Wien - Was vergangenes Jahr weltweit als Pandemie rund um die Welt ging, wird in der wieder saisonalen Virus-Grippesaison von 2010/2011 - wahrscheinlich - zur "Routine": die "Schweinegrippe" A (H1N1) dürfte dominant sein, aber auch H3N2-Stämme könnten für Probleme sorgen. Aber "Nix is fix", auf jeden Fall sollte man sich impfen lassen, betonten Donnerstagabend österreichische Experten bei einem Hintergrundgespräch der Österreichischen Apothekerkammer in Wien.

"Es war ein neues Virus. Es war eine Pandemie. Aber Schweinegrippe selbst verlief offenbar zumeist weniger schwer als sonst die saisonale Influenza. Erwischt aber hat es in der Saison 2009 die Jungen. Die Krankenhaus- und die Sterbefälle fanden unter den 25- bis 44-Jährigen statt", sagte der Wiener Infektiologe Christoph Wenisch. Was in den kommenden Wochen und Monaten geschehe, sei noch nicht klar. Anzunehmen ist, dass die saisonale Influenza wieder erst zu Beginn des nächsten Jahres auftauchen wird. Das Schweinegrippe-Virus hat offenbar andere H1N1-Viren verdrängt. In der Impfstoffformulierung für 2010/2011 finden sich Antigene der Influenza Viren A/Kalifornien/7/2009 (H1N1-ähnlich), A/Perth/16/2009 (H3N2-ähnlich) und schließlich gegen die Influenza B (B/Brisbane/60/2008-ähnlich).

Impfung bringt Kosteneinsparung

Möglichst viele Menschen sollten sich gegen die Influenza impfen lassen. Wenisch: "Österreich, Tschechien und Polen sind bekannt dafür, dass sie nichts tun. Da sind wir im absoluten Schlussfeld." So ließen sich in den vergangenen Jahren nur rund zehn Prozent der Erwachsenen gegen die Influenza immunisieren, in der Altersgruppe über 60 nur 37 Prozent. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fordert eine Durchimpfungsrate bei älteren Menschen von 75 Prozent. Eine neue Kosten-Nutzen-Abschätzung für Österreich zeigt, dass es pro geimpfter Person zu einer Kosteneinsparung von 60 Euro kommt. Pro verhinderter Erkrankung kommt es zu einer Ersparnis von rund 400 Euro, pro vermiedener Spitalsaufnahme zu einer Ersparnis von rund 25.000 Euro.

Der Wiener Infektiologe, der Grazer Hygieniker Egon Marth und Baxter-Impfstoffentwickler Otfried Kistner traten auch "Verschwörungstheorien" und mittlerweile faktisch widerlegten Behauptungen entgegen, wonach die "Schweinegrippe"-Pandemie bloß ein Industrie- und Medien-Hype gewesen und die Impfstoffindustrie trotz aller Bemühungen zu spät gekommen sei. Kistner: "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht." Aber die WHO hätte offenbar nicht rechtzeitig die Produktion des saisonalen Impfstoffs gestoppt und die Hersteller sofort zur Produktion der Pandemie-Vakzine aufgefordert. Die Behörden hätten für die Zulassung der Impfstoffe nicht - wie angekündigt - bloß wenige Tage gebraucht, sondern sich Wochen bis Monate Zeit gelassen.

Abgestimmt auf die Vogelgrippe

Prinzipiell sei die Ausrufung der Pandemie durch die WHO richtig gewesen, so Marth. Aber man werde wahrscheinlich auch die Schwere des Verlaufs in die Klassifizierung aufnehmen. Die Planungen für eine Influenza-Pandemie seien eben vor allem auf die "Vogelgrippe" (H5N1) mit einer Todesrate von bisher 60 Prozent abgestimmt gewesen. Der Hygieniker: "Aber bisher haben nur H1, H2 und H3-Influenzaviren zu großen Epidemien geführt." Das war auch der Grund, warum bei der Schweinegrippe-Pandemie ältere Menschen, die offenbar schon Kontakt mit ähnlichen Viren gehabt hatten, nicht so schwer betroffen waren. Sie waren teilweise geschützt.

Weiterhin gut wirken würden auch die Influenza-Medikamente Zanamivir ("Relenza") und Oseltamivir ("Tamiflu"), so Wenisch: "Frühe Gabe, gute Wirkung. Eine Oseltamivir-Behandlung bringt um 90 Prozent weniger Pneumonien, um das 24.000-Fache weniger Sterblichkeit. Aber nur zehn Prozent der (Schweinegrippe-)Influenza-Patienten, welche auf eine Intensivstation kamen, waren zuvor innerhalb von 48 Stunden nach Auftreten der Symptome damit behandelt worden." (APA)