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Kurt und Uwe Scheuch, Kämpfer gegen beleidigende Internetpostings.

Foto: APA/GERT EGGENBERGER

"Das ist die FPK at it's best: Leichenfledderer!" und "Klag mich du verurteilter (noch nicht rechtskräftig) Verbrecher Uwe oder du Halstücherl tragender (damit der Strick, der auf dich wartet, nicht so scheuert?) Kurt!": Diese beiden Postings waren unter Artikeln der "Kleinen Zeitung" online, in denen es um den stellvertretenden Kärntner Landeshauptmann Uwe Scheuch und den FPK-Klubobmann Kurt Scheuch ging.

"Diese Behauptungen sind grob ehrenbeleidigend und kreditschädigend und entsprechen nicht den Tatsachen", steht in "Aufforderungen zu Unterlassungs- und Verpflichtungserklärungen", die die Anwaltskanzlei Gheneff-Rami-Sommer im Auftrag der Gebrüder Scheuch per E-Mail an Foren-User verschickt. Dass die FPK-Brüder gegen Verfasser von Internet-Postings vorgehen wollen, hatten sie schon im Jänner angekündigt, nun machen sie Ernst. User werden mit Bezugnahme auf ihre Postings aufgefordert, Behauptungen, die die Kanzlei als gesetzeswidrig erachtet, ab sofort zu unterlassen und gleichzeitig 840 Euro (inklusive 20 Prozent USt) binnen 14 Tagen an die Anwaltskanzlei zu überweisen, andernfalls würden gerichtliche Schritte eingeleitet werden.

Zwei Betroffene User haben sich an derStandard.at gewandt. User 1 (Name der Redaktion bekannt) erzählt im Telefon-Interview, was ihm passiert ist:

derStandard.at: Wie erklären Sie sich das Mail der Anwaltskanzlei?

User 1: Ich habe im Forum der "Kleinen Zeitung" unter Pseudonym mehrere Postings abgeliefert, die sich recht kritisch und scharf zur FPK in Kärnten äußerten. Was mit dieser Partei zu tun hat, schadet Kärnten dermaßen massiv, dass ich mich darüber aufgeregt habe, dass die Proponenten nach wie vor am Ruder sind.

derStandard.at: Finden Sie, dass Sie es übertrieben haben?

User 1: Mit der Halstuch-Aussage habe ich es sicher übertrieben. Das war vielleicht zu bissig formuliert. Ich wollte damit sagen, dass er früher oder später die Konsequenzen seines Handelns tragen wird müssen.

derStandard.at: Bereuen Sie Ihre Aussage?

User 1: Bereuen eigentlich nicht wirklich. Mir taugt's ein bissl. Ich bin ja wirklich unbedeutend. Ich habe weder eine politische noch eine wirtschaftliche Funktion. Ich finde es gut, dass sich Politiker über so kleine Kommentare so ärgern, dass sie es sich antun und sogar einen Rechtsanwalt damit beschäftigen. Daran merke ich, dass ich doch ein bisschen Wirkung erreiche. Mir tut es nicht leid, nein.

derStandard.at: Werden Sie diese Unterlassungserklärung nun unterschreiben?

User 1: Nein, auf keinen Fall. Erstens müsste ich die Anwaltskosten von zweimal 840 Euro inklusive USt erlegen, was ich nicht machen kann, weil ich das Geld nicht habe. Außerdem sehe ich keine Veranlassung dazu. Ich lasse es darauf ankommen.

Audio-Mitschnitt: Das Interview mit User 1 in der Langfassung (Stimme wurde verändert).

