Wien – Eric Tveter führt Österreichs größtes Kabelnetz mit rund 650.000 Kundenhaushalten seit einem Jahr – neben der weit größeren Schwester UPC Cablecom in der praktisch vollverkabelten Schweiz. Die leitet er seit 2009.

Mit 2,6 Millionen Abonnements ist UPC Cablecom ein Stück schneller unterwegs als die österreichische Schwester. Im Internet zum Beispiel: In der Schweiz peilt Tveter Übertragungsgeschwindigkeiten von einem Gigabit schon konkret an, in Österreich werden 500 Megabit wohl noch mehr als ein Jahr dauern.

Früher will der 56-jährige Amerikaner mit norwegischen Wurzeln und Wohnsitz im Kanton Zürich eine neue Fernsehplattform der UPC in Österreich etablieren.

STANDARD: Sie haben in den vergangenen Monaten UPC Cablecom in der Schweiz und UPC Austria zusammengeführt – wohl vor allem aus Einsparungsgründen. Wie viel ließ sich denn da schon kürzen?

Tveter: Ziel der Zusammenführung der beiden Firmen war, eine Einheit von relevanter Größe zu formen. Im Medien- und Telekomgeschäft tritt man gegen globale Player wie Google, Apple, Amazon und Netflix an.

STANDARD: Der UPC-Konzern und seine Mutter Liberty Global sind auch kein Kleinbetrieb.

Tveter: Auch die Telefonkonzerne in jedem Markt sind vielfach größer als wir – und sie haben meist fünf- bis siebenmal mehr Marketingbudget als wir.

STANDARD: Sie haben beim Marketing ja gerade eingespart und das vermutlich nicht ganz billige österreichische Testimonial Robert Kratky durch Carlos Leal ersetzt, der schon für die UPC in der Schweiz wirbt.

Tveter: Kratky war wirklich lange das Gesicht der UPC, ab 2009. Es war Zeit für einen Wechsel. Nicht weil wir unzufrieden gewesen wären, aber im Marketing braucht es von Zeit zu Zeit etwas Neues, Frisches. Und Carlos Leal kommt gut an.

STANDARD: Keine Beschwerden über die Ablöse?

Tveter: Nein. In Österreich mag man Leal.

STANDARD: Und ein Kratky kostet schon …

Tveter: Ich rede nicht über konkrete Verträge. Aber das war ebenso wenig eine Sparmaßnahme wie die Zusammenführung von UPC Cablecom und UPC Austria. Wir müssen mit unseren ungleich größeren Mitbewerbern mithalten – und es geht um Wachstum.

STANDARD: Und immerhin 250 Jobs weniger, wie Sie im Frühjahr angekündigt haben.

Tveter: Natürlich wurden die Unternehmen mit der Zusammenführung restrukturiert – wir haben schon im Februar kommuniziert, dass rund 250 Arbeitsplätze davon betroffen sind. Im Wesentlichen ist das umgesetzt, nun geht es noch um frühere Pensionierungen und natürliche Abgänge, die wir nicht nachbesetzen. In den nächsten vier, fünf Jahren möchten wir gesund und stetig wachsen.

STANDARD: Worauf können sich die Kunden in diesem Fünfjahresplan einstellen? In der Schweiz haben Sie schon einen Videoabrufdienst namens MyPrime gestartet. Wann kommt der in Österreich?

Tveter: Im ersten Halbjahr 2016 werden wir voraussichtlich eine neue Unterhaltungsplattform einführen, ähnlich wie wir sie bereits in der Schweiz anbieten. Horizon hat eine sehr benutzerfreundlichen Oberfläche, mit Zugang zu Live-TV und vielen Apps, etwa Youtube, mit einer Sieben-Tage-Abruffunktion von linearen Fernsehprogrammen im Programmguide, um die verpasste Sendung sehr einfach zu finden und aus der Cloud auf jedem gewünschten Endgerät abzurufen. Der Netflix-ähnliche Dienst MyPrime ist ein Element dieser Plattform in der Schweiz, er bietet Video on demand im Abo für 9,95 Franken. Wir bringen diese Plattform kommendes Jahr nach Österreich.

