ModeratorIn: Marcel Koller hat bei derStandard.at Platz genommen. Wir heißen den ÖFB-Teamchef herzlich willkommen.

Marcel Koller: Ich freue mich auf gute Fragen und hoffe, dass ich alle zufriedenstellen kann mit den Antworten.

zerstoerter: Herr Koller, welche konkreten Chancen sehen Sie für die bevorstehende WM-Qualifikation (Deutschland einmal außen vor gelassen) und wie werden Sie mit den eklatanten Schwachstellen im Team – rechter Außenverteidiger und treffsicherer Stürmer - in Zuk

Marcel Koller: Die Situation ist natürlich so, dass wir im Moment auf dem 4. Platz sind hinter Deutschland, Schweden und Irland. Und wenn man dann sieht, dass die drei in der EM-Endrunde dabei sind, ist das auf den ersten Blick natürlich schwer. Wir wollen uns aber nicht verstecken und werden jedes Spiel Vollgas geben, da ist es wichtig, dass wir zuerst mal gegen Schweden, Irland, Kasachstan und Färöer Punkte holen und wir versuchen, so lange wie möglich dabei zu sein. Ich habe das Spiel analysiert und gesehen, dass wir in der Defensive Fehler gemacht haben, und diese Fehler müssen wir abstellen, um auch dann eine Möglichkeit zu haben, dabei zu sein. Wiederum ist es auch wichtig, dass wir mehr Tore schießen, d. h., wir brauchen noch mehr Präsenz im 16-Meter, und an dem wollen wir in den nächsten Monaten arbeiten.

ModeratorIn: Frage per Mail von Thomas Poandl: „wenn man es wirklich ernst mit der WM Quali meinen würde, dann stellt sich für mich die Frage, warum man während der EM in Polen und Ukraine kein 2 wöchiges Trainingslager veranstaltet. Da hätte man dann genügend Z

Marcel Koller: Das geht leider nicht, weil die Spieler nicht bei uns angestellt sind, also keine Verträge beim ÖFB haben. Wir haben nur die Möglichkeit, diese Termine, die uns von der FIFA zur Verfügung gestellt werden, umzusetzen, und zusätzlich können wir mit der Bundesliga sprechen, ob wir ein paar Tage mehr bekommen, um mit den Spielern zu arbeiten.

Milk Bar Vetch Field: Ballorientiertes Pressing gilt mittlerweile als selbstverständliche Anforderung für hochklassigen Defensiv-Fußball. Aber es erfordert eine unheimlich gute Abstimmung, die täglich gepflegt werden muss. Wie schwer ist es, das nur im Monats-Rhythmus ei

Marcel Koller: Eine gute Frage, und das Problem ist wirklich so, dass man nicht jeden Tag arbeiten kann, was man eigentlich müsste, um Fortschritte zu sehen. Wir können nicht mal jeden Monat trainieren, sondern so wie jetzt alle 3 oder 4 Monate. Ende Februar haben wir 3 Tage die Spieler zusammen und dann eigentlich erst wieder im Juni, und das ist wirklich schwierig, dann dieses ballorientierte Pressing einzustudieren, dass es sehr gut aussieht. Wir werden aber alles versuchen. Ich denke auch, dass gerade bei der Nationalmannschaft die besten Spieler sind und dadurch das Ganze ein bisschen einfacher ist.

Milk Bar Vetch Field: Werden Sie vermehrt auf Achsen aus Vereinen bauen wie zB Baumgartlinger-Ivanschitz? Spanien baut auf Barca-Achsen, Deutschland auf Bayern-Achsen? Lässt sich das für Ö. auch nutzen?

Marcel Koller: Es wäre natürlich schön, wenn das so sein würde, aber für uns ist wichtig, dass wir den Spielern ein gutes Gefühl geben beim Nationalteam, und wenn dann mal eine Achse stattfindet, dann ist das möglich, aber nicht gesucht.

Stephen Morrissey: die bestellung von werner gregoritsch zum u21-teamchef erscheint vielen befremdlich. stichwort: latent homophobe und misogyne aussagen in vergangenen interviews. möchte wissen, ob dies hr. koller bewußt ist bzw. seine stellungnahme dazu.

Marcel Koller: Wir haben uns entschieden, Werner Gregoritsch, der mit jungen Spielern arbeiten kann, die Verantwortung zu geben, und beim Nationalteam ist es, denke ich, auch etwas anders: dass man nicht jede Woche ein Spiel hat, das ganze sich auch mehr im theoretischen Bereich abspielt und der Werner Gregoritsch auch sehr erfahren ist und sich auch bewusst ist, was er bekommen hat. Wir sind überzeugt, dass er das gut umsetzen wird.

