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Jean Ziegler 2008 bei einer UN-Pressekonferenz zur Nahrungskrise

Foto: APA/epa/Salvatore Di Nolfi

Salzburg - Das Land Salzburg hat Jean Ziegler, der als Redner bei der Eröffnung der Salzburger Festspiele 2011 vorgesehen war, wieder ausgeladen,  berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) am Dienstag. Der Schweizer Soziologe, Globalisierungskritiker, Sachbuchautor und Politiker Jean Ziegler steht seit einigen Jahren wegen einer angeblichen Nähe zu Libyens Diktator Gaddafi immer wieder in der Kritik.

Die Salzburger Festspiele haben sich jetzt gegen Ziegler stark gemacht und auch Landeshauptfrau Gabi Burgstaller teile die Sorge, "dass in der Folge nicht die Inhalte von Zieglers Festspielrede, sondern der genannte Kritikpunkt im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gestanden wäre", wie es am Donnerstag aus ihrem Büro hieß. Für Burgstaller sei es "auch im Interesse von Jean Ziegler nicht sinnvoll", wenn dieser die Salzburger Festspielrede halte.

Festspiel-Präsidentin Helga Rabl-Stadler betonte einmal mehr, die Festspiele würden sich ihren Redner gerne selbst aussuchen. Sie habe dem Land eine Liste mit acht Persönlichkeiten aus dem Bereich Kunst und Kultur übergeben. Welche Namen auf dieser Liste stehen, geben Festspiele und Land nicht bekannt. Von einer Abgabe des Bestellungsrechts an die Festspiele will indes Landeshauptfrau Burgstaller nichts wissen: "Dies ist und bleibt Sache des Landes und nicht der Festspiele."

Vorwürfe und Relativierungen

Besonders die vom American Jewish Committee gegründete Organisation UN-Watch warf Jean Ziegler immer wieder vor, enge Beziehungen zum libyschen Staatschef zu pflegen. Im Jahr 2006 haben 20 weiterer Menschenrechtsorganisationen versucht, Zieglers Ernennung zum Menschenrechtsexperten der UNO zu verhindern. Damals wie heute Hauptkritikpunkt: Der heute 76-Jährige sei beteiligt am "Muammar-Gaddafi-Preis für Menschenrechte", einem Propagandainstrument des Regimes, wie UN-Watch in diversen internationalen Zeitungen betonte: Mit dem Engagement für das libysche Regime habe sich Ziegler disqualifiziert. Wer mit einem der schlimmsten Diktaturen verbandelt ist, sei völlig ungeeignet, für die UNO tätig zu sein.

Das offizielle Österreich war bisher mit Ziegler weniger streng. Ziegler ist Träger des Bruno-Kreisky-Preises, außerdem wurde ihm der Salzburger Landespreis für Zukunftsforschung 2008 verliehen, also zwei Jahre nach dem Disput um Zieglers Ernennung zum UNO Menschenrechtsexperten. Ziegler bezeichnete die Vorwürfe gegen seine Person stets als unrichtig. Von Gaddafi habe er sich längst distanziert.

Wie der ORF berichtete, reagierte Ziegler  "zutiefst verwundert" über das Vorgehen des Landes und vermutet, dass die Schweizer Großkonzerne wie Nestle und Credit Suisse als Großsponsoren der Salzburger Festspiele politisch interveniert hätten: "Credit Suisse und Nestle und diese Leute habe ich sehr angegriffen wegen ihrer Politik in der Dritten Welt. Und die hassen mich natürlich. [...] Dass die Druck gemacht haben auf das Land Salzburg, erscheint mir höchstwahrscheinlich."

Reaktionen I: Grüne planen Gegenveranstaltung

Als "beschämend" hat der Landessprecher der Salzburger Grünen, Cyriak Schwaighofer, die Ausladung  Zieglers bezeichnet. Landeshauptfrau  Burgstaller  sei damit "vor den Konzernen in die Knie gegangen", kritisierte der Landtagsabgeordnete in einer Aussendung. Er will mit zivilgesellschaftlichen Organisationen dafür sorgen, dass Ziegler seine Rede in "einem anderen Rahmen" in Salzburg halten kann.