STANDARD: A1 hat – noch unter dem alten Management – ein Netflix-ähnliches Videoportal angekündigt, nach dem mexikanischem Modell des neuen Mehrheitseigentümers America Movil.

Tveter: Wettbewerb ist immer gut für die Konsumenten, er bringt mehr Auswahl. Wir sind Marktführer in Österreich in TV und Internet und bieten alle vier Dienste inklusive Mobilfunk an. Es gibt Amazon Prime, es gibt Netflix, jüngere Menschen nützen Fernsehen und Video stärker non-linear – und wir werden spätestens kommendes Jahr ein Angebot für Videoabruf im Abo starten und offensiv vermarkten.

STANDARD: Das wird MyPrime sein wie in der Schweiz?

Tveter: Wenn wir unsere eigene Plattform starten, dann ist das MyPrime. Aber wir verhandeln derzeit mit anderen Abrufanbietern.

STANDARD: Nämlich?

Tveter: Wir könnten Netflix auf unsere Plattform nehmen. Virgin Media, unsere britische Schwesterfirma, arbeitet hier zum Beispiel mit Netflix zusammen. Wir stehen gerade – auf weltweiter Ebene – in Verhandlungen mit Netflix. Wenn es ein Ergebnis gibt, werden wir das nicht verschweigen – noch ist es nicht so weit. Aber natürlich arbeiten wir stark in Richtung Video on demand. Das ist eine der zentralen Säulen unseres Geschäfts.

STANDARD: Kann man sich von Netflix etwas abschauen?

Tveter: Es zeigt sehr gut die Bedeutung der Bedieneroberfläche, und wir haben daraus einiges für unsere TV-Plattform Horizon gelernt, die 2013 in der Schweiz gestartet wurde und die wir laufend verbessern. Mit einfacher Bedienung und Navigation kann man Kunden sehr gut binden.

STANDARD: Netflix steht auch für ein Phänomen, das in den USA Cord-Cutting genannt wird – also der Verzicht auf Kabelfernsehen wegen Abrufdiensten wie Netflix.

Foto: Regine Hendrich


Tveter: Die sehr guten aktuellen Ergebnisse großer US-Kabelanbieter – Comcast und Time Warner Cable – sprechen eine andere Sprache. Ja, manche Kunden entscheiden sich für andere Plattformen. Aber unsere Kündigungsraten sind in einem akzeptablen Rahmen. Und unsere Kundenzufriedenheit hier in Österreich ist sehr hoch. Und vergessen Sie nicht: Um Netflix zu nutzen, brauchen Sie wirklich schnelles Internet. Das bieten wir an.

STANDARD: A1 drängt mit einiger Macht in den Fernsehbereich, mit günstigen Angeboten. Spüren Sie die Konkurrenz hier?

Tveter: Natürlich sind sie ein ernsthafter Konkurrent. Aber Konsumenten schauen sich die Angebote genauer an – und sie schauen nicht nur auf einen Service. Wenn ihnen ein vertrauter Anbieter über einen einfachen Zugang alle Services anbietet, dann zählt das Gesamtangebot. Und: Unser Preis pro Megabit ist signifikant günstiger als der von A1.

STANDARD: Für MyPrime in der Schweiz hat die UPC Cablecom eine eigene Comedyserie – den Achtteiler "Fässler/Kunz" – produzieren lassen. Ist eine fiktionale TV-Produktion auch für Österreich denkbar?

Foto: Regine Hendrich


Tveter: Das ist durchaus möglich. Wir werden da aber natürlich nicht dem ORF Konkurrenz machen, der produziert in ganz anderen Dimensionen. Netflix kann ein "House of Cards" nicht für jeden seiner Märkte produzieren – das differenziert unser Produkt. In der Schweiz hat uns das sehr gut gegenüber Netflix positioniert – übrigens ist unsere Marke in der Schweiz bekannter und den Konsumenten präsenter als Netflix.

