Wer hat eigentlich mehr Macht in dieser Republik? Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger? Oder das vergleichsweise dynamischere Duo Karl Blecha und Andreas Khol? Vor ein paar Jahren noch hätte man diese Fragen theoretisch zwar stellen, praktisch aber einigermaßen sicher zugunsten der Bundesregierung beantworten können. Heute allerdings haben die so kongenialen wie gutgelaunten Seniorenlobbyisten eine Art Nebenregime in Österreich aufgebaut, das den gewählten Amtsträgern an Ballhaus- und Minoritenplatz mitunter deutlich aufzeigt, wo ihre Grenzen liegen: Wer brav apportiert, wird getätschelt. Wer das Falsche denkt, getachtelt.

Die von der ÖVP mit der Erhöhung des Frauenpensionsalters vom Zaun gebrochene Pensionsdebatte ist, auch wenn es in der Qualität der Diskussion nicht so erscheint, das erste wirklich substanzielle Thema in dieser Wahlauseinandersetzung. Und zwar nicht nur weil die ÖVP dabei wieder einmal hat lernen müssen, dass etwas Professionalität im Wahlkampf nicht schaden könnte. Die Debatte illustriert vielmehr auch, wie weit fortgeschritten Österreich bereits auf dem Weg zur fidelen Gerontokratie ist.

Derzeit leben in Österreich gut zwei Millionen Menschen über 60 Jahre, sie stellen rund ein Drittel der Wahlberechtigten. 2020 wird es mehr 60-Jährige geben als 30-Jährige. 2050 wird die Zahl der Senioren auf 3,25 Millionen gestiegen sein. Die politischen Folgen dieser Vergreisung sind evident. Die Faustregel für die Parteien lautet zunehmend: Alles für und nichts gegen die Grauen Panter unternehmen. Sie gehen wählen, sie sind eine Bank.

"Wir kämpfen für sichere Pensionen", das lässt die SPÖ derzeit großflächig plakatieren. Genauso gut könnte es auch heißen: Wir kämpfen für sichere Pensionisten. Denn die Sozialdemokraten sind inzwischen zu der Klientelpartei der Alten geworden. 2008 hat ihnen ein überproportionaler Erfolg bei den über 60-Jährigen (37 Prozent) den Vorsprung vor dem heutigen Koalitionspartner gesichert, der seinerseits bei den Alten vergleichsweise schlecht abschnitt. Das Endergebnis lautete 29 zu 26 Prozent Zustimmung. Heuer wird dieser Faktor noch schwerer wiegen.

Die Jungen dagegen werden wahlarithmetisch bedeutungsloser - und schauen zunehmend durch die Finger. Ob sie jemals selbst eine Pension bekommen werden, muss gar nicht als (hypothetisches) Argument dafür herangezogen werden. Es reichen schon die aktuellen Fakten: Neos-Chef Matthias Strolz hat unlängst im Standard etwa ausgerechnet, dass derzeit mehr als doppelt so viel Geld aus dem Budget als Zuschuss ins Pensionssystem fließt, wie die Universitäten erhalten.

Laut einer Generationengerechtigkeitsstudie der OECD ist Österreich eines der generationenungerechtesten der untersuchten Länder - Platz 20 von 29. Senioren erhalten deutlich mehr sozialstaatliche Ausgaben als die Jungen. Das faktische Pensionsantrittsalter liegt weiter deutlich unter 60 Jahren (der OECD-Schnitt ist rund 64 Jahre). Der Riesentanker Generationenvertrag, in Österreich hat er eine deutliche Schlagseite.

Werden ihn die Parteien wieder aufrichten? Angesichts der aktuellen Debatte ist eher nicht davon auszugehen. Werden es Herr Khol und Herr Blecha tun? Detto. Fröhliche Zukunftsvergessenheit ist Programm - für Regierung und Nebenregierung. (Christoph Prantner, DER STANDARD, 2.8.2013)