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Leere Sessel in Brüssel will nicht nur die EU-kritische Ukip ...

Foto: Foto: EPA/ Will Olivier

... das gleiche Ziel haben viele Konservative. Was dann passieren würde, will London nun herausfinden.

Welche Folgen hätte ein Brexit? Beide Seiten der Debatte über Großbritanniens möglichen Austritt aus der Europäischen Union versuchen immer wieder, Antworten auf diese letztlich unbeantwortbare Frage zu geben. Ein Workshop in London, auf dem das Szenario durchgespielt wurde, machte am Montag immerhin eines klar: Auf beiden Seiten würde die Abkehr der fünftgrößten Wirtschaftsmacht der Welt vom größten globalen Binnenmarkt hohe Emotionen freisetzen.

"Eine verheerende Entscheidung, die wir als unfreundlichen Akt wahrnehmen" – der frühere irische Premierminister John Bruton klingt fast, als stehe er kurz vor der Mobilisierung seiner Streitkräfte gegen den großen Nachbarn. Man werde viele Finanzdienstleister nach Dublin holen, gleichzeitig aber auf Zugang landwirtschaftlicher Produkte zum britischen Markt bestehen.

Wohl und Weh für Cameron

Wie gut, dass alles nur ein Spiel ist. Einstweilen jedenfalls. Premierminister David Cameron hat den Briten bis Ende 2017 die Volksabstimmung versprochen, womöglich kommt es schon Ende Juni diesen Jahres zum Urnengang. Der Konservative selbst bezeichnet sich neuerdings gern als überzeugten Europäer und will – anders als mindestens ein halbes Dutzend Kabinettsmitglieder – offensiv für den EU-Verbleib werben. Die Umfragen legen aber nahe: Die Briten könnten für den Brexit stimmen und damit Camerons politische Karriere beenden.

Um dies zu vermeiden, hofft der Premier beim Februar-Gipfel in Brüssel auf Zugeständnisse der Partner. Dies war Grundlage der ersten Hälfte des Planspiels, an dem sich viele prominente Ex-Politiker beteiligten: Unter der Ägide des EU-skeptischen, eng mit der Downing Street verbandelten Thinktanks Open Europe saßen im Veranstaltungszentrum einer früheren Brauerei mitten in der City of London zehn Verhandlungspartner am runden Tisch.

Erklärtes gemeinsames Ziel: Großbritannien im Club zu halten. "Wir wollen Sie dabeihaben, aber nicht um jeden Preis", wandte sich der frühere deutsche Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter an den britischen Vertreter, Ex-Außenminister Malcolm Rifkind.

Und so stritt man sich munter um die Bedeutung der Formel von der "immer engeren Union", um Garantien für die Länder außerhalb der Eurozone, nicht zuletzt um Sozialleistungen für Bürger anderer Mitgliedsstaaten. Für vier Jahre, so sieht es Camerons Plan vor, sollen Neuankömmlinge vom Kontinent von Wohltaten wie dem Kombilohn und vom Kindergeld auf der Insel ausgeschlossen sein.

Unwohlsein der EU-Partner

"Diskriminierung, unmöglich", rufen da die Vertreter Polens, der Niederlande und der EU-Kommission gleichermaßen. Irlands Bruton fasst das Unwohlsein der EU-Partner zusammen: "Können wir sicher sein, dass Sie nicht in zehn Jahren mit neuen Forderungen auf uns zukommen?"

Dieses Problem immerhin bestünde beim Brexit nicht – die Verhandlungen über eine Trennung wären endgültig. Für diesen Teil des Experiments hat Open Europe den früheren Finanzminister und überzeugten Brüssel-Feind Norman Lamont als britischen Vertreter aufgeboten. Sollten ihm seine Landsleute den Wunsch nach dem EU-Austritt erfüllen, will Lamont Großbritannien "nicht als irgendein Drittland" behandelt wissen. Großzügig bietet er weitere Finanzbeiträge an, will im Gegenzug aber den Zugang zum Binnenmarkt erhalten, nicht zuletzt für das Londoner Finanzzentrum.

Prompt wird das bis dahin in freundlichem Tonfall ausgetragene Planspiel doch eher zu einem Wargame, wie die englische Übersetzung lautet. Es gebe "einen großen Unterschied zwischen drinnen und draußen", warnt Italiens Kurzzeit-Premier Enrico Letta. Erst habe man monatelang die britische Folter ausgehalten, klagt Kampeter, und nun, nach der Brexit-Entscheidung, wollten die Briten sich die Rosinen aus dem EU-Kuchen picken. "Das ist nicht akzeptabel." (Sebastian Borger aus London, 26.1.2016)