Das neue Martin in der Gumpendorfer Straße bietet die Küchenkunst von Alexander Mayer im Interieur von Gregor Eichinger.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Wie soll das schlecht sein?

Foto: Gerhard Wasserbauer

Es gibt nicht viele, die ein Gericht so feingliedrig komponieren können wie Alexander Mayer. In Wien sowieso nicht, aber da ist der französische Umgang mit Essen durch derart viele Vorurteile beschwert, dass sich das sonst eh niemand mehr antun will.

Mayer, als schwierig verschrien, ist es wohl auch. Richtig lang fühlte er sich nur an wenigen seiner vergangenen Arbeitsplätze (zuletzt Skopik & Lohn, davor Pfarrwirt) wohl. Den Stammgästen - Adepten trifft es vielleicht besser - war's egal, sie zogen ihm nach, wo immer er sich niederließ. Das neue Lokal gehört einem Freund, mit dem er einst gemeinsam kochte - vielleicht ein Indiz, dass es diesmal für länger sein könnte.

Klein, intim ist das "Martin" (nach dem Betreiber Martin Graf). Hier kann Mayer gar nicht anders, als sich höchstselbst über jeden Teller zu beugen: Zeitweise steht er allein in der Küche, abends geht ihm ein Helfer zur Hand.

Attraktiver Ort

Für die Gestaltung des Lokals konnte Graf Gregor Eichinger gewinnen, der, wieder einmal, darlegt, wie auch auf schwierigem Grundriss attraktive Orte entstehen können. Dass das satte Taubengrau der Wände als Anspielung auf einen von Mayers Klassikern (die tiefrot gebratene französische Mieral-Taube) gemeint ist, erscheint Mayer aber weit hergeholt: "Wennst meinst."

Taube gibt es einstweilen nur auf Vorbestellung, andere Mayer-Standards wie Beef Tartare mit weichem, gebackenem Wachtelei oder die legendäre Bouillabaisse von heimischen Fischen sind aber bereits auf der Karte. Die teilt sich in zwei Menüs auf, von denen auch à la carte geordert werden kann. Aber es gibt auch allerhand Neues, dessen Bestellung man nicht bereuen wird. Neusiedlersee-Zander etwa, der in (geschmacklich neutraler) Kakaobutter knusprig gebraten wird, bevor er in Kalbsbouillon gelegt wird, mit dünn gehobelten, rohen Champignons bedeckt und mit gebackenen, mit Kalbsfarce gefüllten Teigtaschen gepaart: ein verblüffend stimmiger Geschmacksakkord, bei dem der zarte Pilz das Kommando führen darf. Oder, geschmacklich wie energetisch handfester: gedämpfter, gepresster und schließlich knusprig gebratener Schweinebauch, der mit unheimlich dichter Curryessenz, Erbsen und hocharomatischem Klebreis kombiniert wird: Phew!

Dass Mayer seine Kunst aber ausschließlich Speisen angedeihen lässt, bei denen tierisches Protein die Hauptrolle spielt, erscheint in diesen Zeiten nicht nur passé, sondern nachgerade anachronistisch. (Severin Corti/Der Standard/rondo/01/10/2010)