Die Suche nach Partnern und einem Termin möglichst nahe an der Eröffnungszeremonie der Festspiele seien bereits im Gang, sagte Schwaighofer. Er betonte, Ziegler habe stets bestritten, dass er den "Muammar-Gaddafi-Preis" erhalten habe. "Burgstaller hätte mit Ziegler vielleicht einmal reden sollen, bevor sie ihm einfach eine unpersönliche Ausladung schickt."

Die Landeshauptfrau entlarve dadurch auch den angeblichen Anspruch der diesjährigen Eröffnungsrede als inhaltsleeres PR-Gerede. Der Kapitalismuskritiker hätte natürlich auch darüber geredet, welchen Anteil multinationale Konzerne am Hunger und Elend in der Welt hätten, meinte Schwaighofer. Die Vorwürfe bezüglich des Gaddafi-Preises würden vom American Jewish Committee stammen. Ziegler habe in einem Bericht aus dem Jahre 2004, den er als UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung über die Situation in den Palästinensischen Autonomiegebieten verfasst habe, Israel vorgeworfen, den Zugang der palästinensischen Bevölkerung zu ausreichender Ernährung zu behindern.

Reaktionen II: IG-Autoren

Auch Gerhard Ruiss und Renate Welsh von der "IG Autorinnen Autoren" wollen sich dafür einsetzen, dass Ziegler seine Rede trotzdem halten kann - "in einer Form, in der seine Rede genauso viel Beachtung erhält wie sie bei den Festspiele gefunden hätte." Ziegler habe bereits am 5. März in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung gesagt, dass Gaddafi völlig verrückt sei, und in dem Interview zur Durchsetzung der Flugverbotszone in Libyen aufgefordert. Es stelle sich die Frage, wieso Burgstaller Wochen später meine, Ziegler wegen Nähe zu Gaddafi als Festredner auslanden zu müssen. Weil sich die Salzburger Festspiele oder die Sponsoren der Festspiele gegen ihn ausgesprochen hätten?, so die IG-Autoren in einer Stellungnahme.

Reaktionen III: Rabl-Stadler weist Kniefall-Vorwurf zurück

Eine Stellungnahme hat am Nachmittag auch Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler in einer Aussendung abgegeben. "Nicht die Festspiele, und schon gar nicht ich als Festspielpräsidentin haben eingeladen oder ausgeladen", betonte Rabl-Stadler. "Mit aller Vehemenz möchte ich mich aber gegen den im ORF von Jean Ziegler geäußerten Verdacht zur Wehr setzen, man hätte ihn als Kniefall gegenüber den Sponsoren ausgeladen. Kein Sponsor wusste von einer möglichen Einladung Zieglers. Mit keinem haben die Landeshauptfrau oder ich darüber gesprochen."

Die Gestaltung des Eröffnungsfestaktes inklusive Wahl des Festspielredners liege bei der Landeshauptfrau. "Ich verhehle nicht, dass wir von den Festspielen diese Wahl seit jeher gerne eigenständig getroffen hätten", erklärte die Festspielpräsidentin. Sie habe eine sehr gute Gesprächsbasis mit Burgstaller und mit ihr auch für 2011 eine Reihe von möglichen Kandidaten diskutieren können. "Unter den von mir Vorgeschlagenen waren ausschließlich mögliche Rednerinnen und Redner aus dem Bereich von Philosophie, Literatur und Architektur. Die Landeshauptfrau entschied sich offensichtlich für Jean Ziegler. Bei aller Wertschätzung für sein großes gesellschaftspolitisches Engagement, kann man über seine Äußerungen zu Muammar Al-Gaddafi gerade im Licht der jetzigen Entwicklungen durchaus geteilter Meinung sein." (APA/red)