Jägermeister Berktold zur Diskussion um die Jagdeinladungen von Landeshauptmann Günther Platter: "Diese Abschüsse sollen bezahlt werden, dann wird sich diese Diskussion aufhören."

Foto: Tiroler Jägerverband

Karl Berktold, seit 2008 ehrenamtlicher Landesjägermeister von Tirol.

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Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) soll sich siebenmal zur Jagd einladen haben lassen. Die Aufregung darum ist für den Tiroler Landesjägermeister Karl Berktold ein "Theater", das er nicht versteht. Trotzdem spricht er sich im Gespräch mit Rainer Schüller dafür aus, dass Politiker Abschüsse im Platter'schen Stil künftig bezahlen sollen, auch wenn es sich nur um ein Murmeltier handelt.

derStandard.at: Was haben Sie zuletzt erlegt?

Berktold: Im abgelaufenen Jahr habe ich zwei Gämsen und zwei Hirschtiere, also weibliche Stück Rotwild, geschossen. Die wertvollsten Abschüsse für mich sind Hegeabschüsse - also möglichst alt oder krank. Die Hauptabschüsse der Jäger sind ja keine Trophäenabschüsse, sondern Hegeabschüsse, die von der Behörde bescheidmäßig vorgeschrieben sind. Das sind die, die unbedingt erledigt werden müssen, um die Bestände im Gleichgewicht zu halten.

derStandard.at: Welcher Abschuss Ihrer Karriere hat Sie mit dem meisten Stolz erfüllt?

Berktold: Das war sicherlich ein uralter Gamsbock, den ich knapp vor Winterbeginn geschossen habe, der den Winter mit Sicherheit nicht überlebt hätte.

derStandard.at: Wie definieren Sie einen erfolgreichen Abschuss?

Berktold: Möglichst alt oder schwach - auch bei jungen Tieren muss der Bestand kontrolliert werden. Und dass der Schuss hundertprozentig ist. Das ist die vorrangigste Aufgabe eines Schützen: Durch regelmäßiges Training und Wartung der Waffe sicherzustellen, dass der getätigte Schuss so rasch wie möglich tödlich ist. Da legen wir sehr viel Wert drauf.

derStandard.at: Was ist eigentlich der teuerste Abschuss?

Berktold: Bei uns in Tirol sicherlich der Steinbock. Nach seiner Ausrottung gibt es diesen seit 1954 wieder, und mittlerweile haben wir eine Kolonie von fast 4.000 Stück Steinwild. Von diesen werden relativ wenige geschossen, weil ihnen der Winter ohnehin so zusetzt. Ein Steinbock der Klasse I, der über zehn Jahre alt ist, ist zwischen 5.000 und 8.000 Euro wert. Dazu kommt der hohe ideelle Wert.

derStandard.at: Über welches Tier kommt man billig zum Schuss?

Berktold: Billig ist relativ. Für mich ist ein Abschuss in der weiblichen Klasse genauso wertvoll, weil es genauso ein Lebewesen ist. Außerdem sind viele Pächter froh, wenn sie bei den Hegeabschüssen, also in den weiblichen, jungen und kranken Klassen, die zwingend vorgeschrieben sind, Unterstützung bekommen. Das geht in dieser leidigen Diskussion völlig unter. Im Tourismusland Tirol wird es immer schwieriger, diese Abschüsse zu tätigen, weil die Belastungen durch die Freiraumnützer immer stärker werden. Damit man die Abschüsse bis zum Ende der Frist schafft, ist man auf Unterstützung von Freunden, Bekannten und anderen Jägern angewiesen.

derStandard.at: Oder die Unterstützung des Landeshauptmanns.

Berktold: Der Herr Landeshauptmann ist sicher ein eigenes Thema. Ist aber bezeichnend für eine Diskussion, die in eine Richtung geht, die für die Jagd höchst unerfreulich, um nicht zu sagen bedenklich ist. Hier wird das uralte Kulturgut Jagd gefährdet.

derStandard.at: Wer gefährdet das Kulturgut? Die Politiker, die sich einladen lassen?

Berktold: Nein. Diese Art der polemisch geführten Oppositionspolitik wird bei uns zusehends zu einer großen Belastung. Es geht in eine einseitige Richtung und so zulasten der Jagd und der Jägerschaft in Tirol. Das wird auf unserem Rücken ausgetragen. Dass Korruption thematisiert wird, ist in Ordnung. Aber: Der Landeshauptmann hat schließlich das Recht dazu, dass er in seiner kargen Freizeit ab und zu auf die Jagd geht. Die Jägerschaft ist ja sehr froh, wenn sich Persönlichkeiten unseres Landes für die Jagd interessieren, weil die Widerstände ohnehin immer größer werden.

derStandard.at: Der Vorwurf an Herrn Platter ist aber nicht, dass er jagen war. Sondern, dass er eingeladen wurde und nichts dafür zahlen musste.

