Glam und Glitzer. Matthäus Bär ist Kinderrockstar, bei dessen Musik Eltern nicht gleich schreiend davonlaufen.

Foto: Niko Ostermann

Wien – Musik für Kinder ist sehr oft Musik gegen Eltern. Die meisten Produktionen basieren auf Billigsdorfertechno, lieblos, garniert mit Texten, die sich das Prädikat infantil erst verdienen müssen. Pädagogisch wertlos wäre okay, aber das meiste ist musikalisch irgendwo zwischen Mist und Dreck zu verorten. Dann gibt es noch die singenden Märchenonkel, geschmacksbildnerisch bedenklich, inhaltlich oft nur in Hinblick auf Kevins Albträume verlässlich. Doch es gibt im deutschsprachigen Raum ein paar Ausnahmen und in Österreich immerhin eine: Matthäus Bär. Der 27-jährige Wiener ist Kinderrockstar.

Nach zwei Alben veröffentlicht Matthäus Bär nun eine EP mit dem Titel Nichts für Kinder. Stimmt natürlich nicht, macht die Kinder aber verrückt danach, denn Verbotenes ist bekanntlich sexy, oder, in dem Alter, sechsi. Kommenden Dienstag präsentiert er den Tonträger live im Wiener Wuk.

Matthäus Bär

Kinderrockstar ist natürlich kein Job, den man studiert oder sich auf dem Amtsweg ersitzt, der passiert einem. Im Falle Bärs war es die Freundin, die, angesichts des eigenen Nachwuchses, ihn ermutigte, was für Kinder zu schreiben. "Zuerst habe ich mich gewehrt, hatte Angst, dass bei dem Versuch nur schlechte Tocotronic herauskommen würden." Doch dann ging es ihm plötzlich leicht von der Hand, machte sogar Spaß. Der Ehrgeiz packte ihn: Er wollte ordentlich produzierte Kindermusik machen.

"Wir produzieren unsere Alben so, dass sie im Radio laufen könnten. Mittlerweile habe ich das fast geschafft, aber es ist ein harter Kampf. Natürlich ist es Musik, die zielgruppengerecht ist, zugleich soll sie Erwachsene ansprechen, ohne dass es ihnen die Haare aufstellt." Das Schubladendenken ist dabei das größte Hindernis. Bär arbeitet daran, das zu ändern. "Spielt ein Popstar Kinderlieder, finden das alle süß, umgekehrt geht aber nicht viel, dabei ist zum Beispiel der Bilderbuchsong Softdrink mit Zeilen wie 'Coca Cola, Fanta, Sprite ...' ein Wahnsinnskindersong."

Kinderlieder mit Hirn

Nichts für Kinder wurde gemeinsam mit der Band Polkov aufgenommen und ist der nächste Schritt dieser Bewusstseinsbildung. Eine schlanke Sammlung von fünf Liedern, zart am Schlager und an Chansons angelehnt. Songs wie Kohle oder Honig lassen auch große Kinder schmunzeln. Und aufatmen: endlich Kinderlieder mit Hirn.

Seine Songs sind witzig, oft Alltagsbeobachtungen auf Augenhöhe mit seinem Publikum. Und sie kommen ohne erhobenen Zeigefinger aus. "Wenn ich anfangen würde, Zahnputzsongs zu schreiben, wäre es vorbei. Mir ist es wichtiger, Gefühle zu thematisieren."

Der Zuspruch ist entsprechend. Bär ist ein großer Star bei kleinen Menschen. Seinen alten Job hat er mittlerweile an den Nagel gehängt, Kinderrockstar und One-Man-Labelchef sind Aufgabe genug. Immerhin sind die Arbeitszeiten menschlich, die Konzerttermine familienfreundlich am Nachmittag anberaumt.

Dass seine Shows des richtigen Ambientes bedürfen, hat er auf die harte Tour gelernt. "Am besten funktioniert es im klassischen Clubrahmen. Das Publikum muss den Bühnenstaub riechen können, soll sich auf die Konzertsituation einlassen."

Fanpost und Autogramme

Vor dieser Einsicht trat Bär noch bei Großveranstaltungen auf, bei denen es eher um Krapfen und Luftballons als um Musik ging. Oder er ließ sich als Exote buchen. "In Oberösterreich war ich einmal in einem Jugendclub als Mitternachtseinlage bei einem Faschingsfest gebucht. Das ging nicht gut." Beim Versuch, das Publikum miteinzubeziehen, erntete er bloß die Antwort: "Du Hurensohn, verschwind!" Bierbecher flogen, Konzertabbruch, Flucht durch den Hinterausgang.

Bär lacht, wenn er das erzählt. Kann er, denn mittlerweile folgt auf die Ankündigung "Matthäus Bär" im Publikum die Reaktion "Oh yeah!" Er tritt in Bühnegarderobe auf, Glamrock für Kinder. Der Glitzer ist wichtig, er ist schließlich im Showbiz, ein Entertainer. Eltern fragen ihn um Autogramme, Kinder schicken Fanpost, das schmeichelt dem Star.

Dass der auch einmal privat unterwegs ist, wird von seinem Publikum gern akzeptiert. "Lustig ist, dass die Bühnenfigur schon bei den Kleinsten funktioniert. Da fragen die Freunde meiner Tochter nicht, wann hast du wieder ein Konzert, sondern, wann hat Matthäus Bär wieder ein Konzert?" (Karl Fluch, 30.3.2017)