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Da das menschliche Gewebe auf hochenergetische Druckwellen reagiert, können diese für therapeutische Zwecke eingesetzt werden – im Bild eine lichtmikroskopische Aufnahme eines Muskels und eines Nervenstrangs.

Foto: Picturedesk / Science Photo Library / University of Queensland / John Griffin

Wien – Wer schon einmal an einem Tennisellenbogen, einer Kalkschulter, einem Fersensporn oder sonstigen schmerzhaften Sehnenansatzbeschwerden gelitten hat, kennt die lindernde Wirkung der Stoßwellentherapie wahrscheinlich. Dass die hochenergetischen Druckwellen bei solchen Beschwerden helfen und auch bei schlecht heilenden Knochenbrüchen erfolgreich eingesetzt werden können, weiß man seit Jahren. Wie und warum diese Therapie wirkt, ist jedoch noch nicht vollständig bekannt.

Am Institut für Biochemical Engineering der Fachhochschule Technikum Wien wird nun erforscht, welche Abläufe von der Stoßwellentherapie im menschlichen Gewebe ausgelöst werden. "Wenn man weiß, wie die Heilungsprozesse im Gewebe ins Rollen gebracht werden, könnte die Stoßwellentherapie künftig noch gezielter und für viele weitere Krankheitsbilder eingesetzt werden", sagt Andreas Teuschl, Leiter des Stadt-Wien-Kompetenzteams "Signal Tissue".

Signalmoleküle

So wird das Potenzial dieser Therapie beispielsweise auch für die Behandlung nach Herzinfarkten oder von peripheren Nervenläsionen etwa durch Verletzungen an den Extremitäten untersucht.

"Erste Ergebnisse zeigten, dass die Stoßwelle im Gewebe eine biologische Antwort auslöst", sagt Teuschl. Was genau dabei im Gewebe vor sich geht, lag bislang im Dunkeln. Nun ist es Teuschl und seinen Kolleginnen Anna Weihs und Christiane Fuchs gelungen, erste Einblicke in diesen durch die Stoßwellentherapie angeregten Selbstheilungsprozess des Körpers zu gewinnen. "Wir haben einen der ersten von der Stoßwelle ausgelösten Stimuli im Labor untersucht", so Weihs. "Es handelt sich dabei um die Freisetzung bestimmter Signalmoleküle, die für weitere Prozesse wie etwa die Förderung des Zellwachstums oder die vermehrte Neubildung von Blutgefäßen essenziell sind."

Im Rahmen des bis 2019 laufenden "Signal Tissue"-Projekts wollen die Forscher den gesamten Prozess vom Stimulus über seine intrazelluläre Weiterverarbeitung bis hin zur Auslösung des erwünschten Effekts aufklären. Die Sache ist komplex, auch weil die Stoßwelle viele Wirkungen haben kann. "Deshalb ist die Therapie auch in vielen verschiedenen Bereichen einsetzbar", sagt Weihs.

Eine wichtige Rolle in diesem Projekt spielen Biomaterialien, wie etwa das für die Blutgerinnung erforderliche Fibrin, sowie Bioreaktoren, die unterschiedlichste Zustände im Gewebe simulieren können. So wird an der FH Technikum Wien beispielsweise muskelähnliches Gewebe aus tierischen Zellen gezüchtet, das in Fibrin eingebettet und in einem Bioreaktor "trainiert" wird.

Offene Fragen

Wie im Körper werden die Zellen dort mechanisch stimuliert, sodass sich muskelähnliches Gewebe bildet. "Interessant für uns ist vor allem, dass sowohl durch die Stoßwelle als auch durch den Bioreaktor ähnliche Signalwege aktiviert werden", so Fuchs.

Die offene Frage dabei: Welchen Einfluss haben Biomaterialien und mechanische Stimuli auf diese Wege? "Erst wenn man versteht, welche Signale man mit dem Bioreaktor ein- und ausschaltet, können diese Vorgänge optimal geregelt werden." Das neue Wissen um die von der Stoßwelle ausgelösten Signalwege könnte auch bei der Biomaterialproduktion im Bioreaktor wertvolle Dienste leisten.

"Eines unserer Ziele ist es, die Stoßwelle, die das Zellwachstum nachweislich beschleunigt, in Kombination mit den Bioreaktoren einzusetzen, um so schneller 'reiferes' Gewebe zu generieren", sagt Fuchs. Die Erforschung der molekularen Vorgänge bei der Gewebebildung und -regeneration liefert die Grundlagen für verbesserte Lösungen in der regenerativen Medizin und der Geweberegeneration. Da an der FH Technikum Wien das Master-Studium "Tissue Engineering and Regenerative Medicine" angeboten wird, können die Erkenntnisse auch gleich an die Studierenden weitergegeben werden. Dieses Wissen soll den Ersatz beziehungsweise die Regeneration von geschädigtem Gewebe durch künstlich hergestellte Biomaterialien ebenso verbessern wie die Behandlung diverser Erkrankungen. (Doris Griesser, 26.6.2017)