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Der Gesetzgeber hat eine so genannte Pauschalierung für "Altvermögen" vorgesehen.

Foto: AP/Schrader

Karlberger und Schurich haben im Standard vom 26.6.2013 (S. 29) die Ansicht vertreten, dem Gesetzgeber wäre eine Panne bei der Immobiliensteuer passiert: Statt zum Steuersatz von 25 Prozent könnten Grundstücke generell zu einem günstigeren Steuersatz von entweder 15 Prozent (bei umgewidmeten Grundstücken) oder 3,5 Prozent (bei allen anderen Grundstücken) verkauft werden, sofern der Gesetzgeber nicht handelt und diese Panne repariert. Verfrühte Hoffnungen sollte man sich als Verkäufer dennoch nicht machen: Erstens hat bisher noch niemand diese Ansicht vertreten, und zweitens hat das Finanzministerium in einer aktuellen Information klargestellt, dass sie nicht zutreffend ist (BMF vom 28.6.2013, BMF-010203/0328-VI/6/2013).

Worum geht es genau? Der Gesetzgeber hat in § 30 Abs 4 EStG eine so genannte Pauschalierung für "Altvermögen" vorgesehen: Grundstücke, die am 31.3.2012 "nicht steuerverfangen waren", können zu den erwähnten günstigen Steuersätzen verkauft werden: 15 Prozent oder – praktisch in den meisten Fällen – 3,5 Prozent. Gesetzestechnisch handelt es sich um eine Pauschalierung der historischen Anschaffungskosten (= des Kaufpreises, zu dem der jetzige Verkäufer das Grundstück seinerzeit gekauft hat): Statt der tatsächlichen historischen Anschaffungskosten kommen pauschale Anschaffungskosten zur Anwendung, aus denen sich rechnerisch die erwähnten Steuersätze von 15 Prozent oder 3,5 Prozent ergeben. "Nicht steuerverfangen" im Sinne des § 30 Abs 4 EStG waren Grundstücke u.a. dann, wenn beim Verkäufer (sofern es sich um eine natürliche Person handelt) die frühere, bis zum 31.3.2012 geltende, 10-jährige Spekulationsfrist abgelaufen war und der Verkäufer daher bis zu diesem Zeitpunkt steuerfrei verkaufen hätte können. Alle anderen Grundstücke, bei denen die Spekulationsfrist am 31.3.2102 noch nicht abgelaufen war, oder die überhaupt erst nach dem 31.3.2012 gekauft wurden, gelten demgegenüber als "Neuvermögen" und fallen nach herrschender Ansicht nicht unter die Pauschalierung (und damit nicht unter die begünstigten Steuersätze).

Was sind die Gründe für diese Pauschalierung – was ist also der Gesetzeszweck? Erstens eine Verwaltungsvereinfachung, da der damalige Kaufpreis, den der jetzige Verkäufer seinerzeit gezahlt hat, nicht immer leicht ermittelbar ist (z.B. bei Liegenschaften, die seit Generationen in Familienbesitz sind und vererbt wurden, da es hier auf den ersten Käufer in der Kette ankommt). Außerdem hat die Pauschalierung einen verfassungsrechtlichen Hintergrund: War bei einem potenziellen Verkäufer die 10-jährige Spekulationsfrist am 31.3.2012 (oder vorher) bereits abgelaufen, wollte er aber das Grundstück nicht verkaufen (oder fand er keinen Käufer), war er durch die ab 1.4.2012 gültige, neue Rechtslage (Steuerpflicht mit 25 Prozent) deutlich schlechter gestellt. Die günstigen Steuersätze von 3,5 Prozent oder 15 Prozent sollten diesen Effekt abmildern.

Karlberger/Schurich meinen nun, dass die Pauschalierung, also die günstigen Steuersätze, nicht nur für "Altvermögen" zu Anwendung kommen, bei dem die 10-jährige Spekulationsfrist am 31.3.2012 bereits abgelaufen war, sondern auch für "Neuvermögen", also auch für Grundstücke, die überhaupt erst nach dem 31.3.2012 gekauft wurden. Ihr zentrales Argument ist der Gesetzeswortlaut (der "äußerst mögliche Wortsinn"), da auch die erst nach dem 31.3.2012 gekauften Grundstücke an diesem Tag "nicht steuerverfangen waren". Meiner Einschätzung nach spricht aber bereits der Wortlaut gegen diese Ansicht: Erst künftig zu kaufende Grundstücke gehörten am 31.3.2012 nämlich noch gar nicht zum Vermögen des Verkäufers, sodass sie an diesem Tag auch nicht steuerverfangen "waren" – sie waren ja noch gar nicht vorhanden. Dass künftige Grundstücke nicht begünstigt sein sollen, geht übrigens auch klar aus den Gesetzesmaterialien hervor, und es entspricht auch eindeutig dem oben erwähnten Gesetzeszweck (das räumen auch Karlberger/Schurich ein). Daher musste der Gesetzgeber klarerweise den Kauf künftiger Grundstücke im Wortlaut des Gesetzes auch nicht ausdrücklich erwähnen.

Die Auffassung von Karlberger/Schurich ist nach meiner Einschätzung außerdem aus methodischer Sicht problematisch: Nicht nur im Zivilrecht, sondern auch im öffentlichen Recht – zu dem das Steuerrecht gehört – entspricht es dem herrschenden Standard der juristischen Auslegung, dass neben dem Gesetzeswortlaut auch die systematisch-logische Auslegung, der historische Wille des Gesetzgebers (wie er insbesondere aus den Gesetzesmaterialien hervorgeht) und schließlich eben auch der Gesetzeszweck zur Interpretation eines Gesetzes herangezogen werden müssen. Das bedeutet, dass selbst dann, wenn der Wortlaut in der von Karlberger/Schurich gewünschten Weise zu lesen wäre (einer Einschätzung nach ist er aber nicht so zu lesen), immer noch die Gesetzesmaterialien und der Gesetzeszweck eindeutig gegen die Auffassung von Karlberger/Schurich sprechen.

Fazit: Meiner Einschätzung nach ist dem Gesetzgeber daher keine Panne bei der Immo-Steuer passiert. Der Gesetzeswortlaut "nicht steuerverfangen waren" deckt in genau richtiger Weise jene Fälle ab, die der Gesetzgeber historisch gesehen gemeint hat, und die auch dem Gesetzeszweck entsprechen. (Christoph Urtz, derStandard.at, 1.7.2013)