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Als Fixstern ist Apple aus dem Alltags- universum kaum mehr wegzudenken. Das freut vor allem CEO Steve Jobs.

Foto: Frederic Larson / San Francisco Chronicle / Corbis

Leicht ist etwas anderes: Da plant Volker Fischer, Kurator des Museums für Angewandte Kunst in Frankfurt am Main, als Erster überhaupt eine Designretrospektive von Apple. Und dann lässt deren deutsches Hauptquartier ihn kalt abblitzen. Keine Unterstützung, keine Exponate, keine Alimentierung des Katalogs seitens Apple.

Die Geschichtsvergessenheit gerade dieser Hardwareschmiede ist bizarr. Hat doch das Unternehmen aus Cupertino in den vergangenen zehn Jahren die Welt der Bits und Bytes technologisch, nutzungs- und sozialpsychologisch, vor allem aber visuell gründlich auf den Kopf gestellt. Dank des 1967 geborenen Briten Jonathan Ive, heute Senior Vice President of Industrial Design, wurde Apple gestalterische Avantgarde. In Gestalt von iMac, iPod, iPhone und iPad setzte Ive im Produktdesign Maßstäbe, denen sich die Konkurrenz bis heute widerstandslos anschmiegt. Ein bewusst nonkonformer Minimalismus ist so zum Massenphänomen geworden. Das Besondere bei den i-Geräten ist gerade die Verschleifung der Unterschiede zwischen Exzeptionellem und Erwartbarem. Die Mac-Manie besitzt, und das streicht Fischer deutlich heraus, "den Charakter einer profanierten Gnosis: Die Dinge sind nicht nur, was sie sind, sondern auch, was sie scheinen und versprechen." Und auslösen. Ive drückt dies so aus: "Wird uns ein Gegenstand vorgesetzt, der komplex ist, kann er einschüchternd wirken. Auf jeden Fall vermittelt er dir, dass du es nicht verstehst. Klarheit und Einfachheit sind ganz wesentlich, um ein Produkt zu verstehen und den Umgang mit ihm zu genießen."

Produkterfülltes Purismusversprechen

Apples produkterfülltes Purismusversprechen fällt neben Modellen von Grundig, Philips, Samsung unleugbar ins Auge. Die einen weichen, wo Apple asketisch und streng ist, ins Weiche, Bauchige, Knuffige ab. Wo Apple reinweiß und abstrakt ist, versuchen andere sich in konsumnaiver Farbigkeit, dabei fällt ein Orange zu knallig aus, ein Grün zu förstermäßig, sind manche Farbkombinationen sehr zeitgebunden. Bei Apple liegt das Verspielte einzig und buchstäblich in der Hand der User. Selbst die regenbogenfarbenen iPad Nanos insistieren auf einer die Individualität unterstreichenden Chromatik. Schließlich kann das simple "i" für vieles stehen: Individualität, Internet, Information, Identität, Inspiration, Innovation. Ich.

Im Parcours mit 300 Exponaten, die Fischer von Institutionen, Sammlern und Firmen rekrutierte, findet man so manchen guten alten Bekannten und Apple-Trabanten, den man auf den Mistplätzen der Gestaltung glaubte. Da sieht man Apples PDA Newton, signalfarbene Gameboys von 1989, klobige portable Radiokassettenspieler, Aiwas CD-Player MTV 77 mit Flammenmotiv oder den gelb-blauen Pager TeiMi von Philips.

Aufschlussreich ist all dies nicht wegen nostalgischer Anwandlungen oder postmoderner nerdiger Ironie, sondern weil diese Modelle das Passepartout liefern für Apples Radikalität, für den konsequent monochromatischen Reduktionskurs. Und andererseits die daraus abgeleitete Verweigerung erklären. 1984 entwarf Hartmut Esslinger, der Chef des Designbüros frog design, den Mac mit externer Tastatur und Maus in Schneeweiß, ein bahnbrechender Bruch mit damaligem arbeitsweltlichem Rechnerstumpfgrau. "Dieses Weiß", so Volker Fischer, "verbürgerlichte die Anmutung der bis dahin eher in den industriellen Arbeitswelten beheimateten Computer." Mit der taktilen Bedienung, dem berührungssensitiven Click Wheel, setzte Apple zwei Jahrzehnte später erneut eine unumkehrbare Entwicklung in Gang.

Parallel- und Peripheriegeräten

Eine reiche Auswahl an Parallel- und Peripheriegeräten sowie an Schutztextilien, Hüllen, Armbändern und Ohrhörern versammelt Fischer auch. Etwa eine ganz erstaunliche Auswahl an Docking Stations. Manche sind ovalförmig, andere rund, dritte spiegeln den aktuellen Trend zu Luxurisierung und Miniaturisierung wider. Das Soundboard Horizontal von Finite Elemente ist fünf Zentimeter hoch, dafür einen Meter breit. Der wasserabweisende, solare iPod-Verstärker Soulra ist etwas für den Strand, der MP3-Player TicToc von Samsung hingegen etwas für Tech-Faultiere. Sieht er doch aus wie ein Tablettenspender, hat einen Knopf und exakt zwei Funktionen: Hält man TicToc waagerecht, springt er von Song zu Song; hält man ihn senkrecht, regelt man die Lautstärke. Lencos hoher Lade-Tower von 2009 erhebt den iPod dann endgültig zum Kultobjekt anbetungswürdiger Coolness.

Der Philosoph Peter Sloterdijk schrieb einmal, wir in der modernen Tele-Welt seien alle "Insulaner", heutige Lebensformen hätten die Anmutung einer "Hyper-Robinsonade". Ebendies ist Apples Alleinstellungsmerkmal: die Durchdringung von analogem Einzelleben und digitaler Menge in Form neuer, gut gestalteter "Symbiosen von Hard- und Software" plus dem, so Fischer, erzeugten "geradezu kultischen Verhältnis" zur Unterhaltungselektronik, die viel mehr ist. Ein ausgeschaltetes Apple iPhone ist neuzeitliche Magie. Die vorderseitengroße Schwärze ist Sog- und Projektionsfläche unauslotbarer Lebensgefühlsdaten. (Alexander Kluy/Der Standard/rondo/01/04/2011)