Walter B.Stechlich: Es hat geheissen es käme ein durchgehendes System von den div. u-mannschaften bis zur nationalmannschaft. davon will der gregoritsch aber nichts wissen und ich nehme an der zsak auch nicht. ist das projekt somit gestorben?

Marcel Koller: Bei den U-Mannschaften hat diese Durchgängigkeit schon bestanden, und durch meine Bestellung werde ich versuchen in meinem Team mit Willi Ruttensteiner, das natürlich durchgängig zu machen, und da müssen sie sich auch dementsprechend anpassen.

cupiduso: Ich habe den Sport u Talk am Montag im Hangar 7 gespannt verfolgt. Wie bewerten Sie das taktische Training in der Ö-Buli, nachdem viele Legionäre erzählen, dass wen man zu lange in der Ö-Buli verweilt man taktisch nicht mehr formbar ist und sich nur

Marcel Koller: Ich kann das taktische Training bei der österreichischen Bundesliga und den Vereinen nicht beurteilen, und ich möchte das auch nicht, weil es nicht meine Aufgabe ist. Ich bin aber überzeugt, wenn man bereit ist, sich jeden Tag weiterzuentwickeln, dass man sich taktisch auch noch weiterbilden kann.

The Bleedin´ Clown: Die Schweiz bringt scheinbar unendlich viele junge Spieler aus der eigenen Liga zu Spitzenklubs. Aktuell Shaqiri zu Bayern. Rein soziodemografisch sollte Österreich die selben Voraussetzungen haben. Warum ist der Unterschied aus Ihrer Sicht hier so

Marcel Koller: Da bin ich eigentlich anderer Ansicht. Wenn man Junuzovic nimmt, der ja zu Werder Bremen gewechselt ist, zeigt das auch, dass österreichische Spieler in eine Top-Liga wechseln können. In der Schweiz ist es auch nicht so, dass jedes Jahr unzählige Spieler in die Top-Ligen wechseln. Die Ausbildung in Österreich ist auch gut und es liegt schlussendlich bei den Spielern, sich da reinzuhauen, gute Leistungen zu zeigen und dann auch in eine Top-Liga wechseln zu können.

Gustl Schimeck: Guten Tag Herr Koller, bevor hier der große Tumult startet, eine Frage zu J. Schmid. Ist der junge Halbösterreicher eine Bemühung durch den ÖFB Wert bzw. wie schätzen sie seine Fähigkeiten und Entwicklung ein? Danke und beste Grüße,

Marcel Koller: Aktuell ist es so, dass J. Schmid nur einen französischen Pass hat. Wir ihn natürlich auch beobachten und dann schlussendlich auch entscheiden müssen, ob das einer sein kann, der fürs Nationalteam gut genug ist. Er hat erst ein paar Spiele gespielt, er spielt rechts im Mittelfeld. Wir haben gerade auch auf dieser Position gute Spieler zur Verfügung.

Je pense que: Österreich sieht sich selbst als ständigen Verlierer. Was werden Sie unternehmen, damit das Selbstvertrauen wächst - in der Mannschaft wie auch bei Medien und Fans!?

Marcel Koller: Das ist vielleicht ein bisschen die Mentalität. Das Selbstvertrauen kann man natürlich aufbauen mit guten Ergebnissen. Wenn man dann noch schön spielt, wächst das noch mehr, und das ist, was wir in nächster Zeit anstreben müssen, dass wir dieses Bewusstsein in die Mannschaft bringen, dass uns nur Unentschieden oder Siege weiterbringen. Und das ist schlussendlich auch das, was die Fans sehen wollen, das, was die Medien sehen wollen.

Milk Bar Vetch Field: Wie viel Prozent Ihrer Arbeit ist tatsächlich Trainings-Arbeit? Wie viel Platz nehmen Vorbereitung, Kommunikation, Medienarbeit ein?

Marcel Koller: Das ist schwierig in Prozenten auszudrücken. Trainingsarbeit für mich findet eigentlich nur statt, wenn wir Teamlehrgänge haben. Das andere ist im theoretischen Bereich, d.h. Videoanalyse, Kommunikation, die Spieler besuchen, mit ihnen sprechen, Medienarbeit und Planung.

I could lose my account for having a voice: S.g. Herr Koller: Wird Taktik überschätzt?

