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"Eine Friseurin, die mit einem Einkommen von 400 Euro knapp über der Geringfügigkeitsgrenze dahinschrammt, zahlt 47 Prozent ihres Einkommens an die SVA, ein Firmenboss, der 10.000 Euro monatlich verdient, zahlt 12,4 Prozent" rechnet Datum vor.

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Wien - Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) wurde erfunden, um für Unternehmer im Krankheitsfall und in der Pension zu sorgen, aber es ist ausgerechnet diese Institution, die viele Selbständige in Not bringt. Wie das Monatsmagazin Datum in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, wurde fast jeder fünfte SVA-Versicherte gemahnt und knapp jeder zehnte exekutiert, das heißt: Von rund 33.000 Menschen mussten die Sozialversicherungsbeiträge mittels Gericht eingetrieben werden. Die Zahlen stammen aus dem aktuellen Jahresbericht der SVA, der das Geschäftsjahr 2009 behandelt.

Unter der Armutsgefährdungsgrenze

Drei von fünf SVA-Versicherten verdienen monatlich weniger als 600 Euro netto. Jene von ihnen, die kein zusätzliches Einkommen haben, liegen damit weit unter der Armutsgefährdungsgrenze (derzeit: 994 Euro), müssen aber trotzdem Sozialversicherung zahlen. Das System trifft die Wenigverdiener am härtesten. Zwar zahlen Vielverdiener mehr Geld in den Topf ein, prozentuell berappen sie aber beträchtlich weniger. Der Grund: Die Sozialversicherung beträgt im Normalfall etwas mehr als ein Viertel des Einkommens, doch durch den Mindestbeitrag, den man mindestens zahlen muss, und dem Höchstbeitrag, den man maximal zahlt, verschieben sich die Beiträge zugunsten der Besserverdienenden. "Eine Friseurin, die mit einem Einkommen von 400 Euro knapp über der Geringfügigkeitsgrenze dahinschrammt, zahlt 47 Prozent ihres Einkommens an die SVA, ein Firmenboss, der 10.000 Euro monatlich verdient, zahlt 12,4 Prozent", rechnet das Magazin Datum vor.

Laut Statistik Austria sind 17 Prozent aller Working Poor Selbständige, sie tragen ein höheres Armutsrisiko als Arbeitnehmer. Besonders davon betroffen sind so genannte Ein-Personen-Unternehmer, kurz EPU. Laut Schätzungen der Wirtschaftskammer verdienen in Österreich rund eine Viertel Million Menschen ihren Lebensunterhalt als Alleinunternehmer. Betroffen ist ein breites Spektrum, vom Freudenmädchen bis zum Computerfachmann, von der Architektin bis zum Taxifahrer, von der Journalistin bis zum Künstler. Nicht alle EPU haben die Selbstständigkeit frei gewählt, manche werden von Firmen einfach dorthin gedrängt bzw. aus Kostengründen outgesourct. SVA-Sprecherin Anna Helmy betont gegenüber derStandard.at, man habe sich eben auch an die gesetzlichen Vorgaben zu halten. Außerdem sei in den ersten drei Jahren ohnedies nur der Mindestbetrag zu zahlen, dann erst werde zurückgerechnet, um die tatsächliche Beitragshöhe zu eruieren.

EPU Mehrzahl der WK-Mitglieder

Obwohl Ein-Personen-Unternehmer schon heute die Mehrzahl der Wirtschaftskammer-Mitglieder stellen, richtet sich deren Sozialversicherung Datum zufolge noch immer an den Bedürfnissen des alten Unternehmerbildes á la Fabriksbesitzer aus. So haben SVA-Versicherte im Gegensatz zu Arbeitnehmern, die bei Gebietskrankenkassen versichert sind, weder Anspruch auf Arbeitslosen- noch auf Krankengeld. Dafür müssten sie extra eine Zusatzversicherung abschließen, die sich im Prekariat lebende Selbständige selten leisten können.

Weil den Alleinunternehmern eine politische Lobby fehlt, beginnen sie sich nun selbst zu organisieren. Mitglieder der Facebook-Gruppe "Amici delle SVA" - laut Datum wurde der Name "bewusst italienisch gewählt, in Anlehnung an die Mafia" - haben bereits einen Flashmob und eine Bettelaktion ins Leben gerufen, um auf die Missstände im System aufmerksam zu machen.

Dennoch fehlt bislang der politische Druck. Bestes Beispiel: Alle Parteien sind sich einig, das Wochengeld für selbständige Frauen im Mutterschutz aufzustocken, das im Vergleich zum Wochengeld der Arbeitnehmerinnen bedeutend niedriger ist. Trotz des Konsenses hat die Regierung bisher noch keinen Handlungsbedarf für einen entsprechenden Beschluss gesehen. (derStandard.at, 29.8.2011)