Intelligente Spezies könnten im Universum selten sein, meint Astronom und Planetenjäger Geoffrey Marcy von der University of California in Berkeley.

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STANDARD: Sie sind ein Pionier der Suche nach Exoplaneten. Was hat Sie eigentlich motiviert, damit zu beginnen?

Marcy: Als ich mein Doktorat machte, fühlte ich mich nicht gut, weil ich dachte, kein guter Wissenschafter zu sein. Ich hatte zwar das Glück, einen Job als Postdoc zu bekommen, war aber sehr deprimiert. Am Ende des ersten Jahres - das war 1983 - dachte ich mir: Okay, ich habe zwei Jahre in diesem Job, ich bin ein Versager, und ich sollte wenigstens mein letztes Jahr dazu verwenden, um Forschung zu machen, die mir persönlich etwas bedeutet. Ich hätte nie damit angefangen, Planeten zu suchen, wenn ich davon überzeugt gewesen wäre, als normaler Wissenschafter Erfolg zu haben. Aber so hatte ich nichts zu verlieren und konnte mich diesem damals völlig hoffnungslosen Feld zuwenden.

STANDARD: Warum galt das Feld als so hoffnungslos?

Marcy: Jeder dachte, dass man Planeten nicht finden kann. Schließlich sind sie ja dunkel. Es ist so, als würde man versuchen, einen kleinen dunklen Stein neben einer nuklearen Explosion zu detektieren. Und das kann man wörtlich verstehen, denn Sterne leuchten ja wirklich durch Kernfusion. Also haben alle gesagt, es ist unmöglich.

STANDARD: Damals, als der erste Exoplanet gefunden wurde, hätten Sie da gedacht, dass man heute fast 1800 davon kennen würde?

Marcy: Niemals! Im Jahr 1994 dachte immer noch niemand, dass man überhaupt je Planeten finden würde. Niemand glaubte, dass wir Erfolg haben würden. Wir hatten uns niemals vorstellen können, dass wir einmal tausende Planeten kennen würden, und schon gar nicht erdähnliche! Schon einen einzigen Jupiter zu finden war für uns ein riesiger Erfolg. Es ist total verrückt, dass wir plötzlich tausende Planeten kennen.

STANDARD: Nicht einmal nach den ersten paar gefundenen Planeten?

Marcy: Nein, da war es schlimmer. Nach den ersten paar Planeten hatten wir das Problem, dass die Leute uns nicht geglaubt haben. Da gab es zwei sehr berühmte Astronomen, die uns für Betrüger hielten. Sie sagten, wir hätten gar keine Planeten gefunden. Also wurden die Erwartungen an unsere Forschungen eher schlechter. Es erschienen negative Zeitungsartikel über uns. Das ist aber normal, denn so funktioniert Wissenschaft. Ich wünsche mir, die Welt da draußen wüsste, dass in der Wissenschaft die Überzeugung nicht einfach kommt. Sie kommt erst, wenn andere Forscher nach Fehlern gesucht und alles überprüft haben. Erst dann glaubt man etwas.

STANDARD: Was wäre denn der wichtigste Aspekt der Exoplaneten, an dem man jetzt forschen sollte?

Marcy: Die Atmosphären von erdähnlichen Planeten zu untersuchen, das wäre das Aufregendste. Was uns wirklich interessiert, ist die Biologie. Sicher, als Astronom will man die Planeten und die Sterne und ihre Orbits kennen, aber was jedes Kind wissen will und was auch schon die alten Griechen wissen wollten, das ist, ob es Leben gibt. Ob es andere intelligente Spezies in unserer Galaxie gibt, genau das wollen wir wissen.

STANDARD: Was glauben Sie?

Marcy: Ich weiß es nicht, aber was ich mir denke, ist etwas ernüchternd: Wir Menschen haben so viele Arten, den Nachthimmel zu untersuchen. Wir haben Teleskope auf der ganzen Welt, nicht nur für sichtbares Licht, sondern auch für Radio-, Infrarot- und Röntgenstrahlung, und wir sehen keinen Hinweis auf intelligentes Leben, kein Zeichen von Raumschiffen, keine Star Trek-Technologie, nichts. Wenn wir zum Mond fliegen oder zum Mars, dann finden wir dort kein altes verlassenes Raumschiff von früheren Zivilisationen, die den Mars schon untersucht haben. Sie hätten schon vor Millionen von Jahren kommen müssen. Wir haben so schöne Landschaften auf der Erde: Strände, Tropenwälder, wunderschöne bewohnbare Landstriche. Das könnte ein Urlaubsziel sein, warum haben sie noch kein Hotel hergestellt und keinen Golfplatz hier gebaut?

STANDARD: Gibt es einfaches Leben auf anderen Planeten?

Marcy: Überall! Das muss sehr häufig sein. Ich bin mir sicher, dass es Bakterien auf anderen Planeten gibt, wahrscheinlich entwickeln sich auch Mehrzeller. Ich wette, da sind Insekten, Pflanzen, im Wasser lebende Tiere. Fische, vielleicht Vögel. Aber Intelligenz könnte selten sein. Es ist auch gefährlich, intelligent zu sein. Der Mensch ist heutzutage in der Lage, seine ganze Spezies zu vernichten. Die Intelligenz hat also einen Preis.

STANDARD: Welchen der bisher gefundenen Exoplaneten finden Sie am interessantesten?

Marcy: Das ist schwer zu sagen. Kepler-10b war sehr spannend, weil das der erste war, von dem wir sicher wussten, dass er aus Gestein ist. Den zu entdecken war ein ganz besonderer Moment. Ich kann mich noch erinnern, wie ich bis zwei Uhr nachts gearbeitet habe und auf meinem Computer die Dopplerverschiebung sehen konnte, die mir die Masse angab. Vom Transit wusste man den Radius, und als ich daraus schnell die Dichte ausrechnete, da wusste ich, dass ich die erste Person war, die sehen konnte, dass das ein echter felsiger Planet war. Das war aufregend.

STANDARD: Welchen Rat würden Sie jungen Forschern geben, die jetzt Astrophysiker werden wollen?

Marcy: Ich würde heute nicht mehr in dieses Forschungsfeld gehen. Es gibt einfach nicht genug Jobs. Die Konkurrenz ist stark. Egal was man sich ausdenkt, es haben schon fünf andere dieselbe Idee gehabt. Es ist schlimm. Man braucht Teleskopzeit, Computer, und nach jahrelanger Arbeit kommt dann plötzlich ein Paper heraus, in dem schon ein anderer deine Arbeit gemacht hat. (Elisabeth Guggenberger, DER STANDARD, 12.3.2014)