbereich zu sehen. Verbote führen augenscheinlich nicht zu einer Meinungsänderung, dafür gibt es genug Beispiele. Verbote schlagen in manchen Fälle sogar ins Gegenteil aus, was nicht im Sinne des Regulators sein kann.

derStandard.at: Was wäre dann eine effektive Maßnahme zur Nikotinprävention bei Jugendlichen?

Holdhaus: Wenn man sich ansieht, dass die Jugendlichen zu wenig Bewegung machen, sich ungesund ernähren, viele übergewichtig sind und Alkohol trinken, rauchen oder zu viel Süßes essen, zeigt sich, dass man nicht nur punktuell ansetzen kann, indem man zum Beispiel überdimensionierte Warnhinweise verhängt oder einzelne Produkte verbietet.

Sonst müsste man ja auch Süßwaren und Alkohol mit Warnhinweisen ausstatten und für Jugendliche verbieten, und auch gleich das Auto, weil Autofahren auch gefährlich ist. Der Weg, Einzelnes zu verbieten, führt nicht zum Ergebnis.

Wird etwas verboten, wird nach Alternativen gesucht. Erziehung ist am Ende das Entscheidende. Mit Verboten kommt man nicht weiter. Vielmehr soll man mündige Bürger erziehen, die selbst stark genug sind zu entscheiden, was gut für sie ist.

derStandard.at: Wer ist für die Mündigkeit der Bürger verantwortlich? Sind das die Eltern oder ist es die Politik?

Holdhaus: Natürlich sind es zuerst die Eltern. Aber der Gesetzgeber gibt mit seinen Regulierungen die Rahmenbedingungen vor, in denen wir leben. Wenn der Gesetzgeber vorlebt, dass ich Probleme nur mit Verboten lösen kann, dann werden die Eltern auch in Richtung Verbote gehen, weil sie es vorgelebt bekommen.

Die Kinder wachsen in einer Verbotsgesellschaft auf. So werden die Menschen immer mehr entmündigt, und sie haben schließlich das Gefühl, nicht mehr für sich selbst verantwortlich zu sein, sondern dass jemand anders für sie verantwortlich ist.

derStandard.at: Unterstützen Sie auch die Legalisierung von Hanf?

Holdhaus: Bei der Tabakproduktrichtlinie geht es nicht um die Legalisierung, sondern um die Illegalisierung. Der Gesetzgeber sagt, ich verbiete ein legales Produkt. Oder nehmen wir zum Beispiel Snus. Snus ist erwiesenermaßen ein weniger schädliches Produkt, das sagen auch viele Mediziner und Experten.

Experten aus dem Gesundheitsbereich unterstützen die Idee, ein weniger risikobehaftetes Produkt am Markt zuzulassen und dadurch mehr Tabakkonsumenten auf dieses Produkt zu transferieren. Das würde auch dem Gesundheitsaspekt entgegenkommen. Wenn es darum geht, alles aus der EU zu verbannen, stellt sich auch die Frage nicht, ob Hanf legalisiert werden soll.

derStandard.at: Würden Sie Snus gerne auch am österreichischen Markt sehen?

Holdhaus: British American Tobacco glaubt, dass Snus eine absolut sinnvolle, weniger schädliche Alternative im Tabakbereich ist. Das belegen sehr viele Studien aus Schweden, wo Snus erlaubt ist.

derStandard.at: Snuskonsumenten sind angeblich einem höheren Risiko von Bauchspeicheldrüsenkrebs ausgesetzt. Warum soll der Kautabak gesünder sein als Rauchen?

Holdhaus: Was Snus weniger schädlich macht, ist, dass es keinen Verbrennungsprozess gibt. Das ist wissenschaftlich bewiesen. Im Übermaß ist alles schädlich.

derStandard.at: Sie kritisieren, dass der Staat in höchstpersönliche Lebensbereiche eingreift. In Österreich gibt es zum Beispiel keine Zustimmung der ÖVP zur Trauung von Menschen, die homosexuell sind. Wie stehen Sie dazu?

Holdhaus: Generell ist immer die Frage, wann ist die Grenze zur Überregulierung erreicht? Kussverbote, Stöckelschuhverbote, Olivenölverbot oder die jüngste EU-Forderung: Verbot von Kinderfotos auf Babymilchwerbung.

derStandard.at: Sollen sich Homosexuelle am Standesamt trauen dürfen?

