Witze über ertrinkende Flüchtlinge, den fiktiven Tod der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel oder die sexuellen Übergriffe in Köln: Auf sozialen Netzwerken gibt es kein Thema, das nicht Gegenstand von selbsternannter "Satire" wäre. "Humor darf alles", heißt es dazu oft von Verfassern solcher Postings. Oder, wie es die Facebook-Seite "Verein der Freunde der Tagespolitik", ausdrückt: "Geliebte Meldemusch*Innen: Bei diesem Bild handelt es sich um Satire". Allerdings ist der Verweis auf Humor kein Freibrief für Rassismus und Verhetzung. So brachten die Grünen einige Nutzer vor Gericht, die ein Bild von Eva Glawischnig mit gefälschtem Zitat posteten und dies als Satire einordneten. Mit der Ausnahme eines Falls sahen die Richter solche Postings als juristisch verfolgbar an.
Schmaler Grat
Tatsächlich ist wissenschaftlich erwiesen, dass Aggressivität und Humor miteinander in einer engen Beziehung stehen. Humor kann ein Mittel sein, um Aggressionen abzubauen – ebenso kann er aber Gewalt schüren. Das gilt sowohl für die Sprecher als auch für jene, die sich als Ziel fühlen. Wie schmal der Grat zwischen Hetze und Satire ist, zeigen beispielsweise die Karikaturen des französischen Magazins "Charlie Hebdo", die auch den islamischen Propheten Mohammed auf die Schaufel nahmen. Daraufhin kam es zu zahlreichen Protesten in der muslimischen Community; der friedliche Widerspruch wurde durch einzelne Gewalttäter und schließlich den verheerenden Terroranschlag auf "Charlie Hebdo" vor einem Jahr überschattet.
Kontext und Intention entscheidend
Erst kürzlich sorgte "Charlie Hebdo" mit einer neuen Zeichnung für Aufruhr: Sie zeigte den ertrunkenen jungen Flüchtling Aylan als Erwachsenen, wie er in Deutschland Frauen belästigte. An diesem Beispiel sieht man gut, wie schwierig die Einordnung ist: Einerseits könnte die Karikatur eindeutig als rassistisch eingestuft werden, da sie Eigenschaften von gewissen Mitgliedern einer Gruppe auf die gesamte Gruppe überträgt. Andererseits könnte der Zeichner aber auch der westlichen Gesellschaft den Spiegel vorhalten, indem er zeigt, wie sich das Bild von Flüchtlingen binnen weniger Monate von hilfsbedürftigen Menschen zu wilden Vergewaltigern entwickelt hat.
Witze gegen Minderheiten
Die Intention der Karikatur oder des Witzes ist dann auch entscheidend, um ihn als rassistisch oder progressiv einordnen zu können. "Satire verfolgt meist den Zweck, großen wirtschaftlichen, sozialen oder politischen Institutionen den Spiegel vorzuhalten, um eine kritische Auseinandersetzung über bestehende Machtverhältnisse anzuregen", erklärt man bei der Amadeu-Antonio-Stiftung. Nach wie vor gibt es eine Vielzahl an Gruppen, die diskriminiert werden: Frauen, LGBTQ, ethnische Minderheiten oder religiöse Minderheiten. Geht ein Witz einzig auf Kosten dieser Gruppen, findet keine Auseinandersetzung mit Machtfragen statt, sondern eine Verstärkung der Ressentiments.
Verstärkt Ressentiments
Auch zeigen wissenschaftliche Experimente, dass rassistischer Humor bei Personen, die bereits rassistische Voreinstellungen haben, die Hemmschwelle zu Gewalt sinken lässt. Dasselbe gilt für Sexisten und schwulenfeindliche Personen. Humor ist wohl ein "akzeptabler Weg, um rassistischer zu sein", schreibt die BBC in einer Analyse. So hält sich nach wie vor die These, dass hinter jedem Witz "eine Prise Wahrheit" stecken müsse. Rassistische Vorurteile werden so weitergegeben.
Immer wieder ist in ausländerfeindlichen Foren auch zu lesen, dass "Rassismus gegen Weiße" oder "Sexismus gegen Männer" ja genauso existiere. Der britische Comedian Aamer Rahman hat sich damit in einem Sketch beschäftigt:
Grundsätzlich könne man folgende Nagelprobe anwenden, wenn man sich über etwaigen Rassismus nicht sicher sei, erklärt die Komikerin Ava Vidal im "Telegraph": Man solle sich vorstellen, jemand habe den Witz nicht verstanden und frage nach, was er zu bedeuten habe. Ist die Erklärung dann "Ist ja nur ein Scherz" oder gar rassistisch oder sexistisch, solle man den Witz bleiben lassen. (Fabian Schmid, 25.1.2016)