Nach dem Verschwinden des saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi in Istanbul wächst der Druck auf US-Präsident Donald Trump. Im US-Kongress mehren sich Stimmen, die ihm nahelegen, den Schmusekurs gegenüber dem Königshaus in Riad zu beenden.

Eine Überwachungskamera vor dem saudischen Konsulat in Istanbul: Hat die Türkei tatsächlich Aufnahmen, die Khashoggis Verhör, Folter und Ermordung dokumentieren?
Foto: AFP / Ozan Kose

Es ist Bob Corker, ein moderater Republikaner, der am schnörkellosesten beschreibt, welche Beziehungskrise zwischen den USA und ihrem ältesten Verbündeten in der arabischen Welt heraufziehen könnte. Das Maß an Verständnis, das man Saudi-Arabien im Kongress entgegenbringe, sei auf einen historischen Tiefpunkt gesunken, warnt der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses des Senats. Sollte sich bewahrheiten, dass Khashoggi im Auftrag des Königreichs umgebracht wurde, "fahren wir über die Klippe".

Brief an den Präsidenten

22 Senatoren, Demokraten wie Republikaner, haben mit einem Schreiben an Trump einen Prozess eingeleitet, der mit Sanktionen enden kann. Demnach muss der Präsident innerhalb von 120 Tagen geklärt haben, was Khashoggi widerfuhr, als er das Generalkonsulat Saudi-Arabiens in Istanbul aufsuchte, da er Dokumente brauchte, um seine türkische Lebensgefährtin heiraten zu können. Kommen die Ermittler zu dem Schluss, dass er ermordet wurde, hat Trump zu entscheiden, ob Strafmaßnahmen folgen.

Die Senatoren berufen sich bei ihrem Vorstoß auf den Magnitsky Act – ein Gesetz, das 2012 verabschiedet wurde, nachdem der russische Anwalt Sergej Magnitski unter dubiosen Umständen im Gefängnis gestorben war. Zunächst nur mit Blick auf Russland beschlossen und später erweitert, ermöglicht es die Novelle, Menschenrechtsverletzungen in aller Welt durch gezielte Strafen gegen die Verantwortlichen zu ahnden.

Existieren Aufnahmen?

Obwohl es noch keine Beweise gibt, sehen es die meisten im Kongress so wie Corker: Er sagt, nach allem, was er bisher wisse, führe die Spur nach Riad. Nach einem Bericht der Washington Post, für die Khashoggi regelmäßig Kolumnen verfasste, beweisen Tonaufnahmen, dass der 59-Jährige im Konsulat erst verhört, dann gefoltert und schließlich getötet wurde. Ankara habe Washington im Vertrauen darüber informiert, schreibt die Zeitung, scheue jedoch davor zurück, den Mitschnitt publik zu machen. Man wolle nicht aller Welt vor Augen führen, dass man diplomatische Vertretungen abhöre. Riad erklärte, gemeinsame Ermittlungen mit der Türkei zu begrüßen. Eine Delegation des Königreichs traf zu Gesprächen mit der türkischen Regierung in Ankara ein. Trump kündigte an, mit König Salman "bald" telefonieren zu wollen.

Wie immer es ausgeht: Einmal mehr steht Trump in der Kritik, weil er skrupellosen Autokraten Komplimente macht, während er die Alliierten in Europa und Kanada verprellt. Hinzu kommt der Vorwurf naiver Blauäugigkeit – ein Vorwurf, der sich vor allem gegen seinen Schwiegersohn Jared Kushner richtet. Beim Ex-Immobilienunternehmer, heute Berater im Weißen Haus, laufen die Fäden der US-Nahostpolitik zusammen. Sein Name steht für einen strategischen Schwenk.

Hatte Barack Obama noch versucht, die Balance zwischen Saudi-Arabien und Iran zu finden, so setzt Trump auf Anraten seines Schwiegersohns wieder alles auf die saudi-arabische Karte. Auch um den Richtungswechsel zu untermauern, knüpfte Kushner enge Kontakte zu Mohammed bin Salman, dem Kronprinzen, in dem er einen Hoffnungsträger sah, einen Reformer, der zudem die Sprache des Westens verstand. Sollte sich herausstellen, dass MbS, wie nicht nur die Amerikaner den Thronfolger nennen, eine Schlüsselfigur der Causa Khashoggi ist, stünde Kushner vor einem politischen Scherbenhaufen.

DER STANDARD

Schlüsselrolle für Kushner

Er war es, der seinen Schwiegervater überredete, auf seiner ersten Auslandsreise nach Riad zu fliegen. Damals, im Mai 2017, wurde Trump von seinen Gastgebern nicht nur mit feierlichen Säbeltänzen geehrt; er brachte auch ein Rüstungsgeschäft unter Dach und Fach, das zu den lukrativsten der US-Geschichte zählt: Waffenexporte im Wert von 110 Milliarden Dollar. Nun verlangen prominente Demokraten, die Lieferungen auszusetzen, bis der Fall Khashoggi geklärt ist, und sie generell auf den Prüfstand zu stellen.

Trump hält nichts von der Idee: "Es gefällt mir nicht, massive Geldströme zu stoppen, die in unser Land fließen." Zudem hätte Saudi-Arabien mindestens zwei Alternativen: Russland und China. Sollte es seine Waffen in Zukunft in Moskau oder Peking bestellen, wäre das für ihn schlicht nicht akzeptabel. (Frank Herrmann aus Washington, 12.10.2018)