Holdhaus: British American hat sich zur Homo-Ehe keine Gedanken gemacht. Unser Fokus liegt auf der Tabakproduktrichtlinie.

Interview mit der Politikerin

derStandard.at: Sie haben darauf bestanden, dass wir zwei Interviews führen. Ihre Geschäftsführungstätigkeit wollen Sie nicht mit Ihrer Abgeordnetentätigkeit vermischen. Warum ist Ihnen das so wichtig?

Holdhaus: Wenn ich in meiner Funktion als Politikerin rede, beschäftigen mich andere Themen als als Mitarbeiterin von British American Tobacco. Es ist wichtig, dass man solche Funktionen klar trennt.

derStandard.at:Wir haben im ersten Interview über die Initiative meinveto.at gesprochen, die Sie als Geschäftsführerin von British American Tobacco unterstützen. Sie haben die politischen Kräfte und Überregulierungen kritisiert. Wer sind diese Kräfte, gehört da auch Ihre Partei dazu?

Holdhaus: Die Politik tendiert immer stärker dazu, zu reagieren. Der Druck von den Medien steigt, dazu kommt die schnelle Kommunikation durch die neuen Medien. Man versucht, schnelle Lösungen zu bieten, und beschäftigt sich mit Problemen auf der Mikroebene. Man vergisst dabei, die Rahmenbedingungen auf der Makroebene zu ändern. Die ÖVP hat sehr gute Ansätze, weil sie für Wahlfreiheit steht. Die Verbotskultur wird weniger von der ÖVP getragen.

derStandard.at: In Wien wird sie vor allem von den Grünen forciert. Die ÖVP-Bezirksvorsteherin Ursula Stenzl forderte mehrfach ein Alkoholverbot in der Wiener Innenstadt.

Holdhaus: Wie gesagt, die Regulierungskultur ist verlockend. Aber nur, wenn man den Alkohol da oder dort verbietet, heißt das nicht, dass die Alkoholexzesse nicht stattfinden. Woanders eben. Das muss man bearbeiten. Alkoholverbote oder jüngste Vorstöße für Hundeverbote in Lokalen gehen am Ziel vorbei. Dann sind wir irgendwann einmal bei dem Menschen angekommen, der aufhört, darüber nachzudenken, was gut für sein Kind, seinen Hund und für ihn selbst ist.

derStandard.at: Die ÖVP spricht sich seit Jahren vehement gegen die Eheschließung von Homosexuellen am Standesamt aus. Scheren Sie dann im vorher von Ihnen ausgeführten Sinn von der Parteilinie aus?

Holdhaus: Jeder Mensch soll sein Leben so leben können, wie er es möchte. Man muss die Bedürfnisse und Befindlichkeiten jedes Menschen ernst nehmen. Es muss mehr Toleranz in alle Richtungen geben. Mit den herkömmlichen Zugängen wird man nicht weit kommen. Man muss neue Ansätze finden, wie auch homosexuelle Paare glücklich sein können.

derStandard.at: Sie haben also nichts dagegen, wenn sich ein homosexuelles Paar am Standesamt das Jawort gibt?

Holdhaus: Jeder Mensch ist frei geboren. Es muss das Ziel sein, diese Bedürfnisse zu berücksichtigen. Aber man muss den Menschen auch die Möglichkeit und Zeit geben, sich an neue Situationen zu gewöhnen.

derStandard.at: Die Tabakunternehmen lobbyieren derzeit heftig in Brüssel. Schließen Sie es aus, dass Sie Ihre politische Funktion für Tabaklobbying-Zwecke nutzen?

Holdhaus: Ja, natürlich. Ich bin in der Landespolitik, Tabak ist ein Bundesthema. Ich habe das in der Vergangenheit getrennt und werde es auch in Zukunft so machen. Jeder Abgeordnete, ob er einen Beruf hat oder nicht, hat unterschiedliche persönliche Interessen. Egal ob ich Kindergärtnerin bin oder in einem Tabakunternehmen arbeite: Beruf und Abgeordnetentätigkeit müssen getrennt sein.

derStandard.at: Als Politikerin haben Sie einen besseren Einblick und einen stärkeren Einfluss als eine Nichtpolitikerin.

Holdhaus: Warum?

derStandard.at: Sie kennen die Gesetzgebungsprozesse von innen sehr genau, und sie haben einen besseren Zugang zu den handelnden politischen Akteuren.