STANDARD: Und welche Produktion kann man für Österreich erwarten? Gibt es schon konkretere Überlegungen?

Tveter: Ich kann ihnen jetzt noch keine spezifische Produktion nennen. Aber wenn wir hier eine Abo-Abrufplattform starten, dann wäre etwas Vergleichbares denkbar.

STANDARD: Partner der UPC in Wien ist die stadteigene Wien Holding mit dem Regionalkanal W24, der lange allein im Kabel präsent war. Nun startet W24 mit acht anderen Regionalkanälen einen bundesweiten Satellitenkanal und eine gemeinsame Online-Abrufplattform der Regionalsender für ihre Inhalte. Macht Ihnen Ihr Wiener Partner da nicht auch ein bisschen Konkurrenz?

Tveter: Es gibt Kooperation und Wettbewerb zugleich – das Prinzip kennzeichnet die ganze Medienwelt. Wir haben eine gute Zusammenarbeit.

STANDARD: In der Schweiz untersucht der Preisregulator gerade, ob eine markante Preiserhöhung der UPC Cablecom gerechtfertigt ist.

Tveter: Wir gehen davon aus, dass er zum Schluss kommt, dass im Markt starker Wettbewerb herrscht. Die Swisscom hat rund eine Million TV-Kunden. Wir haben rund 1,4 Millionen. Die Kabelbetreiber haben insgesamt einen Marktanteil von rund drei Vierteln. Swisscom promotet ihren TV-Dienst ähnlich aktiv wie A1 hier. Wir nehmen die Herausforderung an.

STANDARD: Man liest von 13 Prozent Preiserhöhung in der Schweiz.

Tveter: Das wird dramatisch dargestellt, es sind rund zwei Franken pro Kunde. Und es ist eine sehr wertvolle Verbindung – im Vergleich noch immer der beste Preis in der Schweiz, auch gegenüber der Swisscom. Und der neue Preis umfasst Basistelefonie, Basisinternet, 70 TV-Kanäle, die Horizon-Go-App, die UPC-Phone-App, eine Basisversion von MyPrime mit mehr als 1.000 Inhalten.

STANDARD: Darf man mit ähnlicher Preisentwicklung in Österreich rechnen – zum Beispiel mit den geplanten TV- und Video-Diensten?

Tveter: Wir sind mitten in der inhaltlichen Planung für nächstes Jahr und werden das in den nächsten Monaten noch genau ansehen. Im Moment kann ich darüber noch nichts sagen.

STANDARD: Das klingt nach: Da kommt etwas.

Tveter: Wir haben im Vorjahr Horizon Go gestartet, die Übertragungsgeschwindigkeit erhöht, die Preise neu gestaltet, und unsere Kündigungsrate ist niedriger als kalkuliert. Die Konsumenten haben die Wahl in einem sehr kompetitiven Markt – und sie entscheiden sich für uns.

STANDARD: Täuscht der Eindruck, dass UPC noch immer sehr auf Kabelfernsehen fokussiert ist – und sich mit neuen webbasierten Herausforderern wie Netflix schwer tut?

Tveter: Er täuscht absolut. Wir sind Marktführer hier im Kabelfernsehen, und da liegen die Ursprünge dieser Firma. Aber wir sind ebenso Marktführer unter den Internetprovidern. Wir haben unsere Übertragungsgeschwindigkeiten gerade auf bis zu 250 Megabit pro Sekunde erhöht.

STANDARD: UPC hat schon 2011 einen Test mit 1,3 Gigabit pro Sekunde im Wiener Netz kommuniziert. Wann kommt das Gigabittempo denn nun in Wien?

Tveter: Wir sind die Schnellsten – und haben nicht die Leitungsprobleme unserer Telekom-Mitbewerber. In der Schweiz bewegen wir uns von heute 500 Megabit pro Sekunde in die Gigasphäre mit Docsis 3.1 – schon wegen der Mehrsprachigkeit brauchen wir dort im Fernsehen große Übertragungskapazitäten.

