Der Staat, heißt es, habe das Gewaltmonopol. Sicherheit sei aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, etwas, das "uns" alle angeht. Lassen wir die Frage, wer zu uns gehört und wer nicht, beiseite. Wie sollte Sicherheit als Aufgabe in modernen Gesellschaften wahrgenommen werden? Was verbirgt sich hinter diesem schillernden Begriff, und wie passen die derzeit diskutierten Vorschläge zur Einführung eines Sicherheitsbürgers im Rahmen des sogenannten Community-Policing ins Bild?

Community-Policing – oder in der etwas sperrigen deutschen Übersetzung gemeindenahe Polizeiarbeit – ist ein seit Jahren vieldiskutiertes Konzept. Es steht in einer Reihe mit anderen modernen Ansätzen wie "intelligence led" oder "predictive policing". Und es folgt auf ältere Modelle, bei denen Kriminalitätsbekämpfung als polizeiliche Hauptaufgabe gesehen wurde.

All das stammt, wie die Terminologie andeutet, aus dem angelsächsischen Bereich, und dort herrschen andere Verhältnisse. Der wesentliche Unterschied aber ist, dass die Polizei sich dort auch als sozialer Dienstleistungsbetrieb versteht. Das heißt, dass Polizisten eine Verantwortung gegenüber ihrer Klientel, der "community" haben, dass die Polizei sich der Kritik der Bürger stellen muss, dass sie deren Anliegen ernst zu nehmen hat. Das heißt auch, dass in multiethnischen Polizeibezirken das Personal der Polizei möglichst den ethnischen Mix der Bevölkerung widerspiegeln sollte.

Auf einen Nenner gebracht, geht es darum, die Polizei näher an die Bürger zu bringen – und nicht umgekehrt! Die Idee des Sicherheitsbürgers hat bei Kritikern den nicht unberechtigten Verdacht geschürt, hier solle der Bürger näher an die Polizei herangeführt werden, er solle sein Umfeld mit polizeilichen Augen wahrnehmen und der Polizei berichten. Die Bürger als verlängerter Arm, als zivile Augen und Ohren der Polizei? Dieser Verdacht liegt nahe, wenn man offizielle Verlautbarungen liest.

Community-Policing aber steht für eine andere Philosophie: Sie steht für ein Polizeiverständnis, das den diffusen, niedrigschwelligen, zivilen Kontakt mit den Bürgern fördert. Sie zeichnet das Gegenbild zu einer Polizei, in der Korpsgeist herrscht, die sich als abgeschottete Elite von Kriminalitätsbekämpfern sieht und auf jede kritische Äußerung an ihrer Praxis mit vehementer Ablehnung reagiert. Bürger und Polizei müssen sich auf Augenhöhe begegnen, und als Bürger sind auch jene Personen zu betrachten, die Anlass zu polizeilichem Einschreiten geben.

Gute Polizeiarbeit war immer schon Community-Policing. Der sprichwörtliche und im Rückblick nostalgisch verklärte Dorfgendarm oder Grätzelpolizist hat diese Aufgabe wahrgenommen. Er war vor Ort, hat ausgeholfen und auch mal ein Auge zugedrückt, und mit etwas Glück verfügte er über die natürliche Autorität, die es braucht, um im Fall von Konflikten schlichtend einzugreifen.

Dorthin führt vermutlich kein Weg zurück. Die Aufgabe einer modernen Polizei besteht heute darin, in einer Gesellschaft, die eher ein Patchwork von Minderheiten ist, dafür zu sorgen, dass es mit der Anerkennung von Differenzen klappt und Gewalt in der Auseinandersetzung unter den Bürgern verhindert wird. Das erfordert ein flexibles Handlungsrepertoire und eine zivile Grundhaltung – wenn es dem Fortschritt dient, kann man das auch als Community-Policing bezeichnen. (Reinhard Kreissl, Norbert Leonhardmair, 29.3.2016)