Marcel Koller: Für mich ist Taktik wichtig, weil ich denke, gerade als "kleineres Team" musst du alles ausnützen, um gegen stärkere Teams erfolgreich zu sein. Da können Kleinigkeiten entscheidend sein, ob du dann vielleicht einmal einen Sieg landest oder ein Unentschieden erreichst. Da versuche ich natürlich dem Team die Cleverness und die Ideen dann zu vermitteln.

I could lose my account for having a voice: S.g. Herr Koller, Ihr Vorgänger äußerte sich recht despektierlich über die Deutsche Bundesliga. Da Sie in dieser bereits selbst Erfahrungen gesammelt haben, meine Frage: Halten auch Sie die Deutsche Bundesliga überschätzt und stimmen Sie Herrn Const

Marcel Koller: Ich möchte nur aus meiner Sicht beurteilen, dass in der deutschen Bundesliga durch die vollen Stadien, die Zuschauer der Druck von außen nicht vergleichbar mit Österreich ist. Dass sicher vom Tempo her, von der Schnelligkeit das höher einzustufen ist als in Österreich.

scandigypt: Herr Koller, da die rechte Abwehrseite bei uns in der Vergangenheit womöglich die größte Schwachstelle war, würde mich interessieren, mit welchen Spielern sie dort planen? Ist etwa Garics in den nächsten Spielen ein Thema?

Marcel Koller: Ich möchte hier in der Öffentlichkeit keine Personalplanung diskutieren. Es ist aber so, dass wir auch Garics beobachten und ich froh bin über jeden Spieler, der gut spielt und der sich fürs Nationalteam anbietet.

berti russell: zur mehrfach ins spiel gebrachten "gruppenbildung" im team (blumenau): gibt es / gab es spannungen zwischen spielern mit migrationshintergrund und den anderen?

Marcel Koller: Ich kann nur vom ersten Teamlehrgang berichten, und da ist mir absolut nichts aufgefallen. Die Spieler haben einen sehr guten Umgang miteinander und es war eine gute Stimmung.

Blümchen1601: Oft wird über die Schwächen der österreichischen Nationalmannschaft disktuiert. Wo sehen Sie die Stärken des Teams? Womit können unsere Spieler punkten?

Marcel Koller: Da denke ich, wir sollten nicht immer über die Schwächen reden, sondern die Stärken in den Vordergrund rücken. Wir haben schon beim ersten Spiel unter meiner Führung viele gute Dinge gesehen wie Kompaktheit, wie Pressing, Agieren gegen den Ball und Ballbesitz. Das sind Dinge, die wir auch weiter von den Spielern verlangen und die sie dann auch umsetzen sollen.

Ma_Rio22: Herr Koller, Österreich erlebt derzeit einen kleinen Boom vorallem bei den Jungen. Sehr viele aus dem A-Team und der U21 spielen momentan im Ausland. Warum funktioniert es in der Nationalmannschaft nicht dieses Potential zu nutzen??? Viele können in

Marcel Koller: Beim Nationalteam ist natürlich die Schwierigkeit, dass die Spieler nicht jeden Tag zusammen sind und das dann auch trainieren könnten. So ist das Ganze viel schwieriger umzusetzen. Wir werden uns aber in nächster Zeit bemühen, dieses Potenzial in den Vordergrund zu bringen.

Hoppsa: Österreichische Spieler, welche in der türkischen Liga spielen behaupten immer wieder dass ihnen nicht die gleiche Aufmerksamkeit entgegengebracht wird wie Spielern die z.B. in der DBL spielen. In welcher Frequenz werden die Spieler in den in Europa

Marcel Koller: Ich kann nicht beurteilen, was vorher war. Was ich sagen kann ist, dass ich mit meinem Team natürlich die Spieler überall beobachten werde.

AIBundyFan: Homophobie / Schwulenfeindlichkeit ist ein großes Problem im Fußball. In Österreich gibt es hierfür sehr wenig Bewusstsein, es wird totgeschwiegen und immer wieder "glänzen" einzelne (Ex-)Fußballer mit zweifelhaften Aussagen. Ist das für Sie ein The

Marcel Koller: Grundsätzlich ist das nicht nur in Österreich der Fall, sondern weltweit, dass man das nicht öffentlich macht. Ich aus meiner Sicht denke, dass das richtig ist, weil wenn sich einer mal outet, dann kann er das Fußballspielen wahrscheinlich vergessen. Der Druck wird so groß sein, und rein vom Gefühl her denke ich, dass die, die homosexuell sind, so besser fahren, wenn sie weiter Fußball spielen wollen.

