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Die Sommeliers und Kellner glauben ja auch nur, was man ihnen sagt.

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Paul White

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DER STANDARD: Die Vorteile des Drehverschlusses sind allgemein bekannt: Der Wein kann nicht mehr korken, und die Flaschen sind leichter zu öffnen und wieder zu verschließen. Was aber sind die Nachteile?

Paul White: Wein, der in Flaschen mit Drehverschluss abgefüllt wird, tendiert zu Reduktionsnoten. Die können sich im anaeroben Zustand im Laufe der Jahre noch mehr entwickeln. Ich habe zwar schon Weine getrunken, die unter Drehverschlüssen hervorragend gealtert sind - allerdings weit öfters solche, die nach einem Jahr die typischen Reduktionstöne von faulen Eiern aufweisen oder sonst wie ihren Sortencharakter verloren hatten. Das ständige "Atmen" unter luftdurchlässigerem Kork verhindert diese Probleme zumeist. Ich habe nichts gegen Drehverschlüsse, solange man nichts an ihrer Herstellung ändert und den Konsumenten auch darauf hinweist, dass man den Wein jung - möglichst jünger als sechs Monate - trinken soll.

DER STANDARD: Älter können sie nicht werden? Und was meinen Sie mit "verändern"?

White: Können schon. Ich würde mich nur nicht auf das Risiko einlassen. Viele Weinbauern in Australien und Neuseeland, wo der Anteil der Drehverschlüsse mittlerweile bei neunzig Prozent liegt, schönen ihren Wein mit Kupfersulfat, um den Reduktionsnoten auf Dauer entgegenzuwirken. Ich halte das allerdings für keine gute Idee. Denn Kupfersulfat ist ein Schwermetall, ab einer gewissen Menge sogar giftig und zerstört nicht nur ungewünschte, sondern auch gewünschte Geschmacksnoten.

DER STANDARD: Es gibt aber Winzer, die das nicht tun und trotzdem auf Drehverschluss setzten. Was angesichts des hohen Anteils an korkenden Naturkorkflaschen doch verständlich scheint?

White: Bedingt. Der Anteil an Korkgeschmack ist viel geringer, als das generell befürchtet wird. Selbst wenn er bei vier bis acht Prozent liegen sollte, was nicht nur ich bezweifle, ist das noch immer recht wenig, für ein wunderbares Naturprodukt, das seit zweihundert Jahren verwendet wird. Außerdem hat sich die Qualität der Korken in den vergangenen Jahren und unter dem Druck des Erfolgs der Drehverschlüsse stark verbessert. Worum es wirklich geht, ist Geld. Die Aluminiumkapseln sind natürlich viel billiger.

DER STANDARD: Ihre Argumente müssten doch aber auch die Produzenten überzeugen. Warum halten sie am Drehverschluss fest?

White: Ende der Neunzigerjahre hatte man in Australien und Neuseeland starke Probleme mit oxidierten Weinen und solchen mit Korkgeschmack. Man beging den Fehler, beides auf den Kork zurückzuführen. Vor allem in Neuseeland begannen die Winzer massiv auf Drehverschlüsse umzusteigen, was eine ziemliche Investition bedeutete. Heute will man die Fehler nicht einsehen und greift immer mehr zur Kupferschönung.

DER STANDARD: Wieso ist das Problem nicht bekannter und wird nicht besser kommuniziert?

White: Die Drehverschlusslobby will nicht, dass es bekannter wird. Man findet sehr viele, von der Weinindustrie in Auftrag gegebene Studien, die es leugnen. Es gibt aber auch solche, die beweisen, was ich sage - nur sind die schwerer zu finden. Auch die englische Fachpresse beschäftigt sich schon seit Jahren mit dem Problem. Ich bin also nicht allein. Man hat sich einfach viel zu lange auf die negativen Aspekte des Naturkorks konzentriert.

DER STANDARD: Es gibt also tatsächlich so etwas wie eine Drehverschlusslobby?

White: Absolut. Ich wurde schon verbal bedroht und habe meine Kolumne in einem bedeuten australischen Weinmagazin verloren, weil ich das Problem ansprach. Die meisten Weinjournalisten haben von Chemie keine Ahnung und glauben und schreiben einfach, was man ihnen sagt: nämlich, dass die Drehverschlüsse in jeder Hinsicht besser sind.

DER STANDARD: Was denken Sie über Winzer, die biologisch oder biodynamisch arbeiten und trotzdem Drehverschlüsse verwenden?

White: Die verstehe ich gar nicht. Wie kann man biologisch oder gar biodynamisch denken und seinen Wein mit Alu und einer Plastikdichtung verschließen? Das ergibt keinen Sinn. Abgesehen von den Problemen im Wein ist auch die Umweltbelastung weit größer. Kork ist ein herrliches Naturprodukt, das man recyceln oder in seinen Garten werfen kann, wo es als Dünger wirkt.

DER STANDARD: Und die Korkwälder?

White: Die sind nur gesichert, wenn Kork seine wirtschaftliche Realität behält. Die Korkrinde regeneriert sich nach elf Jahren von selbst. Die Korkwälder in Marokko sind außerdem ein wirksames Mittel gegen die drohende Versandung ganzer Landstriche.

DER STANDARD: In Ländern wie Italien und Frankreich sind die Konsumenten weniger von Aluminiumverschlüssen überzeugt.

White: Das stimmt. Das liegt aber mehr an ästhetischen und kulturellen Überlegungen, für die ich mich nie sehr interessiert habe. Obwohl ich manchmal auch das Gefühl habe, ich schraube anstatt an einer Wein- an einer Whiskyflasche rum und komme mir dabei vor wie ein Alkoholiker (lacht).

DER STANDARD: Sollte man im Restaurant darauf bestehen, auch einen Wein mit Drehverschluss zuerst zu kosten?

White: Natürlich! Ich mache das immer und habe schon Flaschen zurückgeschickt. Die Sommeliers und Kellner glauben ja auch nur, was man ihnen sagt. Viele wissen aber, dass sie ohne Naturkork zwei bis drei Minuten Kontakt mit dem Gast verlieren, während der sie meist dessen volle Aufmerksamkeit genießen: Das kann sich auf die Dauer natürlich wesentlich auf den Weinumsatz auswirken. (Georg Desrues/Der Standard/rondo/02/04/2010)