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Claudia Schmied wiederholt mantraartig, dass der Staat ein verlässlicher Partner sei.

Foto: apa/schlager

Wien - Mitte August machte Elisabeth Kulman auf zum Teil katastrophale Arbeitsbedingungen im Kulturbereich aufmerksam - medienwirksam just während der Salzburger Festspiele. Begonnen hatte die "Revolution der Künstler" aber schon ein halbes Jahr zuvor: Am 19. Februar 2013 richtete der Musicalproduzent Johannes Maria Schatz die Facebook-Seite "Die traurigsten & unverschämtesten Künstlergagen und Auditionserlebnisse" ein, auf der alsbald tausende Künstler aller Sparten ihre Erlebnisse schilderten. Kulman wagte es, auf der Homepage auch Missstände in der "Oberliga" des Kulturbetriebs anzuprangern.

In der Folge wurden "Goldene Regeln künstlerischen Schaffens" formuliert und das Gütesiegel "art but fair" entworfen, mit dem jene Kulturbetriebe ausgezeichnet werden sollen, die einen respektvollen Umgang gewährleisten. Denn, wie Kulman und Mitstreiter feststellten: "Für einen Großteil der Betroffenen ist ein finanzielles Auskommen allein aus künstlerischer Tätigkeit trotz jahrelanger Ausbildung und hoher Qualifikation nahezu unmöglich."

Armutsgefährdung

Dieser Befund ist natürlich nicht neu. Die vom Kunstministerium in Auftrag gegebene Studie "Zur sozialen Lage der Künstler und Künstlerinnen in Österreich" hatte 2009 ein düsteres Bild gezeichnet: Das mittlere Äquivalenzeinkommen (Pro-Kopf-Einkommen) betrug 1000 Euro pro Monat. Es lag damit deutlich unter jenem der Gesamtbevölkerung (1488 Euro) und nur knapp über der Armutsgefährdungsgrenze (893 Euro). Mehr als ein Drittel (37 Prozent) der Kunstschaffenden verfügte über ein Einkommen unter dieser Grenze. Die Armutsgefährdungsquote der Kunstschaffenden war damit dreimal so hoch wie in der Gesamtbevölkerung und fünfmal so hoch wie jene der Erwerbstätigen insgesamt.

Seit der Veröffentlichung hat sich kaum etwas getan. Laut IG Kultur gibt es lediglich ein Künstlersozialversicherungsstrukturgesetz, das nicht geeignet sei, die soziale Lage spürbar zu verbessern, und ein Theaterarbeitsgesetz, das manche massiv benachteilige. Das Kunstministerium bemühe sich zwar, in Härtefällen Unterstützung zu leisten, beteuert Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ), sie muss aber eingestehen: "Leider befinden sich nach wie vor viele Künstler/-innen in einer schwierigen sozialen Lage."

Verantwortlich für diese "schwierige soziale Lage" sind interessanterweise die Sozialdemokraten: Sie bestimmen schon seit 1970, unterbrochen nur von der Ära Wolfgang Schüssel (2000-2006), die Kunstpolitik des Bundes. Trotz wiederholter Forderungen nach einer Umverteilung saugt nach wie vor die "Hochkultur" den Großteil der Mittel auf.

Fix verplant

2012 betrug das Budget des Kunst- und Kulturministeriums 443,26 Millionen Euro. Davon wurden 149,77 Millionen für die Bundesmuseen samt Nationalbibliothek aufgewendet, 160,51 Millionen für die Bundestheater. Und 32,08 Millionen erhielt der Denkmalschutz. Für die eigentliche Kunstförderung stand nur ein Fünftel des Budgets zur Verfügung: 91,78 Millionen Euro. Von diesem Betrag ist der Großteil fix verplant: 16,57 Millionen Euro gingen an das Österreichische Filminstitut, 8,21 Millionen an das Theater in der Josefstadt, 7,72 Millionen an die Salzburger Festspiele, 4,94 Millionen an das Volkstheater und 2,28 Millionen an die Bregenzer Festspiele. Die zehn am stärksten geförderten Institutionen erhielten 45,7 Millionen - und damit die Hälfte des Förderbudgets. Die Kulturausgaben des Bundes fließen, wie das Institut für Kulturmanagement und Kulturwissenschaft feststellt, "in die Erhaltung von Strukturen und Großinstitutionen" und "nur zu einem kleinen Teil in Einzelprojekte und in die freie Kulturszene".

