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Ixodes ricinus: Eine schnelle Entfernung der Zecke kann vor einer Infektion mit Borreliose schützen.

Foto: APA/Patrick Pleul

Die Gefahr lauert in Wald und Wiesen: Lyme-Borreliose, eine überaus unangenehme Krankheit, die vor allem im Sommer und Herbst auftritt. Auslöser sind Bakterien der Gattung Borrelia. Diese seltsamen, spiralförmigen Einzeller können sich in unterschiedlichen Teilen des menschlichen Körpers ansiedeln und vermehren. Das Immunsystem tut sich schwer, sie in den Griff zu bekommen.

Zeckenlarven auf Mäusen und Vögeln

Die Keime werden in Mitteleuropa von Zecken der Art Ixodes ricinus, zu Deutsch Holzbock, übertragen. Nachdem sie aus dem Ei geschlüpft sind, durchlaufen sie drei Entwicklungsstufen. Das erste Stadium ist die Larve, die für ihre Ernährung hauptsächlich auf Mäuse, andere Kleinsäuger und Vögel angewiesen ist. "Die sind das Reservoir der Borrelien", erklärt der Medizinische Mikrobiologe Gerold Stanek von der Med-Uni Wien. Die Zeckenlarven saugen bei den kleinen Vierbeinern zum ersten Mal Blut und stecken sich dabei oft mit Borrelien an. Anschließend tragen sie die Bakterien ihr Leben lang in sich und infizieren jeden weiteren Wirt, an dem sie sich laben.

Das zweite Zecken-Entwicklungsstadium ist die Nymphe. Auch sie kann die menschliche Haut durchbohren. Larven gelingt dies höchstens an dünnhäutigen Stellen. Rund drei Viertel der Zeckenstiche bei Menschen erfolgen durch Nymphen, meint Stanek. Häufig bemerkt man sie nicht. Die Miniparasiten lassen sich zwei bis drei Tage lang volllaufen und machen sich dann wieder davon. Wer nichts ahnt und nicht genau hinschaut, übersieht sie.

Eine Übertragung der Borrelien findet meist erst mehrere Stunden nach dem Einstich statt. Eine frühzeitige Entfernung der Zecke kann somit das Risiko einer Ansteckung verringern. Ausgewachsene Ixodes im dritten Stadium sind einige Millimeter lang und leicht zu erkennen. Ihre Hauptnahrungsquelle sind Rehe und Hirsche. Die jedoch können eingedrungene Borrelien über ihr Immunsystem vernichten.

300 Fälle pro 100.000 Einwohner

Die Häufigkeit von Borreliose wird zurzeit auf jährlich bis zu 300 Fälle pro 100.000 Einwohner geschätzt. Im Durchschnitt sind hierzulande ungefähr 22 Prozent der Zecken Keimträger. "Es wird zu einer Steigerung der Infektionsraten kommen", sagt Herwig Kollaritsch, Tropenmediziner und Infektiologe an der Med-Uni Wien. Der Grund dürfte sein, dass sich die Blutsauger neue Lebensräume erschließen.

Die gefürchtete, ebenfalls durch Zecken übertragene Hirnhautentzündung FSME dient ihm hier zum Vergleich. Früher ging man davon aus, dass nur bis in Höhen von 800 Metern über dem Meeresspiegel FSME-Infektionsgefahr herrsche. Inzwischen wurden laut Kollaritsch auch schon Ansteckungen bis in 1600 Metern Höhe nachgewiesen. Offenbar zieht es die Zecken bis an die Baumgrenze. Womöglich wird dieses Vorrücken durch Klimaveränderungen verursacht, bewiesen ist dies nicht.

In der schönen Natur Auch das Verhalten der Menschen dürfte steigende Borreliose-Infektionszahlen begünstigen, betont Kollaritsch. Die Zahl der Menschen, die sich in der Natur bewegen, steige, Mountainbiking, Canyoning und Ähnliches lägen im Trend, und Wandern ist Volkssport. Auch die zunehmend fitten Senioren sind beteiligt. "Dadurch steigt die Anzahl derer, die sich exponieren."

Symptomvielfalt

Ein wesentliches Problem, das mit der Krankheit einhergeht, ist ihre Symptomvielfalt. Als klassisches Anzeichen einer Borreliose gilt das sogenannte Erythema migrans, ein roter, klar begrenzter, größer werdender Fleck auf der Haut, der einige Tage oder Wochen nach der Infektion sichtbar wird. Allerdings nicht immer.

Bei manchem Borreliose-Patienten kommt es ohne sichtbare Hautinfektionen einige Wochen nach dem Zeckenstich zur Infektion des Nervensystems (Lyme-Neuroborreliose), der Gelenke (Lyme-Arthritis), des Herzens, der Augen oder anderer Organe. Diffuse Symptome wie dauernde Müdigkeit und Kopfschmerzen können bei einem Teil der Patienten ein Erythema begleiten oder einige Wochen nach erfolgreicher Behandlung bestehen bleiben. Sie alleine sind kein Zeichen einer aktiven Borreliose. Fehldiagnosen sind bei Borreliose nicht selten.

Diagnose und Therapie In den meisten Fällen lässt sich Borrelienbefall über den Nachweis spezifischer Antikörper im Blut des Infizierten aufzeigen. Für die Diagnose der Lyme-Neuroborreliose, einer sehr schmerzhaften Nervenwurzelentzündung meist mit Gesichtslähmung oder Lähmung anderer Nerven, ist es notwendig, auch "in den Liquor hineinschauen", betont Stanek.

Therapiedauer bis zu drei Wochen

Die vielfältigen Manifestationen gehen wahrscheinlich von unterschiedlichen Genospezies der Lyme-Borrelien aus, meint der Mikrobiologe. Die Behandlung von betroffenen Patienten erfolgt in erster Linie mit Antibiotika. Penizilline und Tetrazykline sind die Mittel der Wahl. Ihre Wirkung gegen die Erreger ist sehr gut, die Therapiedauer beträgt bis zu drei Wochen. Längere Kuren sind nach heutiger Expertenmeinung nicht nötig.

Das Vorbeugen von Borreliose-Erkrankungen kann bislang nur über die Vermeidung von Zeckenstichen erfolgen. Wissenschafter arbeiten allerdings schon seit Jahren an der Entwicklung eines Impfstoffs gegen Borrelien. Ein vielversprechendes Präparat wurde vor kurzem erfolgreich auf Sicherheit und Verträglichkeit getestet (vgl. "Lancet Infectious Diseases", Online-Vorabveröffentlichung).

Auch Herwig Kollaritsch ist an diesem Projekt beteiligt. "In vitro funktionieren diese Antikörper, sie töten Bakterien", erklärt der Infektiologe. Ob die Herstellerfirma Baxter die Entwicklung jedoch weiterführen wird, ist noch unklar. Die Kosten sind sehr hoch. "Die entscheidende Frage ist, wie der Markt einen solchen Impfstoff annehmen würde", sagt Kollaritsch. Ein ähnliches Vakzin gegen die nordamerikanischen Borreliose-Erreger war in den USA marketingtechnisch ein Flop. Für die Geschäftsführung eines pharmazeutischen Unternehmens also eher eine Schreckensvision. (Kurt de Swaaf, DER STANDARD, 1.7.2013)