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Paramilitärische Truppen signalisieren in Urumqi, dass Peking nichts hält von einer Unabhängigkeit Xinjiangs.

Foto: REUTERS/Stringer

Pekings Führung reagiert auf die jüngsten gewalttätigen Unruhen in der nordwestchinesischen Provinz Xinjiang mit dem Aufmarsch paramilitärischer Polizeitruppen. Sie sollen die Provinzhauptstadt Urumqi hermetisch abriegeln.

Pekings oberster Sicherheitsfunktionär und Mitglied des Politbüros, Meng Jianzhu, ordnete Patrouillen und Straßensperren an, um "die Sicherheit der lokalen Bevölkerung zu garantieren". Die Milizen forderte er auf, "mit aller Härte" und mit "vorbeugenden und präventiven Maßnahmen gewalttätige, terroristische Verbrechen niederzuschlagen", so die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua. Sie bestätigte, dass es am Freitag auch in der Präfektur Hotan zu Übergriffen und Protesten kam - dem dritten größeren Zwischenfall innerhalb von neun Wochen, seit es am 23. April in Kashgar zu blutigen Unruhen mit 21 Toten gekommen war.

Am vergangenen Mittwoch waren 35 Menschen nach Attacken uigurischer Angreifer auf eine Polizeistation und eine Baustelle gestorben. Funktionär Meng sprach von einer "Welle terroristischer Angriffe" in der vorwiegend von Muslimen besiedelten Provinz. Chinas Staatsfernsehen und offizielle Webseiten zeigten am Sonntag martialische Bilder von einer Polizeiparade durch die Straßen von Urumqi. Einem AFP-Reporter in der Provinz war die Offensive zuvor noch als "Bereitschaftsübung" erklärt worden.

Die Behörden verordneten eine Nachrichtensperre und erlaubten den staatlich gelenkten Zeitungen, nur gleichlautende Texte zu veröffentlichen: "Um 15.30 Uhr kam es am Freitag in einer Vorstadt von Hotan zum Massenaufruhr. Die Polizei nahm nach dem Gesetz eine Reihe der Unruhestifter fest und sorgte so für Ruhe und Ordnung. Es gab keine Verletzten."

Augenzeugen, die der US-Sender Radio Free Asia zitierte, berichteten dagegen von Zusammenstößen und Toten. Der Konflikt hätte sich entzündet, als die Polizei gegen eine religiöse Demonstration vorgehen wollte.

Die Lage in der wegen ethnischer Unruhen immer wieder für Schlagzeilen sorgenden Provinz schien Peking dann am Freitag so dramatisch, dass Staats- und Parteichef Xi Jinping das Politbüro zur Krisensitzung einberief. Es war das erste Mal, dass sich das Politbüro nach lokalen Zwischenfällen sofort mit Xinjiang befasste.

Kalkül mit Wirtschaftshilfe

Chinas Führung hat Angst, dass ihr Rezept nicht aufgeht, den abgelegenen Nordwesten zu befrieden, indem sie ihn zum neuen Investitions- und Entwicklungsschwerpunkt für Auslandskapital macht. So lässt etwa Volkswagen in Xinjiang ein Autowerk bauen.

Peking macht für die Gewalt vom Ausland aus operierende uigurische Kräfte verantwortlich, die Xinjiang unabhängig machen wollen und sich mit "Kräften des Terrorismus, des religiösen Extremismus und Separatismus" verbinden. Uigurische Exilorganisationen nennen dagegen hausgemachte Ursachen als Gründe. Sie werfen Peking - so wie bei Tibet - eine verfehlte Minderheitenpolitik vor: Verfolgung und Unterdrückung der turksprachigen Uiguren und wirtschaftliche Benachteiligung.

Offizielle Medien dürfen seit Freitag keine neuen Zahlen oder detaillierte Angaben über Opfer und Übergriffe mehr melden.

Leitartikler der patriotischen Global Times zeigten sich indes sicher, dass es dem "islamistischen Terror" nicht gelingen würde, Xinjiang ins Chaos zu stürzen oder gar von China abzuspalten: "Solange nicht China als gesamte Nation im Chaos versinkt", sei das von außen unmöglich. "China hat seine strategische Macht gestärkt. Sein heutiges geopolitisches Netzwerk um Xinjiang ist fast unzerstörbar geworden." (Johnny Erling, DER STANDARD, 2.7.2013)