Dieser Befund gilt ganz besonders für die vergangenen fünf Jahre. Wirklich stolz ist Schmied auf die realisierten "Infrastrukturprojekte": Für die Wiedereröffnung der Kunstkammer im Kunsthistorischen Museum wurden vom Kulturministerium 15 Millionen Euro bereitgestellt, für die Renovierung und Erweiterung des 21er-Hauses (als Dependance des Belvedere) 16,6 Millionen, für Gebäudesanierungen im Salzburger Festspielbezirk 15,3 Millionen, für den Neubau des Festspielhauses Erl acht Millionen, für die "Generalsanierung" des Mumok nach nur zehn Jahren Betrieb 2,7 Millionen.

Positiv hervorzuheben ist, dass die Artothek des Bundes, also die Sammlung der Ankäufe, ins neue 21er-Haus übersiedelte: Schmied machte eine höchst fragwürdige Entscheidung von Kunststaatssekretär Franz Morak (ÖVP) rückgängig, der die Verwaltung einem privaten Verein ohne Erfahrung übertragen hatte. Auch die meisten Personalentscheidungen kann man als geglückt bezeichnen: Sabine Haag, Generaldirektorin des KHM, und Staatsoperndirektor Dominique Meyer bewiesen, dass ihnen die Schuhe ihrer Vorgänger nicht zu groß sind. Barbara Neubauer, die Präsidentin des Bundesdenkmalamts, agiert mit Herz. Und Christoph Thun-Hohenstein brachte als Nachfolger von Peter Noever das Mak zumindest in ruhigere Gewässer. Kritisch anzumerken ist aber, dass Schmied mehrere Direktoren ohne vorherige Ausschreibung wiederbestellte. Das Stellenbesetzungsgesetz wurde, wie erst kürzlich der Rechnungshof anmerkte, schlichtweg missachtet.

Keine Ergebnisse

Tiefgreifende Reformen oder überraschend neue Ansätze gab es zudem nicht. Die interministeriellen Arbeitsgruppen unter Einbeziehung der Künstlervertretungen zu acht großen Themenkomplexen, unter anderem Arbeitslosenversicherung, Steuern, Förderungen und Urheberrecht, zeitigten so gut wie keine Ergebnisse. Gabi Gerbasits, Geschäftsführerin der IG Kultur, spricht von einer "Farce". Es gelang nicht einmal die Ausweitung der Leerkassettenvergütung zur Festplattenabgabe; die Formulierung eines neuen, zeitgemäßen Urheberrechts bleibt der nächsten Regierung vorbehalten.

Wiederholt wurde in den vergangenen Jahren vom "Stillstand in der Kulturpolitik" gesprochen: Schmied verweigerte den Diskurs, mantraartig wiederholte sie nur, dass "der Staat ein verlässlicher Partner der Kunstschaffenden und der Kulturinstitutionen" sei.

Saubere Toiletten

Immerzu betonte die Ministerin, dass "Kunst für uns alle" die "zentrale Prämisse" ihrer Kulturpolitik sei. Mehr Geld denn je wurde daher für Vermittlungsangebote ausgegeben. Seit 2010 können zum Beispiel alle Menschen unter 19 Jahren gratis die Bundesmuseen besuchen. Im Vergleich zu 2009 sei bei der Gruppe U19 eine Besuchersteigerung um 27 Prozent feststellbar gewesen. Ob das Interesse im gleichen Ausmaß gestiegen ist, darf bezweifelt werden: Angestellte von Museen neben einem Weihnachtsmarkt berichten, dass Kids ins Haus kämen, um sich aufzuwärmen - und um die sauberen Toiletten zu benutzen. (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 10.9.2013)