Berktold: Wissen Sie, das ist seit jeher schon so gewesen: Wen ladet man auf eine Jagd ein? Wenn man die Natur im Rahmen der Jagd genießen will, dann will man Freunde oder gute Bekannte um sich haben. Das war immer so. Jetzt momentan wird aber alles kriminalisiert. Ein Landeshauptmann hätte schließlich gar nicht die Möglichkeit, ein Revier zu pachten, weil er die Zeit nicht hat. Abgesehen davon, dass es einen Haufen Geld kostet.

derStandard.at: Um das Geld geht es eben. Das Problem sind die Gratisjagden, die ein Politiker nicht annehmen darf.

Berktold: Das hat sich mehr oder weniger so entwickelt: Früher hat sich ein Jagdpächter riesig gefreut, wenn ein Politiker zu ihm gekommen ist und sich das Revier angeschaut hat. Dann hat man ein Flascherl Wein aufgemacht und hat das genossen. Aber heute wird alles komplett verdreht. Warum soll ein Politiker oder ein Industrieller nicht genau das gleiche Recht haben, in seiner Freizeit die Jagd zu genießen?

derStandard.at: Wenn ein Politiker beispielsweise von einen Unternehmer zur Jagd eingeladen wird, dann geht das in Richtung Anfüttern.

Berktold: Wir haben in Tirol 1.260 Reviere. Wir sind berühmt für unsere großen Reviere. Diese großen Betriebe können sich nur gewisse Persönlichkeiten oder Unternehmen leisten. Nun haben wir aber schon gröbere Probleme, weil absehbar niemand bereit sein wird, diese Reviere zu pachten. Nur aufgrund dessen, dass jemand eingeladen ist, das in Verbindung mit Korruption zu bringen, da wird der Bogen überspannt.

derStandard.at: Was sagen Sie zu den Jagdeinladungen von Herrn Mensdorff-Pouilly?

Berktold: Soviel ich weiß, hat er einen Forst- und Jagdbetrieb und verkauft Abschüsse. Er betreibt das zum Zweck des wirtschaftlichen Erlöses aus dem Jagdbetrieb. Rein vom Unternehmen her ist das eine ganz legitime Sache. Wer diese Einladungen annimmt und die Abschüsse finanziert, ist eine Sache, die getrennt zu sehen ist.

derStandard.at: Verstehen Sie grundsätzlich die Aufregung um die Einladungen an Herrn Platter?

Berktold: Nein. Ich werde oft als Landesjägermeister auf der Straße zu diesem Theater angesprochen. Dann sage ich, das ist leider eine Entwicklung, die sehr sensibel ist, wo man mit sachlichen Gegenargumenten nur schwer durchkommt.

derStandard.at: Was wären Ihre Gegenargumente?

Berktold: Die Korruptionsbekämpfung mit allen Mitteln ist ja wichtig. Aber automatisch alle und jeden in diese Richtung zu drängen ist problematisch. Ich hoffe, dass Regeln geschaffen werden, um die Jagd aus diesem Sumpf herauszuziehen. Wahrscheinlich wird es das Einfachste sein, dass sich der jeweilige den Abschuss bezahlt. Aber noch mal: Früher hat man sich geehrt gefühlt, wenn der Landeshauptmann zur Jagd gekommen ist. Da war kein Hintergedanke dabei.

derStandard.at: Sollte man die Jagd also bei der Formulierung von Anti-Korruptionsgesetzen berücksichtigen?

Berktold: Der Schlüssel liegt sicher in einer nachvollziehbaren Transparenz. Es soll jederzeit die Kontrollmöglichkeit da sein, wer unter welchen Bedingungen einen Abschuss getätigt hat. Und diese Abschüsse sollen bezahlt werden, dann wird sich diese Diskussion aufhören.

derStandard.at: Stichwort Transparenz: Waren Sie eigentlich schon einmal mit dem Landeshauptmann jagen?

Berktold: Nein, war ich noch nicht.

derStandard.at: Herr Platter hat auch ein Murmeltier geschossen. Das hört sich für einen Nichtjäger nicht sehr kompliziert an.

Berktold: Der Murmeltier-Abschuss ist der klassische Erstabschuss für einen Jungjäger. Das ist meistens die erste Einladung, die ein Jungjäger kriegt. Das ist eine ganz besondere Art der Jagd, die bei Tageslicht erfolgt und für die man sich Zeit nehmen muss. Man muss nicht auf so weite Entfernung schießen.

derStandard.at: Soll der Landeshauptmann nun künftig nicht mehr auf die Jagd gehen oder einfach für jedes Murmeltier bezahlen?

Berktold: Ich hoffe, dass sich nach der ganzen leidigen Diskussion Politiker finden, die den Mut haben, weiter auf die Jagd zu gehen. Es würde auch manchem Politiker nicht schaden, einen Jäger zu begleiten. Er muss auch nicht selber schießen. Aber einfach nur, um die naturverbundene landeskulturelle Arbeit, die wir verrichten, kennenzulernen. (Rainer Schüller, derStandard.at, 28.3.2012)