Das, was heute als "innovativ" gesehen wird, ist es nicht, sagt Jörg Jelden, "oder würden Sie Twitter gegen Ihre Heizung eintauschen?" Es fehle an grundlegenden Errungenschaften, sagt er. Wenn man heute von Innovation spreche, sagt er, meine man "Effizienz-Innovation" à la " weniger Einsatz, mehr Ergebnis".

Kompetenz-Be- und Zuschreibungen wie Erfolg durch die Fähigkeit, Diversität oder Komplexität zu managen, hält er für leere Worte. "Wer kann und tut denn das wirklich?"

Deshalb sei eine zentrale Frage für Veränderung für ihn: Was kann man tun, um größere Denkweisen zu verändern, andere Strukturen zu etablieren, die gute Innovationen nicht mittelfristig "verpuffen lassen" ? Der Umgang mit Innovation heute und die Strukturen, auf die sie häufig treffe, könne letztlich nur von einer Megakrise in die nächste führen - und er beschreibt das mit den Worten des Philosophen Antonio Gramsci: " Wenn das Alte stirbt und das Neue nicht geboren werden kann."

Anfang dieser Woche ließ Jörg Jelden zahlreiche Interessierte im Rahmen seines Vortrags "Gemeinsam aufbrechen statt in Gemeinschaft erstarren" einen Blick auf seine Gedankenwelt werfen. GlobArt und Ecoplus, die Wirtschaftsagentur des Landes Niederösterreich, hatten den jungen Hamburger nach Wien geholt. Was aber bremst Innovation? "Gemeinschaft", sagt Jelden, "Homogenität". In einer Multioptionswelt fühle man sich zwangsläufig irgendwann einmal überfordert, was wiederum die Sehnsucht nach Gemeinschaft, Sicherheit, Orientierung und Identität stärke.

Die Abgrenzung von Andersgesinnten, das Ausblenden von Diversität bzw. die starke Betonung von Ähnlichkeiten seien aber wiederum Faktoren, die für Innovation schädlich sind. "Man stagniert durch Selbstreferenzialität", erklärt Jelden. So betrachtet kann die Schlussfolgerung nur lauten: Das, was uns als innovativ präsentiert wird, ist das immer Gleiche in leichter Variation und steter Kontinuität - also letztlich die Aufrechterhaltung eines Status quo. Gemeinsamer Aufbruch sei aber möglich, sagt Jelden. Eine echte Erneuerung wäre, wenn man dazu übergehen würde, statt auf Gemeinschaft als Struktur auf einen gemeinschaftlichen Prozess zu setzen. Ohne ein gemeinsames Verständnis von Gegenwart und Zukunft, ohne geteilte Werte und Visionen werde das aber nicht gehen. (haa, DER STANDARD, 29./30.6.2013)