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Im Jahr 2012 haben in Wien noch 400 Lehramtsstudenten schon vor Ende ihrer Ausbildung unterrichtet, 2013 waren es nur mehr 140. Heuer dürften in Wien gar keine Lehrer mehr fehlen.

Foto: apa/Pleu

Die Zukunft von Andrea Huber* war eigentlich klar: nach der Ausbildung zur Volksschullehrerin an der Pädagogischen Hochschule (PH) Oberösterreich nach Wien ziehen und dort als Lehrerin arbeiten. Angesichts der Berichte über Lehrermangel in der Hauptstadt und einer Informationsveranstaltung an der PH, bei der ihr ein Mitarbeiter sagte, dass in Wien "immer" Lehrer gesucht würden, war sie sich sicher, einen Job zu finden. Huber hat die Ausbildung im Juni abgeschlossen, rund zwei Monate vor Schulbeginn hat sie noch keine Stelle.

Was sich schon im vergangenen Jahr abgezeichnet hat, wird jetzt klarer: Lehrermangel ist in Österreich kaum noch Thema. Es ist eher schwierig, überhaupt eine Stelle zu finden. Insgesamt waren im Juni 2014 rund 2.000 Lehrerinnen und Lehrer arbeitslos, das sind um 30 Prozent mehr als im Juni 2013. Zum Vergleich: Insgesamt ist die Arbeitslosigkeit in diesem Zeitraum in Österreich um 16 Prozent gestiegen.

Sind im Jahr 2012 noch 400 Lehramtsstudenten in Wien eingesprungen und haben schon vor Ende ihrer Ausbildung unterrichtet, waren es 2013 nur mehr 140. Heuer dürften in Wien gar keine Lehrer mehr fehlen.

Einige Problemfächer

Wie viele Lehrerposten es im kommenden Schuljahr tatsächlich geben wird, wird erst im September feststehen. Ein Rundruf von derStandard.at bei mehreren Landesschulräten hat aber ergeben, dass es voraussichtlich nur in einigen wenigen Fächern Probleme geben wird, Stellen zu besetzen.

In Wien haben sich für allgemeinbildende höhere Schulen (AHS) und berufsbildende mittlere und höhere Schulen (BMHS) bisher 2.000 Personen als Lehrer beworben, aufgenommen werden können allerdings nach derzeitigem Stand an den AHS nur 170, an den BMHS 104. "Einen Mangel gibt es am ehesten in den Naturwissenschaften, etwa in Physik oder Mathematik", sagt Reinhard Gruden, Abteilungsleiter für Personalmanagement im Stadtschulrat Wien. Viel zu viele Bewerber gebe es für die Fächer Geschichte, Philosophie und Italienisch.

Sonderpädagogen gesucht

An den Wiener Pflichtschulen, also den Neuen Mittelschulen und Volksschulen, ist das Bild ähnlich. Für 470 neue Posten haben sich 1.200 Lehrer beworben. Am ehesten Chancen gibt es für Lehrer mit sonderpädagogischer Ausbildung. "Die Stellen können wir zu Not aber auch mit Volksschullehrern auffüllen", sagt Gruden.

In Oberösterreich ist die Lage vor allem für angehende Volksschullehrer ebenfalls nicht rosig. "Bewerber müssen mindestens ein Jahr warten, bis sie eine Stelle finden", sagt eine Sprecherin des Landesschulrats. Bedarf gebe es im Pflichtschulbereich auch in Oberösterreich eigentlich nur an Sonderschulpädagogen. An den berufsbildenden Schulen werden noch Lehrer für technische Fächer wie Mechatronik und Maschinenbau gesucht, für die AHS gebe aus derzeitiger Sicht genügend Bewerber.

Weniger Schüler auf dem Land

Dass es genügend Lehrer gibt, liegt vor allem auf dem Land an den sinkenden Schülerzahlen. In Kärnten werden es 700 Schüler pro Jahr weniger, berichtet der dortige Landesschulratspräsident. Anstellungschancen an den Pflichtschulen seien deshalb eher gering. Außerdem würden die Lehrer länger arbeiten und später in Pension gehen, sagt die Sprecherin des Landesschulrats in Oberösterreich.

Volksschullehrerin Huber ist verunsichert. "Es gibt total viele Gerüchte, aber keine fixen Informationen", klagt sie über die Jobsuche. Sie habe etwa auch gehört, dass sich die Lage in zwei bis drei Jahren durch mehr Pensionierungen verbessern soll. Vor allem von ihrer Pädagogischen Hochschule fühlt sie sich falsch informiert. Dort hätten Mitarbeiter bei der Sponsion und bei einer Informationsveranstaltung gesagt, dass es in Wien Jobs gebe. An der PH bestreitet man, die Studenten falsch zu informieren. "Wir machen gar keine Angaben über Stellen, das können wir gar nicht", sagt Margit Steiner, Leiterin des Instituts für Elementar- und Grundstufenpädagogik.

Aus dem Unterrichtsministerium heißt es in einer Stellungnahme zu derStandard.at, dass Lehrermangel und Lehrerüberschuss regional und fächerbezogen variieren. Eine "massive“ Entwicklung in die eine oder andere Richtung sei aber nicht zu verorten. Durch die neue Lehrerausbildung, bei der es ab 2016 auch Aufnahmetests geben wird, sei künftig mehr Flexibilität möglich und man könne mögliche Engpässe besser ausgleichen. Stärkere Zugangsbeschränkungen soll es aber nicht geben.

Absagen aus Wien und Niederösterreich

Huber hat Absagen aus Wien und auch aus Niederösterreich bekommen. In Oberösterreich steht sie auf der Warteliste. Ihr wurde empfohlen, sich für eine Stelle als Sonderpädagogin zu bewerben, eventuell kann sie auch ein paar Stunden bei der neuen Gratisnachhilfe in Wien unterrichten. "Mir mein Leben mit zehn Stunden pro Woche zu finanzieren wird aber schwer", sagt Huber. Als Sonderpädagogin will sie sich nicht bewerben. "Diese Kinder haben spezielle Bedürfnisse, und man muss dafür hochqualifiziert sein. Ich habe die Ausbildung dafür nicht." Huber will jetzt etwas Positives aus ihrer Situation machen und im Ausland für soziale Projekte arbeiten. (Lisa Aigner, derStandard.at, 23.7.2014)