Alex Jürgen möchte mit "Herm" angesprochen werden.

Foto: Andreas Krenn

Wien/Linz – Vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ist Alex Jürgen im Oktober 2016 mit seinem Antrag auf Eintrag eines dritten Geschlechts im Personenstandsregister noch abgeblitzt. Die Gesamtrechtsordnung gehe davon aus, dass jeder Mensch entweder weiblich oder männlich ist, lautete damals die Begründung. Mit seiner Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) war Jürgen jetzt deutlich erfolgreicher.

Konkret äußerte der VfGH in seinem Prüfungsbeschluss vom 14. März Bedenken, dass es gegen den grundrechtlichen Schutz der Privatsphäre (Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention) verstoßen könnte, wenn es nur die Möglichkeit gibt, das Geschlecht weiblich oder männlich anzugeben. Eine Entscheidung des Gerichtshofs über diese Frage sei "in einer der nächsten Sessionen" zu erwarten, hieß es am Montag seitens des VfGH.

Outing im Jahr 2004

Es ist dies ein Etappensieg im Ringen um die eigene Identität. Doch Alex Jürgen hat Übung darin. Der Kampf dauert bereits sein halbes Leben an – zuerst im Stillen, ab 2004 dank Outing öffentlich. Alex Jürgen fühlt sich weder als Mann noch als Frau und ist nach medizinischen Normvorstellungen weder männlich noch weiblich.

Seit zehn Jahren lebt der Steyrer als intergeschlechtliche Person. Das Geburtenregister weist "ihn" als Mann aus, andere Schriftstücke als Frau. Primär liegt der Grund für den Gang vor den Kadi in der Weigerung der Beamten am Standesamt Steyr, dem Antrag Jürgens, im Personenstandsregister (PStG) das Geschlecht neutral zu formulieren, Folge zu leisten.

Blick auf soziale Realität

Das Personenstandsgesetz sieht vor, dass das Geschlecht bei der Eintragung von Geburt, Eheschließung, Begründung einer eingetragenen Partnerschaft und Tod in das Zentrale Personenstandsregister einzutragen ist. Zwar werden die Kategorien für diese Eintragung nicht vorgegeben. Der VfGH geht in seinem Prüfungsbeschluss jedoch davon aus, "dass die Regelungen des PStG 2013 vor dem Hintergrund der in der Rechtsordnung (auch) sonst vorherrschenden Kategorisierung des ,Geschlechts' in ,weiblich' und ,männlich' und einer sozialen Realität zu sehen sind, die Menschen (unter anderem) auch wesentlich mit ihrem Geschlecht wahrnimmt und dabei (immer noch) überwiegend von einer binären Zuordnung in Menschen männlichen oder weiblichen Geschlechts ausgehen dürfte".

Und der VfGH verweist auch darauf, dass die Geschlechtsmerkmale eines Menschen durch eine "atypische Entwicklung des chromosomalen, anatomischen oder hormonellen Geschlechts" gekennzeichnet sein können, "sodass die Geschlechtsentwicklung mancher Personen Varianten aufweist, die die Einordnung als männlich oder weiblich nicht eindeutig zulassen". Solche Menschen dürften eine besonders verwundbare Gruppe darstellen.

Computerprogramm kennt nur zwei Optionen

Bei der Bezirkshauptmannschaft Steyr verzichtete man bislang auf eine erhöhte Sensibilität. Im LVwG-Verfahren führte ein Behördenvertreter aus, dass das Computerprogramm des Innenministeriums nur männlich oder weiblich vorsehe: "Kreuzt man nichts an, kann der Akt nicht abgeschlossen werden."

Bei einem Treffen vor gut zwei Jahren stellte Alex Jürgen im Gespräch mit dem Standard klar, dass es nicht nur um seinen Fall gehe: "Es muss endlich Schluss damit sein, dass man versucht, Kinder operativ an gesellschaftlichen Rollenbilder anzupassen. In der Tierwelt hat man auch keine Probleme damit. Oder jagt jemand einer Schnecke hinterher und versucht ihr was abzuschneiden? Und bei Fischen wird applaudiert, wenn sie spontan das Geschlecht ändern." (Markus Rohrhofer, 19.3.2018)