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Vorarlberg, Tirol und Salzburg planen Versuche zur Gesamtschule.

Foto: apa/Fohringer

Für Bildungsexperten sind die angedachten Modellregionen zur Gesamtschule nicht unbedingt sinnvoll. In Tirol und Salzburg haben die ÖVP-Landeshauptleute vorgeschlagen, einzelne Schulstandorte, in deren Umgebung es keine Gymnasien gibt, wissenschaftlich zu begleiten. Da dort die gleichen Bedingungen wie an einer Gesamtschule herrschen, ließe sich so herausfinden, ob diese Schulform funktioniere. Solche Schulversuche sind für einige Experten im Gespräch mit derStandard.at obsolet. Einerseits werde so nur der Status quo überprüft, ein einzelner Standort sei zudem für eine Modellregion viel zu klein.

"Ho-ruck-Aktion ist gefährlich"

Bildungspsychologin Christiane Spiel von der Universität vermisst vor allem ein Konzept zu den angedachten Modellregionen. Auch wenn dies - so wie vom Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) angedacht - ganze Bundesländer betrifft. Die Lehrpersonen von AHS und NMS müssten erst - und zwar gemeinsam - darauf vorbereitet werden, wie sie mit unterschiedlichen Leistungsniveaus von Schülern in einer Klasse umgehen. "Die Gesamtschule mit einer Ho-ruck-Aktion einzuführen ist gefährlich", sagt Spiel. Bei einer gemeinsamen Schule der Zehn- bis 14-Jährigen sei vor allem die Individualisierung zentral, und dafür brauche es Weiterbildungen für Lehrer und ein Implementierungskonzept.

Spiel hält nichts davon, nur einzelne Schulen zu überprüfen, die bereits alle Schüler eines Orts besuchen. So würde man nur beobachten, was es bereits gebe, und das ohne vergleichbare Rahmenbedingungen zu einer Gesamtschule zum Beispiel in einer Großstadt und ohne entsprechendes Lehrplankonzept.

Nicht repräsentativ

Auch die ehemalige Direktorin Heidi Schrodt von der Initiative "Bildung grenzenlos" hält eine Modellregion, die nur eine Schule betrifft, für viel zu klein. Bei Schulversuchen zur Gesamtschule müssten sich in einer Region mindestens ein oder zwei Gymnasien beteiligen, und auch die Privatschulen müssten mitmachen, sagt Schrodt. Sie warnt davor, die Ergebnisse aus den Modellregionen als repräsentativ zu verstehen. "Man kann daraus keine Rückschlüsse ziehen, wie die Gesamtschule in ganz Österreich funktionieren würde."

Die Verhältnisse in Zell am Ziller, wo der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter seinen Versuch starten will, seien ganz anders als in Wien-Fünfhaus. Trotz ihrer Kritik begrüßt Schrodt aber die Initiativen der ÖVP-Landeshauptleute in Vorarlberg, Tirol und Salzburg. "Es ist gut, dass Bewegung in die Sache kommt." 

ÖVP unter Druck

Ähnlich sieht das auch Bildungsexpertin Christa Koenne. Sie erklärt sich den Reformeifer in den Ländern vor allem mit dem Druck durch neue Parteien. "Die Neos sind in Vorarlberg sehr erfolgreich, und sie vertreten eine liberale Bildungspolitik." In Tirol sei Platter vor allem durch die Gesamtschule in Südtirol beeinflusst. "Das bringt die Bundespartei ins Strudeln", sagt Koenne. Sie sieht ÖVP-Parteichef Michael Spindelegger vor allem von der AHS-Gewerkschaft beeinflusst. "Ich rate Spindelegger, sich auch andere Berater als den AHS-Gewerkschafter Eckehardt Quin zu nehmen."

Generell ist Koenne nicht gegen die Versuche, die in Tirol, Salzburg und Vorarlberg geplant sind. "Man könnte sie sich aber sparen", meint die Wissenschafterin. Die Effekte der Gesamtschule seien bereits hinreichend untersucht. Sie spricht sich stattdessen dafür aus, gleich in die Umstellung auf eine gemeinsame Schule zu investieren und etwa Lehrer so auszubilden, dass sie mit Schülern auf unterschiedlichen Niveaus umgehen können. 

Schnider: "Föderalistischen Ansatz leben"

Einer, der in der ÖVP schon immer für die gemeinsame Schule lobbyiert hat, ist Andreas Schnider. Er war steirischer Landesgeschäftsführer, Bundesrat und hat die neue Lehrerausbildung im Unterrichtsministerium vorbereitet. Schnider unterstützt seine Kollegen in den Bundesländern. Die ÖVP lebe damit ihren föderalistischen Ansatz. "Wenn die Basis das will, dann soll sie die Versuche auch durchführen können." Auch Schnider rät allerdings dazu, mehrere Schulen in eine Modellregion miteinzubeziehen. "Selbstverständlich auch Gymnasien." (Lisa Aigner, derStandard.at, 10.1.2014)