Maria Vassilakou hat selbst "Klarheit" geschaffen und die Vertrauensfrage an die Grünen gestellt. 75 Prozent stehen weiter hinter ihr.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

David Ellensohn will mehr Mitbestimmung der Mitglieder.

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Wien – Am Ende konnte sich Maria Vassilakou freuen. Mit 75 Prozent Zustimmung holte sich Wiens Vizebürgermeisterin und Planungsstadträtin am Wochenende die Bestätigung der grünen Landesversammlung, zu bleiben. Die Vertrauensfrage musste sie allerdings selbst stellen, denn kurz vor der Abstimmung zogen die grünen Parteirebellen ihren lange angekündigten Antrag auf einem "geordneten Rückzug" der Grünen-Chefin zurück. Um "für die Öffentlichkeit und für die Grünen Klarheit zu schaffen, habe ich mich dazu entschlossen, die Vertrauensfrage zu stellen", sagt Vassilakou dem STANDARD am Sonntag. "Ich bin froh, dass wir jetzt Klarheit darüber haben, welchen Weg die Mehrheit der Wiener Grünen gehen möchte. Und ich bin froh darüber, dass ich das Vertrauen habe, diesen Weg mitzugehen."

Mit rund 75 Prozent fuhr Vassilakou dasselbe Ergebnis ein, das sie auch nach der Wienwahl 2015 als Bestätigung als Planungsstadträtin von den Grünen bekam. Das bedeute aber nicht, dass sie "einzementiert" sei, so Vassilakou.

Einzementiert ist seit Samstag offenbar gar nichts mehr. Die große Mehrheit der Grünen sprach sich in ihrem Leitantrag für einen Erneuerungsprozess der Stadt partei aus – inhaltlich, strukturell sowie personell. "Alle sind alle, da kann sich niemand ausnehmen", sagt der grüne Klubchef im Rathaus David Ellensohn im Gespräch mit dem STANDARD. So stünde auch seine Position seit der Versammlung zur Disposition.

Was wurde falsch gemacht?

In der ersten Jahreshälfte 2018 müssten die Grünen nun darüber beraten, wo es mit ihnen hingehen soll. Danach sollen die Beschlüsse dazu gefällt werden. Die Frage für Ellensohn ist dabei: "Was haben wir falsch gemacht, dass zwei Drittel der Wähler nicht mehr dabei sind?" Aber auch: "Sind unsere Strukturen noch die richtigen?"

Beantworten könne er dies noch nicht, helfen wolle er in der Strukturdebatte rund um die basisdemokratische Ausrichtung der Partei. "Keine Tabus bedeutet, dass es wirklich keine Tabus gibt. Das betrifft auch den Grundsatz der Basisdemokratie", sagt der Klubsprecher. In der grünen Partei gebe es Stimmen, die ein Problem der Listenerstellung darin sehen, dass zu viele Menschen mitreden könnten. Dem widerspreche er: "In Österreich krankt es nicht an zu viel, sondern an zu wenig Demokratie." Dass knapp ein Viertel der Wiener nicht wahlberechtigt sind, verdeutliche das Defizit. "Wir müssen schauen, dass so viele wie möglich mitbestimmen. In der Stadt und auch bei den Grünen."

Corbyn in Grün

So will Ellensohn die basisdemokratischen Strukturen nicht abschaffen, sondern modernisieren und ein Modell zur Wahl von Spitzenpositionen vorlegen. Dieses lehne sich stark an dem Wahlsystem innerhalb der britischen Labour Party an. "Ich nenne es das Corbyn-Modell", sagt Ellensohn.

Jeremy Corbyn wurde 2015 in einer Urwahl von 600.000 Labour-Mitgliedern und weiteren Unterstützern als Parteichef bestimmt. Innerhalb eines Jahres konnte die Partei hunderttausend neue Mitglieder verzeichnen. "Es müssen ja nicht alle im selben Raum sein, wenn die Liste bestimmt wird, das kann man auch anders organisieren", sagt Ellensohn. Er wünsche sich für die Grünen "mehr Leute, die mittun".

Ellensohn erwartet jedoch, dass die Grünen aus einer Fülle an Modellen, die in den kommenden Monaten vorgestellt werden, auswählen könnten. "Es ist ein Prozess. Wichtig ist, dass am Schluss starke Grüne stehen."

Und das brauche es nun dringend in Wien. "Es ist keine Kleinigkeit, aus dem Parlament zu fliegen, sondern eher eine mittlere bis große Katastrophe." Türkis-Blau im Bund müsse man nun ein starkes, soziales rot-grünes Wien entgegenstellen. Das heiße auch, dass die Grünen "nicht die ganze Energie nach innen verbrauchen" dürfen. Sondern sich darüber klar werden müssen, wofür man stehe und was man transportieren müsse. Für den Klubchef ist klar: "Jeder Mensch muss die gleichen Chancen haben, und es müssen für alle dieselben Regeln gelten."

Auszeit für fehlendes Feuer

Das bedeute, dass Bildung nicht am Geld der Eltern hängen soll, es keinen Unterschied machen dürfe, wo die Menschen geboren sind, und dass Frauen und Männer gleich viel verdienen müssen. "Dafür brennen wir Grünen. Wer das nicht tut, soll sich eine Auszeit nehmen und wiederkommen, wenn er wieder Feuer dafür hat." "Zweifler", die das nicht unterschreiben könnten, sollten "etwas anderes machen".

Dass der grüne Landessprecher Joachim Kovacs bei der Landesversammlung stärkere Abgrenzung zum roten Koalitionspartner gefordert hat, sieht Ellensohn gelassen. "Es geht nicht darum, sich abzugrenzen, sondern zu zeigen, wofür man steht." Sowohl Kovacs als auch Ellenson werden immer wieder als mögliche Nachfolger Vassilakous bei der Wienwahl 2020 gehandelt. (Oona Kroisleitner, 26.11.2017)