STANDARD: Und wann erreicht Österreich diese "Gigasphäre"?

Tveter: Die Nachfrage der Kunden in Österreich nach diesen Geschwindigkeiten ist noch nicht sehr groß. Ich denke, wir werden uns zunächst Richtung 500 Megabit bewegen – mittelfristig, würde ich sagen. In der Schweiz gibt es mehr Glasfaserwettbewerb als hier.

STANDARD: Mittelfristig bedeutet?

Tveter: Ich kann Ihnen kein konkretes Datum nennen – wir sind da im Planungsprozess. Aber ich würde sagen: Das wird zumindest noch ein Jahr dauern.

STANDARD: UPC ist seit Ende 2014 auch Mobilfunkanbieter. Wie viele Menschen nutzen diesen Dienst denn nach einem guten halben Jahr?

Tveter: Ich bin sehr zufrieden. Wir haben mit den Quartalszahlen gerade 4.900 Mobilifunkkunden veröffentlicht. Derzeit gibt es in Österreich nur SIM only, in der Schweiz vermarkten wir bereits inklusive Mobiltelefon – das werden wir auch hier etablieren.

STANDARD: Sie haben gerade angekündigt, dass Sie über die UPC-Modems in den Haushalten ein kostenloses WLAN-Netz starten wollen. Wie hat man sich das vorzustellen?

Foto: Regine Hendrich


Tveter: In der Schweiz zum Beispiel funktioniert Wi-Free schon mit mehr als 500.000 Spots. Und wir haben Kooperationen in anderen europäischen Ländern und verhandeln auch in den USA. Sie können mit ihrem Mobiltelefon oder Tablet kostenlos auf das Wi-Free-Netz zugreifen, bevor Sie eine womöglich teure Datenverbindung über Mobilfunk aufbauen. Wichtig ist: Das ist ein separates Netzwerk vom jeweiligen Heimnetzwerk, beeinflusst dessen Bandbreiten und Sicherheitsstandards nicht.

STANDARD: In der Schweiz ist es rechtlich möglich, dass etwa Kabelbetreiber TV-Programme zentral über sieben Tage speichern, und ihre Kunden können sie nachträglich aus der Cloud abrufen. Wäre das in Österreich möglich? Die Rechtslage hier spricht nach meinem Wissensstand eher dagegen.

Tveter: Wenn man das machen will, muss man sich mit denen einigen, die die Rechte an den Programmen haben.

STANDARD: Gibt es schon Sender oder Anbieter, die Ihnen das gestattet haben?

Tveter: Da wir die neue Plattform ähnlich Horizon in der Schweiz auch in Österreich starten wollen, führen wir gerade Gespräche darüber. In den Niederlanden gibt es Replay TV, in der Schweiz und in anderen Märkten ebenso. Wir haben exzellente Kontakte zu den Rechteinhabern. Da hilft auch ein Weltkonzern im Hintergrund – wir gehören ja zu Liberty Global.

STANDARD: Liberty Global und der US-Fernsehkonzern Discovery haben ja einen wesentlichen Aktionär gemein – John Malone. Discovery hat nun die Exklusivrechte an den Olympischen Spielen von 2018 bis 2024 für Europa gekauft. Kann UPC da aus der Konzernverwandtschaft heraus womöglich mit Vorteilen bei Olympia-Programmen rechnen?

Tveter: Discovery und Liberty sind komplett voneinander unabhängige Unternehmen. Jeder Rechteinhaber muss daran interessiert sein, seine Inhalte möglichst breit zu vermarkten. Also werden sie mit anderen Plattformen ebenso arbeiten.

STANDARD: Das klingt nicht gerade nach einem Exklusivdeal von Discovery mit UPC über Olympia-Programme.

Tveter: Nein, das ist kaum realistisch. (Harald Fidler, 5.8.2015)