Auch User 2 (Name der Redaktion bekannt) will nicht zahlen, wie er per E-Mail gegenüber derStandard.at festhält. Auch er fühlt sich nicht schuldig und steht grundsätzlich weiterhin zu seinen Aussagen, die freilich schon längst von der Website der "Kleinen Zeitung" gelöscht wurden. Er bereut seine überzogenen Formulierungen zwar auch, weil er davon ausgeht, dass in Zukunft weitere Unannehmlichkeiten und Kosten auf ihn zukommen könnten. Er will das E-Mail der Kanzlei aber zunächst ignorieren und "warten, ob es ein echter Brief an meine Adresse schafft". Bezahlen würde einem Schuldeingeständnis gleichkommen, meint er und begründet das so: "Dieses Mundtotmachen von kritischen Bürgern und Journalisten werde ich bestimmt nicht unterstützen." In Zukunft will User 2 auf kleine.at nicht mehr posten, auf anderen Seiten will er zu Scheuch-Themen Links zu parlamentarischen Anfragen als Untermauerung hinzufügen.

Scheuch-Anwalt: Möglichkeit für außergerichtliche Lösung

Michael Sommer von der Kanzlei Gheneff-Rhami-Sommer will nicht beantworten, wie viele User derartige Schreiben bereits bekommen haben und noch bekommen sollen. Er beschreibt die E-Mails als Entgegenkommen an die User: "Unsere Kanzlei gibt immer wieder potenziellen Rechtsbrechern die Möglichkeit, zivilrechtliche Unterlassungsansprüche durch außergerichtliche Unterlassungserklärungen zu bereinigen. Diesbezügliche Zivilprozesse sind relativ kostenintensiv und werden von uns bei Versagen einer außergerichtlichen Lösung ebenfalls regelmäßig eingeleitet."

Viele Foren-User verkennen laut Sommer "bewusst oder unbewusst", dass Äußerungen in Foren ebenso wie in Medien und auf Websites nach § 1330 ABGB (Kreditschädigung und Ehrenbeleidigung), §§ 16 und 43 ABGB (allgemeines Persönlichkeitsrecht und Namensrecht) zivilrechtlich und etwa nach § 111 StGB (Üble Nachrede), § 115 StGB (Beleidigung) oder § 107 StGB (gefährliche Drohung) strafgerichtlich verfolgt werden können.

An die  Daten der User kommen die Rechtsanwälte über die entsprechenden Medieninhaber. Aktuell gibt es von der Kanzlei auch an derStandard.at vier Ansuchen um Herausgabe von User-Daten. Laut Maria Windhager, die derStandard.at juristisch vertritt, mussten in zwei Fällen die Adressen weitergegeben werden.

Der rechtliche Hintergrund

Gemäß § 18 Abs 1 E-Commerce-Gesetz (ECG) sind die in den §§ 13-17 ECG genannten DiensteanbieterInnen nicht verpflichtet, die von ihnen gespeicherten, übermittelten oder zugänglich gemachten Informationen allgemein zu überwachen oder von sich aus nach Umständen zu forschen, die auf rechtswidrige Tätigkeiten hinweisen.

Jedoch besteht in drei Konstellationen eine Auskunftspflicht über User-Informationen für Host-Provider:

1. Auf Anordnung eines inländischen Gerichts zur Verhütung, Ermittlung, Aufklärung oder Verfolgung gerichtlich strafbarer Handlungen.

2. Auf Anordnung einer Verwaltungsbehörde, sofern die Kenntnis der Informationen über den User eine wesentliche Voraussetzung der Wahrnehmung der der Behörde übertragenen Aufgaben bildet.

3. Auf Verlangen an dritte Personen, sofern diese ein überwiegendes rechtliches Interesse an der Feststellung der Identität eines Nutzers und eines bestimmten rechtswidrigen Sachverhalts sowie überdies glaubhaft machen, dass die Kenntnis dieser Informationen eine wesentliche Voraussetzung für die Rechtsverfolgung bildet.

Bis vor kurzem mussten bei Anfragen von Dritten im Anlassfall lediglich Name und Postanschrift eines Users (wenn vorhanden) herausgegeben werden. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat in der Entscheidung 6 Ob 104/11d jedoch klargestellt, dass unter Name und Adresse eines Nutzers im Sinne des § 18 Abs 4 ECG grundsätzlich dessen Vor- und Zuname und dessen Postanschrift, aber auch dessen E-Mail-Adresse zu verstehen seien.

