Die Murakami-Verfilmung "Naokos Lächeln" ist ab Freitag in heimischen Kinos zu sehen.

Foto: Polyfilm

Wien - Ein junger Mann besucht eine neue Bekannte zu Hause. Die beiden besprechen dies und das, irgendwann ist die Definition von Liebe an der Reihe, und ein verschmähter Erdbeerkuchen erlangt dabei symbolische Bedeutung.

Das spielerische Wortgeplänkel ist visuell in einer Reihe von alternierenden Einzelaufnahmen der beiden aufgelöst. Die Kamera vollzieht darin jeweils eine eigentümlich distanzierende Bewegung an den Bildrand. Optisch werden die Figuren also voneinander entfernt, während sie sich merklich aneinander heranreden. Irgendwann neigt sich Midori (Kiko Mizuhara) ihrem Kommilitonen Watanabe (Kenichi Matsuyama) dann aktiv zu, im nächsten Bild sind sie schließlich in einem Kuss vereint.

Die Szene ist charakteristisch für die künstlerische Ambition des gesamten Films - und auch dafür, dass die Grenze zur Manieriertheit manchmal überschritten wird: etwa wenn ein Nachtlager bedeutungsvoll in Schräglage gerät oder Gesichter in Detailaufnahme das Breitwandbild füllen.

Begonnen hat Naokos Lächeln, Tran Anh Hungs Adaption von Haruki Murakamis Roman, mit Momentaufnahmen eines unbeschwerten Sommers. Aber das Freundes-Trio Watanabe, Naoko (Rinko Kikuchi) und Kizuki (Kengo Kora) zerbricht, nachdem sich Letzterer das Leben genommen hat. Watanabe fängt 1967 in Tokio zu studieren an, dort trifft er irgendwann Naoko wieder. Ihren 20. Geburtstag verbringen sie gemeinsam, am Morgen danach ist Naoko in tiefe Traurigkeit verfallen. Sie zieht sich in eine Klinik auf dem Land zurück und untersagt Watanabe die Kontaktaufnahme. Mit Midori kommt bald eine neue mögliche Liebe ins Spiel.

Watanabe, der auch als Off-Erzähler fungiert, mäandert also durch die Geschichte eines entscheidenden Lebensabschnitts. Gegen den Strom protestierender Studenten, manchmal auch ein Stück weit mit ihnen. Durch die Gemeinschaftsräume seines Wohnheims, in denen einsame junge Männer an E-Gitarren hängen. Im Schlepptau eines jugendlichen Weiberhelden. Oder alleine durch den Wald.

Auch diese oft hastenden Bewegungen finden ihre Entsprechung in einer mobilisierten Kamera. In einer der eindringlichsten Szenen von Naokos Lächeln stürmt die Titelheldin nachts ins Freie. Die Dringlichkeit ihres Sprechens finden in einem ziellosen Hin- und Herrennen durch hohes Gras ihren physischen Niederschlag. In solchen Momenten entfaltet dieses leicht unterkühlte Adoleszenzdrama dann nahezu melodramatische Intensität.

Weltpremiere hatte Tran Anh Hungs fünfter Spielfilm übrigens vergangenes Jahr im Wettbewerb von Venedig. Dass er erst ein Jahr später bei uns anläuft, ist durchaus im verleihgeschäftsüblichen Rahmen. Aber ein bisschen Lido-Flair kann man somit auch für heimische Kinos reklamieren. (Isabella Reicher, DER STANDARD - Printausgabe, 1. September 2011)