Wien – Ein junger Mann steht hinter der Theke eines kleinen Shops. Ihm gegenüber ist ein Regal. Darauf liegt ein Tablett mit Krapfen, ein paar Wecken dunkles Brot, einige Semmeln und gefüllte Naschereien befinden sich in kleinen Körbchen daneben. Der Mann macht Kaffee und packt die Waren in Papier ein. Eine Kassa gibt es in dem Laden nicht. "Im Gefängnis gibt es kein Geld", sagt er. Will man in der unscheinbaren Bäckerei im Hof vor dem Block des gelockerten Vollzugs etwas erstehen, braucht man einen Chip – und den gibt es nur, wenn man in der Justizanstalt Simmering arbeitet. Durch den kleinen Raum gelangt man in einen größeren. Die jungen Männer, die hier an den Metalltischen Teig kneten, hatten alle Probleme mit dem Gesetz.

Im Bäckerei-Shop kann man nur als Angestellter der Justizanstalt einkaufen. Geld gibt es im Gefängnis nicht.
Foto: Christian Fischer

In der Bäckerei riecht es nach frischem Brot und Semmeln. "Ich liebe den Geruch", sagt Paul*. Der Oberösterreicher ist im dritten Lehrjahr, die ersten beiden Ausbildungsjahre hat er "draußen" absolviert. Eigentlich aus der Not heraus: "Ich habe keinen Job gefunden." Sein Vater hat ihn darum zum Backen gebracht. "Der Opa war schon Bäcker, der Papa auch", sagt Paul. 2012 nahm seine Karriere aber ein vorläufiges Ende. Wegen eines versuchten Raubüberfalls auf eine Tankstelle fasste er eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten aus und wurde in der Anstalt Stein untergebracht.

Im März 2016 wurde Paul nach Simmering verlegt, wo er sich um einen Ausbildungsplatz beworben hatte. "Wenn die Qualifikationen passen, dann hat man ein Gespräch mit der Frau Pils", erinnert er sich. Ulrike Pils ist Leiterin des pädagogischen Dienstes in der Justizanstalt Simmering und für die Aus- und Weiterbildung im Gefängnis zuständig. Die Voraussetzungen für die Teilnahme an der Facharbeiterintensivausbildung sind, dass die restliche Strafzeit unter drei Jahren liegt und die körperliche und geistige Eignung.

Schlechte Bildung

Das größte Problem sei, dass das Gros der Insassen keine gute Ausbildung habe, erzählt Pils. Das mache den Wiedereinstieg nach dem Gefängnis schwer, durch die Fortbildung hätten sie jedoch etwas zu tun, was ihnen auch später nützt.

Acht bis zehn Tonnen Gebäck backen die Lehrlinge monatlich in der Justizanstalt Simmering.
Foto: Christian Fischer

Das war auch Christian Benesch vor rund acht Jahren wichtig. Der Justizwachebeamte hatte eine Ausbildung zum Bäcker und Konditor absolviert, sattelte dann um und ging in den Bundesdienst. Seit 31 Jahren leistet er diesen in der Justizanstalt Simmering. 2002 übernahm er die Bäckerei, damals für die Versorgung der Anstalt zuständig. "Wir haben ein Weiß- und ein Schwarzbrot gebacken, und wenn es Chili con Carne gegeben hat, dann auch Gebäck."

Mehr als Semmeln

Benesch wollte mehr machen, er erarbeitete ein Konzept für die Lehrausbildung. Heute backen bis zu zehn Lehrlinge nicht nur Brot und Semmeln für sechs Gefängnisse und einen Teil des Landesgerichts. Zu den acht bis zehn Tonnen Gebäck, die pro Monat gefertigt werden, kommen Mehlspeisen und Salzteigwerke. "Mit unserer Ausbildung fahren wir ein sehr hohes Level", sagt Benesch. Bei Wettbewerben wurden seine Lehrlinge schon öfters Bundessieger. Bei der anonymen Qualitätskontrolle erreichen die Naturteigbrote, so Benesch, jedes Mal mindestens 19 von 20 Punkten: "Die Lehrlinge lernen brav, haben Zeit und sind engagiert."

Wie in der Privatwirtschaft treten auch die Lehrlinge der Justizanstalt zur Abschlussprüfung an – es sei die gleiche wie für Personen in Freiheit, sagt Pils. Rund 98 Prozent bestehen die Prüfung.

Acht Berufe zur Auswahl

Die Facharbeiterintensivausbildung gibt es seit 1978 in der Justizanstalt Simmering. Die Beamten, die in den Lehrbetrieben acht Berufe ausbilden, sind in den jeweiligen Feldern ausgebildet und verfügen über eine Lehrlingsausbildnerprüfung. Als Erstes starteten die Ausbildungen zum Bäcker, Maler und Tischler – der Bäckerberuf wurde später einige Jahre ausgesetzt. In den 1980er-Jahren kamen Maurer, Spengler und Metallarbeiter hinzu. 15 Monate dauert die Intensivausbildung.

Die Lehrlinge versorgen in ihrer Ausbildung das Gefängnis: So kümmern sich die Maler um den Neuanstrich des Gebäudes, die Metallarbeiter schweißen etwa die Blumentröge, Geländer und auch die Zellentüren und Stockbetten der Insassen. Weil es für die Spengler in der Justizanstalt nicht besonders viel zu tun gibt, übernehmen sie auch Aufträge "draußen", wie sie erzählen. Aber auch sonst gibt es Bestellungen. Im Hof wird etwa die Anzeigetafel eines kleinen Fußballvereins lackiert. Der Auftraggeber ist der Bekannte eines Wachmanns.

Kochen für die Anstalt

Seit 2000 gibt es zudem die Ausbildung zum Koch und Restaurantfachmann. Peter* ist einer von vier Köchen. Er steht in der Angestelltenkantine am Herd. Auch bei Peter hat der Tankstellenüberfall nicht geklappt. "Wir kochen jeden Tag Suppe, ein Fleisch- und ein vegetarisches Gericht und Nachspeise", sagt er. Am liebsten ist ihm österreichische Küche. "Ich koste beim Abschmecken." Essen muss Peter, wie die anderen Häftlinge, die Gerichte aus der Insassenkantine. Wenn Peter in drei Jahren "raus" kann, will er eine Ausbildung zum Diätkoch machen und im Altersheim arbeiten.

Salzteig muss gelernt sein – er ist schließlich Prüfungsstoff.
Foto: Christian Fischer

Wo Peter und Paul ihre Lehre absolviert haben, wird ihr späterer Arbeitgeber nicht wissen. "Aus dem Lehrabschlusszeugnis geht nicht hervor, dass die Strafgefangenen die Ausbildung in Haft absolviert haben", sagt Pils. Die Lehre sei die gleiche wie draußen, sagt Bäckerlehrling Paul. Einen Unterschied gibt es: Neben der Tür liegen zehn Messer. Fehlt eines, werden die Häftlinge nicht entlassen. (Oona Kroisleitner, 21.4.2017)