Bild nicht mehr verfügbar.

Freundlichkeit, Ruhe und Klarheit sind die Grundprinzipien, die im buddhistischen Gomde-Zentrum im oberösterreichischen Scharnstein gelehrt werden.

Foto: EPA/SANJEEV GUPTA

Scharnstein - Der alte Vierkanthof "Gut zu Rath" steht tief in den Almhängen Oberösterreichs und gehört doch zu einer ganz anderen Welt. Zwischen den Bäumen um das Gehöft wehen bunte Baumwollfähnchen im Wind, den Schotterweg ziert ein großes Blumenmandala. Seine Bewohner tragen lange bequeme Gewänder, machen Dehnübungen beim Gehen und wirken so friedlich wie die Natur um sie herum. Den alten Hof nennen sie "Gomde-Zentrum für buddhistische Praxis und Studium".

Mehrtägige Buddhismus-Seminare

Mehrmals im Jahr kommen praktizierende Buddhisten vor allem aus Österreich und Deutschland hierher nach Scharnstein bei Gmunden, um Klarheit zu erlangen und eine Anleitung für ihren Alltag. Der IT-Techniker Vincent Stüger ist einer von ihnen. Obwohl er katholisch erzogen worden war, habe er sich beim Buddhismus stets mehr zu Hause gefühlt, sagt er. Vielen in Europa gehe es ähnlich: "Wir haben im Westen einen eher intellektuellen Zugang zu Religion, und der Buddhismus ist als Lebensphilosophie erst mal sehr logisch. Wer Liebe gibt, der bekommt Liebe. Das leuchtet jedem ein, auch ohne an irgendetwas zu glauben."

Dreimal hat Vincent schon an einem der mehrtägigen Buddhismus-Seminare des Gomde-Zentrums teilgenommen. Das Essen ist vegetarisch, geschlafen wird in Zelten vor dem Hof oder in einer nahegelegenen Pension in der Stadt. Dieses Mal bleibt Vincent eine ganze Woche, denn Chökyi Nyima Rinpoche, der spirituelle Leiter des Zentrums ist extra aus Kathmandu angereist, um einige Seminare zu halten.

Gallionsfigut des österreichischen Buddhismus

Der 62-jährige Mönch ist so etwas wie die Galionsfigur des österreichischen Buddhismus. Neben mehreren Klöstern in Tibet und Kathmandu leitet er auch das Gomde-Zentrum, das er 2004 übernommen hat. Wenn es nach ihm geht, könnte daraus bald die erste buddhistische Privatuniversität nach tibetanischem Vorbild entstehen.

Rinpoche sitzt in einem Zimmer des Hofes auf einem goldfarbenen Kanapee mit roten Samtpolstern. Wer mit ihm persönlich sprechen will, braucht erst eine Anmeldung und muss bestimmte Regeln beachten. "Wenn sich Rinpoche verbeugt, bitte verbeugen. Wenn er sich hinsetzt, bitte hinsetzen. Und bitte nicht höher sitzen als er", brieft eine enge Vertraute vorab.

Der Mönch spricht von seinen drei Grundprinzipien: Freundlichkeit, Ruhe und Klarheit. Zusammen würden sie zu Vertrauen und einem glücklichen Leben führen. Dieses Vertrauen äußert der Mönch dann auch in Bezug auf die chinesische Politik in Tibet: "Eines Tages werden die Chinesen uns gegenüber offener sein", sagt Rinpoche, "weil sie auch glauben. Wenn nicht an Gott, dann an Dämonen, Geister oder Glück. Der Glaube ist, was uns verbindet."

Fast keiner kann die Sprache

Für die Schüler steht noch das Punja-Fest auf dem Programm. Die Gruppe sitzt auf Sitzkissen im großen Meditationsraum. Am Ende des Saals thront eine goldene Buddhastatue. Daneben, etwas niedriger aber immer noch über den anderen, ist Rinpoches Sitz. Fünf Stunden werden Verse auf Tibetisch rezitiert. Kaum einer versteht die Sprache. "Aber das macht nichts", sagt Vincent: "Es geht ums Gefühl. Am Ende ist es wie im Christentum. Wenn du es ernst meinst, musst du glauben." (Michel Mehle, DER STANDARD, 1.8.2013)