Holdhaus: Um Prozesse zu verstehen, muss man nicht Politiker sein. Es wäre wichtig, dass jeder weiß, wie Gesetze entstehen. Das gehört für mich zur Allgemeinbildung.

Im Rahmen der "Public Consultation", also einem öffentlichen Begutachtungsverfahren, kann jeder EU-Bürger seine Meinung zu einem EU-Gesetz abgeben. Heiße 500 Meinungen gehen da im Durchschnitt ein, bei 500 Millionen EU-Bürgern. Das sind 0,0001 Prozent. Das ist erschreckend.

derStandard.at: Die Frage ist zum Beispiel, in welcher Funktion Sie an Gesundheitsminister Stöger herantreten würden - als Landtagsabgeordnete oder als Tabakvertreterin?

Holdhaus: Als Abgeordnete hatte ich als Umweltsprecherin noch keinen Anknüpfungspunkt, mit dem Gesundheitsminister zu sprechen. Als Mitarbeiterin von British American Tobacco hatte ich diese Gelegenheit auch noch nicht. Wenn ich als Geschäftsführerin mit Politikern spreche, vertrete ich das Unternehmen, aber ich lobbyiere nicht.

derStandard.at: Sie haben keinen Vorteil, weil Sie Abgeordnete sind?

Holdhaus: Das weiß ich nicht. Vielleicht ist das auch ein Nachteil.

derStandard.at: Sie waren von 2001 bis 2003 Pressesprecherin von Ernst Strasser, der wegen der Lobbyisten-Affäre verurteilt worden ist. Was lernen Sie daraus?

Holdhaus: Man muss Zivilberuf und Politik konkret und klar trennen, diese Verantwortung muss jeder selbst tragen. Aber: Jeder, der in die Politik geht, hat eine gewisse Einstellung, Meinung und Interessen. Den objektiven, sprich neutralen Politiker wird es nie geben.

derStandard.at: Als Tabakvertreterin haben Sie sich für die Legalisierung von Snus in Österreich ausgesprochen. Sind Sie auch als Politikerin dafür?

Holdhaus: Ja. Es gibt zahlreiche Studien, die dafür sprechen. Wenn ich von der Frage ausgehe, wie man den Europäern einen weniger risikobehafteten Tabakgenuss ermöglichen kann, dann ist es nur sinnvoll, den Konsumenten die Möglichkeit zu geben, ein solches Produkt zu wählen. Snus kann auch bei der Rauchentwöhnung helfen.

derStandard.at: Wären Sie im Nationalrat Abgeordnete, würden Sie sich für die Legalisierung von Snus einsetzen?

Holdhaus: Wäre ich für diesen Bereich zuständig und würde nicht bei British American Tobacco arbeiten, würde ich für eine EU-weite Regelung eintreten.

derStandard.at: Die "Arbeiter Zeitung" beschrieb 1979 in einem Artikel die rauchende Vera Kreisky, Ehefrau des damaligen Kanzlers und SPÖ-Chefs. Rauchende Politiker sind heute in der Öffentlichkeit tabu, oder?

Holdhaus: Zwischen 1979 und 2013 hat sich generell wahnsinnig viel verändert. Ich weiß nicht, ob Politiker heute nicht mehr rauchen dürfen oder in Zukunft mit dem Fahrrad fahren müssen. Auch die Rolle der Frau hat sich massiv verändert, wir haben heute Möglichkeiten, für die wir 1979 noch gekämpft haben.

derStandard.at: Sind Sie mit der Situation, wie sie für Frauen hierzulande heute ist, zufrieden?

Holdhaus: Nein. Wir Frauen sind in einem schwierigen Rollenkonflikt. Einerseits haben wir die Möglichkeit, uns selbst zu verwirklichen, im Job, im Haushalt, persönlich. Und wer die Möglichkeit dazu hat, will Kinder haben und sie erleben. Abgegeben haben wir noch nichts.

derStandard.at: Was wollen Sie daran ändern?

Holdhaus: Auch hier: Die Symptome werden bekämpft, die Ursachen des Problems werden jedoch nicht angegangen. Es kann auch nicht das Ziel der Frauenpolitik sein, einem Mann im Berufsleben ebenbürtig zu sein und in der Männerwelt zu bestehen.

Dass Frauen immer noch weniger verdienen als Männer, ist inakzeptabel. Aber die Erkenntnis ist: Die finanzielle Unabhängigkeit reicht nicht aus, um als Frau ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Da muss noch viel passieren. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 1.7.2013)