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Luis Suárez hält sich seine Zähne nach der Beißattacke.

Foto: AP Photo/Ricardo Mazalan

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Giorgio Chiellini zeigte sich ob der Bissspuren fassungslos.

Foto: reuters/TONY GENTILE

Natal - Uruguays Nationaltrainer Oscar Tabarez sprach nach der Qualifikation fürs Achtelfinale trocken aus, was sich ehrgeizige Sportler oder Betreuer bisweilen nur zu denken getraut haben - und auch das nur, wenn ihnen der Beelzebub auf der rechten Schulter saß. "Es geht um die WM, nicht um die Moral."

Tabarez bezog sich natürlich auf die ungeahndete Beißattacke seines Torjägers Luis Suárez gegen den Italiener Giorgio Chiellini in der 79. Minute. Zwei Minuten später traf Uruguays Kapitän Diego Godin in Natal per Kopf, die verunsicherten Italiener waren außer Rand und Band. Dass für Suárez als Wiederholungstäter in Sachen Bissfreudigkeit das WM-Aus und eine lange Sperre des Weltverbands Fifa droht, ist für die Equipe nicht einmal ein schwacher Trost.

Höchststrafe zwei Jahre

Vor allem in England, wo sich der 27-Jährige vom FC Liverpool nach einer Traumsaison in der Premier League zum Torschützenkönig krönte sowie zum Spieler der Saison gewählt wurde, ist die Empörung überbordend. "Macht Beißer Suárez zum Geächteten", schrieb die Daily Mail. "Verbannt dieses Monster", urteilte der Daily Telegraph. Möglich, dass da noch die Enttäuschung nach Englands Aus mitschwang: Das hatte ausgerechnet Suárez im Spiel Uruguay gegen die Three Lions (2:1) mit zwei Treffern besiegelt.

Die Fifa muss nach Durchsicht der Stellungnahme des uruguayischen Fußballverbands in den nächsten Tagen urteilen, die Höchststrafe beträgt zwei Jahre (siehe Wissen). Schon am Samstag steigt das Achtelfinale gegen Kolumbien. Dort wird Suárez mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fehlen.

TV-Bilder als Entscheidungsgrundlage

Die Disziplinarkommission wird über eine mögliche Strafe nach Ansicht der Fernsehbilder entscheiden. Das Gremium habe das TV-Material angefordert und werde es bewerten, sagte eine FIFA-Sprecherin am Mittwoch. Indes fehlte Suarez laut Berichten des britischen Senders ITV bei Uruguays Mannschaftstraining am Tag nach dem Vorfall.

"Der Spieler hat das Recht, gehört zu werden. Wir können nicht darüber sprechen, was passieren könnte. Die Disziplinarkommission sammelt und analysiert alle Informationen, die sie bekommen kann."

Suárez, der sich nach seinem herzhaften Verbeißen in Verteidiger Chiellini mit schmerzverzerrtem Gesicht selbst an die Schneidezähne fasste, relativierte seine Tat. "Das passiert im Spiel und auf dem Platz", sagte er. Ähnlich sah dies Exboxweltmeister Evander Holyfield. "Ich schätze, jedes Körperteil darf gegessen werden", twitterte der 51-Jährige, dem 1997 in einem WM-Kampf von Mike Tyson ein Stück des rechten Ohres abgebissen wurde.

Vorgeschichten

Dabei hatte Suárez, der Ausnahmekicker mit dem Hang zum Diabolischen, Besserung gelobt. 2010 biss er im Dress von Ajax Amsterdam Gegenspieler Otman Bakkal von PSV Eindhoven in die Schulter und wurde als "Kannibale von Ajax" bekannt. 2013 wurde Branislav Ivanovic von Chelsea sein zweites Opfer. Beide Male wurde die Attacke von den Referees nicht gesehen, Suárez wurde aber nachträglich gesperrt. 2010 musste er sieben Spiele zuschauen, 2013 waren es zehn Partien. "Das ist ein Verhalten, das man sonst nur von Tieren kennt", urteilte Experte Oliver Kahn im ZDF.

Schon bei der WM 2010 in Südafrika glänzte Suárez als Goalgetter und durch Unsportlichkeit: Im Viertelfinale gegen Ghana wehrte er auf der Linie stehend in der Nachspielzeit einen Ball, der sicher ins Tor gegangen wäre, mit der Hand ab. Suárez sah die rote Karte, Asamoah Gyan vergab den Penalty für Ghana, Uruguay gewann im Elfmeterschießen.

Nach der ungeahndeten Attacke von Suárez sowie einer Flut von Fehlentscheidungen von Referees bei der WM sind Forderungen nach dem Videobeweis wieder laut geworden. "Das Spiel ist so schnell, es ist unmöglich, alle Entscheidungen richtig zu treffen", sagte Irans Coach Carlos Queiroz. (krud; DER STANDARD, 26.6.2014)