Darüber hinausgehende Informationen, die im User-Profil vorhanden sind und zur Ermittlung der Identität beitragen könnten (IP-Adresse, Geburtsdatum ...), sind Verwaltungsbehörden und dritten Personen im Falle eines Ersuchens nach dem ECG nicht zu übermitteln. Die Herausgabeverpflichtungen bestehen in jedem Fall nur dann, wenn die Daten (noch) vorhanden sind.

Was kann nun den Usern passieren?

Es kommt ganz auf das inkriminierte Posting an, so die Anwaltskanzlei Windhager. Wenn der Forenbeitrag ehrenbeleidigend oder kreditschädigend ist, könnte der Betroffene eigentlich gleich klagen. Bei Nichtunterschreiben der Unterlassungserklärung drohen dem User Schadenersatz-Zahlungen, eine zivilrechtliche Klage und ein Prozess. Wenn der User diesen Prozess verliert, ist das mit sehr hohen Kosten verbunden, im Fall einer gewonnenen gerichtlichen Auseinandersetzung freilich nicht. Das Problem, vor dem Anwälte wie die Kanzlei Gheneff-Rami-Sommer stünden: Die E-Mail-Adresse reicht vor Gericht oft nicht aus, weil man eindeutig wissen muss, wer der Beklagte ist. Oft verfügen jedoch die Plattformen nicht über richtige Angaben zu Name und Anschrift der User. Anwälte von mutmaßlich ehrenbeleidigten Personen könnten zwar versuchen, die Daten über eine Internetrecherche zu finden, was jedoch nicht immer zum Erfolg führt.

"Kleine Zeitung": Nehmen Überwachungspflicht wahr
Elisabeth Zankel, Chefredakteurin der Online-Ausgabe der "Kleinen Zeitung", erklärt gegenüber derStandard.at, dass alle Anfragen zur Herausgabe von Userdaten äußerst sorgfältig überprüft würden. Gemäß den gesetzlichen Vorgaben müssten in berechtigten Fällen die Daten herausgegeben werden. In der Folge nehme man die Überwachungspflicht wahr, lösche jene Beiträge, die gegen privat-, straf- und medienrechtliche Bestimmungen der Republik Österreich bzw. die guten Sitten verstoßen, und sperre auch jene User, die diese Beiträge verfasst haben. Eine Vorgangsweise, die sich mit jener von derStandard.at deckt.

Härte vs. Missbrauch

User 1 versteht nicht, warum Uwe und Kurt Scheuch auch durch überzogene Postings beleidigt sein sollten: "Nachdem die beim Austeilen relativ heftig sind, sollten sie eine dickere Haut haben und nicht über Anwälte ihr vermeintliches Recht suchen."

Kurt Scheuch meint gegenüber derStandard.at: "Ich bin schon ein harter Kerl, aber was zu weit geht, geht zu weit." Er spreche und agiere auch im Namen seines Bruders Uwe, wenn er etwas gegen diese "Schmuddeltypen, die sich hier ausrotzen", unternehme. Es handle sich dabei um keinen generellen Kampf gegen Internet-User, man wolle nur "mit aller Härte" gegen solche Leute vorgehen, die sich hinter der Anonymität verstecken und von Mordrohungen über Ehrenbeleidigungen bis hin zu Übergriffen auf die Familie alles posten würden, was ihnen gerade in den Sinn komme.

Ob er es anerkennen würde, wenn ein User Reue zeigt? "Der soll sich entschuldigen, dann ist die Sache für mich abgehakt", zeigt sich Scheuch milde. Wenn der Anwaltskanzlei durch den "Missbrauch des Internets" Kosten entstanden seien, müssten diese aber schon beglichen werden.  (Rainer Schüller, derStandard.at, 21.3.2012)