Pete Saha: Wie ist die Arbeit mit Marko Arnautovic? Zeigt er sich im Team so wie er in den Medien oft dargestellt wird?

Marcel Koller: Ich habe jetzt die eine Woche beim ersten Lehrgang sehr gute Erfahrungen gemacht mit ihm und muss eigentlich sagen, dass ich ihn nicht so erfahren habe, wie er oft in den Medien dargestellt wird.

Tom Kranich: Herr Koller, Dortmunds Trainer Klopp witzelte unlängst über Österreichs kleines Ligasystem mit folgenden Worten: "In Österreich spielt man 15 Mal gegen die gleiche Mannschaft." Finden Sie, dass Handlungsbedarf besteht, und die Liga aufgestockt werde

Marcel Koller: Das ist auch so, dass man das nicht mit Deutschland vergleichen kann. Das Land ist viel größer und hat viel mehr Einwohner. Österreich ist wie die Schweiz, auch eine 10er-Liga, und man muss das dem Land anpassen, und ich denke, dass Österreich mit den 10 Vereinen auf einem richtigen Weg ist.

Der Personalist: Grüzi Herr Koller! Was denken Sie über Marc Jankos Wechsel zu Porto, und wie wird sich dieser aus Ihrer Sicht auf seine Entwicklung auswirken?

Marcel Koller: Ich finde das sehr gut, weil Porto ein absoluter Top-Verein ist. Die sind Champions-League-Sieger, Europa-League-Sieger geworden, und das zeigt eigentlich auch, wenn die dann einen Österreicher holen, dass die österreichischen Spieler dann nicht so schlecht sein können. Ich wünsche mir, dass er da ständig spielt und wir dann natürlich auch von seiner Erfahrung im Nationalteam profitieren können.

savior: Hallo Herr Koller, sind Stranzl und Manninger absolut kein Thema mehr oder könnte es doch sein, dass zumindest einer der beiden nochmal für Österreich auflaufen wird ? Danke mfg

Marcel Koller: Mit Stranzl habe ich gesprochen und er hat gesagt, dass er nicht mehr für Österreich spielen möchte. Bei Manninger habe ich auch vernommen, dass er nicht mehr für das Nationalteam spielen möchte.

morgause: um die häufigste Frage zu stellen: Gibt es bis Sommer tatsächlich nur zwei Länderspieltermine, oder sind weitere bereits in Bearbeitung?

Marcel Koller: Wir haben jetzt Ende Februar das Finnland-Länderspiel und dann sind am 1. und 5. Juni noch zwei Länderspiele. Mehr haben wir nicht zur Verfügung.

Lucius Vorenus: In Österreich zählt man oft mit 23, 24 Jahren noch als Talent und junge Spieler bekommen auf Vereinsebene oft erst mit 20 Jahren die ersten Einsatzzeiten in der Kampfmannschaft. Sollte man zumindest auf Vereinsebene 17, 18 jährige auch einfach einma

Marcel Koller: Da denke ich, dass es schon von der Qualität abhängig ist. Meine Philosophie ist, wenn der Spieler gut genug ist, um in der Kampfmannschaft eingesetzt werden zu können, dann spielt es keine Rolle, ob er 17 oder 23 Jahre alt ist.

stretfordender: S.g. Hr. Koller, wie werden Sie mit der ständig überzogenen Erwartungshaltung in Österreich umgehen?

Marcel Koller: Ich bin schon lange im Geschäft, von daher spielt es keine Rolle, ob Schweiz, Deutschland oder Österreich. Die Erwartungshaltung ist überall vorhanden.

Donalonso Ildefonso: Was halten sie vom Rücktritt von Capello, und würden sie in dieser situation gleich handeln?

Marcel Koller: Das ist schwierig, wenn man nicht den richtigen Sachverhalt kennt. Grundsätzlich denke ich aber, dass der Kapitän vom Trainer vorgegeben oder abgewählt werden muss und nicht vom Verband. Ich kann auch nicht beurteilen, ob ich gleich gehandelt hätte.

Greta Gabbro: Lieber Herr Koller, zuerst die allerwichtigste Frage: können Sie Schifahren? Ich meine, so richtig gut?

Marcel Koller: Ich kann Skifahren, richtig gut wäre übertrieben. Bin jetzt auch 8 Jahre nicht mehr gefahren, möchte das aber wieder ausüben.

ModeratorIn: Es ist 13 Uhr, die letzten Worte überlassen wir dem Chef.

Marcel Koller: Vielen Dank für die guten Fragen. Mir hat es Spaß gemacht, ich hoffe, euch auch!