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Aus heutiger Sicht ist noch nicht absehbar, für wen es teurer wird.

Foto: APA/dapd/Jens Schlüter

Wegen ihrer durchschnittlich höheren Lebenserwartungen mussten Frauen bislang häufig höhere Versicherungsprämien zahlen als Männer, dafür kamen sie bei Kfz-Versicherungen günstiger weg. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH) sieht darin klar eine Form der Diskriminierung und empfiehlt sogenannte Unisex-Tarife. Welche Auswirkungen diese Empfehlung auf Konsumenten und Anbieter haben könnte, erklärt Dagmar Hauser vom Verband der Österreichischen Versicherungen.

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derStandard.at: Kommt das EuGH-Urteil überraschend?

Dagmar Hauser: Keiner wusste im Vorfeld, in welche Richtung das Urteil gehen würde.

derStandard.at: Als Umsetzung der Unisex-Tarife wird der 21. Dezember 2012 genannt.

Hauser: Dieses Datum ist alles andere als fix. Wir müssen zuerst den Bericht der EU-Kommission in den nächsten Wochen abwarten. Das EuGH-Urteil interpretiert lediglich die Gesetzgebung. Wie diese national umgesetzt werden soll, liegt an Brüssel. Mit anderen Worten: Das EuGH-Urteil heißt nicht, dass mit Stichtag 21.12.2012 die Versicherer die Unisex-Tarife anbieten müssen. Es liegt an der EU-Kommission, Vorschläge für risikogerechte Prämien-Gestaltung zu erarbeiten, das heißt, es gilt abzuklären, wie man dieses Urteil nun leben soll.

derStandard.at: Wird sich die Umsetzung dieser gleichgeschlechtlichen Tarife von Land zu Land unterscheiden?

Hauser: Es wird zuerst einen Vorschlag von der EU-Kommission geben. Danach stellt sich die Frage, ob es sich um eine Richtlinie oder eine Verordnung handelt. Im Falle einer Richtlinie ist diese sofort mit einer verbindlichen Frist umzusetzen, während eine Verordnung direkt anwendbar ist. Anschließend muss diese auf nationaler Ebene in einem Bundesgesetz Niederschlag finden. Man kann also momentan noch nicht abschätzen, ob die künftigen Regelungen von Land zu Land unterschiedlich sein werden.

derStandard.at: Besonders deutlich zeigt sich die Diskriminierung von Frauen bei Lebensversicherungen ...

Hauser: Es gibt viele Beispiele. Der Verband der Österreichischen Versicherungen hat zwar keinerlei Informationen über die Tarifausgestaltung der Unternehmen, Tatsache ist allerdings, dass bei den Lebensversicherungen das Langlebigkeitsrisiko gilt - Frauen leben statistisch gesehen nun einmal länger. Bei den Krankenversicherungen findet sich oft das Schwangerschaftsrisiko. Manche Kfz-Versicherer dagegen bieten beispielsweise einen Lady-Bonus oder Unfallversicherungen Rabattierungen für Frauen an.

derStandard.at: Werden mit der Umsetzung der Gleichbehandlung die Tarife allgemein steigen?

Hauser: Es werden sicher Veränderungen in der Tarifgestaltung stattfinden. Allerdings ist es zu früh zu spekulieren, wie diese aussehen könnten.

derStandard.at: War das EuGH-Urteil zur Diskriminierung nicht hoch an der Zeit?

Hauser: Das ist schon fast eine philosophische Frage. Wertet man die unterschiedliche Tarifausgestaltung überhaupt als Diskriminierung? Versicherung beruht auf einer Versicherten-Gemeinschaft, in der jeder ein Risiko zu tragen hat. Je mehr Leute Risiko tragen, desto eher wird das Versicherungsprinzip überhaupt möglich. So gerne der Konsument es möchte, aber es ist definitiv verfrüht, Aussagen darüber zu treffen, für wen es teurer und für wen es günstiger wird. (Sigrid Schamall, derStandard.at, 1.3.2011)