Nvidia Shield: Gute, aber klobige Handheldkonsole, der es noch an Spielen mangelt.

Foto: Nvidia

Nach einer in letzter Sekunde bekannt gegebenen Verschiebung ist Nvidias Handheld-Konsole seit heute offiziell erhältlich. Das Gerät kombiniert für 300 Dollar mobiles Gaming auf Basis von Android mit Spielestreaming über den eigenen PC. Erste Medien konnten das eigenwillige Experiment nun schon genauer unter die Lupe nehmen.

Groß und schwer

Der Terminus "mobil" ist bei der Shield mit Vorsicht zu genießen. Einerseits ist das Gerät mit ausklappbarem Fünf-Zoll-Touchscreen-Display nicht unbedingt das kleinste seiner Art und andererseits mit rund 570 Gramm auch kein Leichtgewicht – insbesondere nicht im Vergleich mit PS Vita und Co. Cnet bezeichnet Nvidias erstes Produkt, das sich direkt an die Konsumenten richtet, als "Fünf-Zoll-Tablet, angeheftet an ein Xbox-artiges Gamepad."

Dafür packt Nvidia unter die schwarze Kunststofffront einen Chip aus hauseigener Produktion, den Tegra 4. Dessen Quadcore-Prozessor mit 1,9 GHz-Taktungsoll im Verbund mit zwei GB Arbeitsspeicher und einer 72-kernigen GPU für die flüssige Wiedergabe von Android-Games auf 1.280 x 720 Pixel sorgen.

Auch GPS und WiFi sind an Bord, allerdings kein 3G-Modul. Android 4.2.1 bildet die Software-Basis – Unterstützung für mehrere User inklusive. Via HDMI können Inhalte auch per Kabel an Fernseher und Bildschirme ausgegeben werden.

Wenig Tablet-Flair

Hinsichtlich des Controllers, der das Format eines Xbox-Eingabegerätes auch Merkmale seines Playstation-Pendants bietet, gehen die Meinungen auseinander. Während man bei Cnet von einem "echter Konsolenqualität" und guter Handhabbarkeit spricht, werden bei Engadget und The Verge verschiedene Dinge bemängelt.

So soll es die schiere Größe mitunter schwer machen, das ganze System komfortabel in der Hand zu halten. Dazu liefern die Schultertasten zu wenig Feedback und Analogsticks etwas zu viel Widerstand.

Da der Formfaktor des Gerätes die Touchbedienung des Monitors – insbesondere die Texteingabe - erschwert, ist der Controller auch der bevorzugte Weg, um durch das (optisch unveränderte) Android-System zu navigieren. Für mehr Platz am Bildschirm hat Nvidia einen Fullscreen-Mode implementiert, in welchem die Benachrichtigungsleiste ausgeblendet wird. Trotz allem ist Shield für Internetsurfen oder Messaging nur eingeschränkt zu empfehlen.

Gelungene Hardware

Unisono wird dagegen das Display gelobt. Farbdarstellung, Kontraste und Blickwinkel überzeugen. Der auf 180 Grad ausklappbare Bildschirm mit seinen überdimensionalen Kanten bleibt zuverlässig an seinem Platz. Auch der Sound der Shield macht eine gute Figur. Die kleinen Bassreflex-Lautsprecher sind erstaunlich laut und liefern guten Klang ,wie die Tester befinden.

Performancetechnisch gibt es an Shield nichts auszusetzen. Der Tegra 4-Chip liefert genug Leistung für Multitasking und auch aufwändige Android-Games, der Akku hält bei durchschnittlicher Spielenutzung rund vier Stunden lang durch. Unter Last aktiviert die Shield ihren integrierten Lüfter, der aber angenehm leise bleibt. Aus genannten Gründen sind Spiele, die keine Gamepadunterstützung mitbringen und somit nur per Touch zu steuern sind, oft nicht besonders komfortabel zu spielen.

Games, die die Controller-Hardware erkennen, bieten hingegen ein angenehmes Erlebnis auf der Shield. Das Angebot an wirklich guten Titeln in Googles Play Store ist allerdings noch rar, die Auswahl für die gute Hardwareplattform dementsprechend eingeschränkt. Einige wenige Titel unterstützen bereits die neuen Features der Tegra 4-Plattform und liefern ein für Mobilgeräte beeindruckendes Grafikspektakel. In allen einschlägigen Benchmarks lässt Shield Geräte wie das neue Nexus 7 oder Sony Xperia Tablet Z alt aussehen.

Hohe Voraussetzungen für Streaming-Feature

Hier soll PC-Streaming aushelfen, ein Feature, das derzeit noch in der Beta-Phase steckt. Via WLAN soll das Spielgeschehen vom Desktoprechner auf die Shield übertragen werden. Voraussetzung dafür ist allerdings zumindest eine Grafikkarte des Typs Geforce GTX 650 oder ein neueres Gerät. Frühere Generationen – selbst enorm leistungsfähige Karten wie etwa die GTX 570 oder 580 bleiben außen vor.

In der Praxis setzt das Streaming-Feature derzeit recht leistungsfähige WLAN-Hardware voraus. Der Betrieb soll zwar über ein 2,4 Ghz-Netz möglich sein, Nvidias Empfehlung, das 5 GHz-Band zu verwenden stellt sich aber quasi als fixe Bedingung heraus, will man auch wenige Meter vom Router entfernt noch ein flüssiges Spielerlebnis genießen.

Je nach Spiel erweist sich die Drahtlosübertragung ansonsten als mehr oder weniger sinnvoll. Während einige Games auch auf einem kleineren Display mühelos gespielt werden können, sind fünf Zoll für andere wiederum zu wenig.

Fazit

Was bleibt ist eine etwas schwergewichtige Handheld-Konsole in nerdigem Design mit gutem Bildschirm und absolut flotter Hardware. Theoretisch lässt sie alle möglichen Verwendungszwecke zu, praktisch erweist sie sich aufgrund ihres Formfaktors als halbportable Lösung für Musik- und Filmgenuss.

Ihre Kernkompetenz, Spiele, erfüllt sie bravourös, sofern die entsprechenden Games gute Unterstützung für Controllersteuerung mitbringen. Rein touchbasierte Spiele sind mitunter schwer zu steuern.

Das Angebot an tauglichen Android-Games ist von wenigen Perlen und noch in Entwicklung befindlichen Vorzeigeprojekte aber noch eher dünn. Ähnlich wie die Ouya ist Shield derzeit noch in Lauerstellung. Ihre Portabilität sowie die frische Hardware, sowie die Tatsache, dass sich das Gerät nicht vom Play Store aussperrt, versprechen für die Zukunft allerdings deutlich mehr Potenzial.

Wie der GameStandard erfuhr, gibt es für Shield derzeit noch kein Erscheinungsdatum für Europa. (Georg Pichler, derStandard.at, 31.07.2013)