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Wachsen die Trauben nah an der Straße oder dem Wanderweg, ist bei der Lese oft nichts mehr an den Rebstöcken.

Foto: APA/Karl-Josef Hildenbrand

Ich muss ja nicht vom Weinmachen leben. Für mich ist das kein Schicksalsschlag. Auch die Freunde, die mit mir dieses Hobby teilen, bleiben gelassen bis gefasst. Es ist halt nur schade um das Lesefest, das jedes Jahr im milden Lächeln des späten Oktoberlichts hinter der Stammersdorfer Kirche stattfindet.

Die Newbies, also jene Freunde von Freunden, die das erste Mal dabei sind, verrichten Jahr für Jahr die gesamte Drecksarbeit. Im frischen Wind die Trauben lesen, schwere Kisten schleppen, mit nasskalten Fingern die Trauben rebeln und mit roter Nase und schon gut ein'spritzt die Trauben pressen. Die Veteranen hingegen widmen sich den wesentlichen Aspekten der Weinlese: Die Tische biegen sich unter hochkalorischer Last der Würste, Braten und Käse. Die Novizen brauchen dies wegen des anstrengenden Engagements im Rahmen der Lese, die Routiniers brauchen die feste Nahrung wegen dem Übermaß an flüssiger. Es gibt Jahrgangsverkostungen, Sturmdiskussionen, und Passanten bleiben gerne auf ein Glaserl oder zwo stehen, verlieren sich in einem netten Tratsch und ziehen von bester Laune angesteckt weiter. So ist es gut, so mögen wir das. Aber heuer? Die Party-Schrecks haben zugeschlagen. Die Feinde des Winzers sind zahlreich - die Party-Schrecks sind überall.

Gerade als leidenschaftlicher Gartler steckte ich doch so große Hoffnungen in den privaten Weinbau, träumte von Sonnenblumen am Rande der Rebzeilen, sah Lavendel am Zaun und andere Kräuterbeete zwischen den Reben und mich mitten darin. Weil aber der Stadtwanderweg Nr. 5 direkt vorbeiführt und dort draußen "alles Füße kriegt", wie die Verpächterin Frau P. trefflich meinte, wurde nichts aus der gärtnerischen Pracht im Weingarten.

Freie Wildbahn, freie Trauben

Die müssen die Sonnenblumen noch vor dem Erblühen geköpft haben, die Naturliebhaber, die! Frau P. setzte sogar einst extra spätreifende Welschrieslingstöcke an den Wegesrand, weil die am längsten unreif aussehen, sauer schmecken und so die süßen Neuburger-Trauben dahinter von den Sammlern, vulgo Diebspack, verschont bleiben. Freie Wildbahn, freie Trauben, so denken sich die Wandersleut' da offensichtlich. Flobert zu mir! Da Weinblätter, gefüllt und eingelegt, wunderbar schmecken, verwechseln manchmal Feinspitze meinen Weingarten mit einer Gratis-Abgabestelle und rupfen die schönsten Blätter, dass es nur so ein Jammer ist. Darauf angesprochen und gewarnt, dass da ganz schön Chemie draufgespritzt und absorbiert sein könne, wird nur achselzuckend der Weingarten gewechselt.

Die Eltern aller Spaßverderber sind aber Hagel und Pilz, ob echter oder falscher Mehltau ist im Ergebnis auch schon egal. Kaum Laub, keine Trauben - nach einem atomaren Erstschlag kann es nicht viel anders aussehen. Natur und Mitmenschen wollen mit aller Kraft verhindern, dass wir unser Lesefest veranstalten.

Den Blätterklau und Traubenstibitz beherrschen Pilz wie Mensch ganz vorzüglich, und wenn trotz alledem im Oktober eine reiche Ernte an den gesunden Stöcken hängt, greift halt das Wetter für ein paar Tage regulierend ein, schickt Regen, Kälte und Singvögel, auf dass nur ja nichts für unser Lesefest überbleibt.

Gut, dass wir vom Weinmachen nicht leben müssen, gut, dass das andere viel besser beherrschen als wir - dennoch, die Party werden wir uns nicht versauen lassen. (Gregor Fauma/Der Standard/rondo/29/10/2010)