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"Fix war nur, dass Für Innsbruck die Grünen in der Regierung haben wollte - und die Grünen Für Innsbruck", sagt Christine Oppitz-Plörer über den Koalitionsfindungsprozess in Innsbruck.

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Seit der Bürgermeisterwahl in Innsbruck gehen in der Tiroler Landeshauptstadt die Wogen hoch. Die bürgerliche Liste Für Innsbruck - urspünglich eine Abspaltung der ÖVP - ging nach der Wahl erstmals ein Bündnis ohne Volkspartei ein und koaliert nun mit den Grünen und der SPÖ. Für die alte und neue Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer, die erstmals direkt gewählt wurde, ist das im Interview mit derStandard.at kein Bruch, aber ein "schmerzhafter Prozess". Sie hatte sich vor der Wahl für eine Zusammenarbeit mit den Grünen starkgemacht: "Die Grünen gehören in Innsbruck in die Regierung", sagt Oppitz-Plörer.

Kritik übt die Stadtchefin an der ÖVP im Land wie im Bund, vor allem in Bildungsfragen hinke man der Wirklichkeit hinterher. Im Innsbrucker Arbeitsprogramm, das am Freitag präsentiert wurde, ist auch die Schaffung einer Gesamtschule an einem Modellstandort geplant.

derStandard.at: Seit vergangener Woche werden Sie nicht mehr in den Tiroler ÖVP-Landesparteivorstand eingeladen. Werden Sie das vermissen?

Oppitz-Plörer: Die ÖVP ist seit 25 Jahren meine politische Heimat, ich bin im Jahr 2000 von Herwig Van Staa in die Kommunalpolitik geholt worden. Im Lauf der Zeit verändern sich Dinge. Ich werde auch weiter ein Mitglied der ÖVP bleiben. Was nach der Gemeinderatswahl passiert ist, wird man in den nächsten Wochen besprechen müssen. Es ist kein Ausschluss, sondern eine Nichteinladung.

derStandard.at: Sie werden dagegen nicht vorgehen?

Oppitz-Plörer: Das werden Gespräche zeigen. Ich möchte da jetzt nicht Öl ins Feuer gießen.

derStandard.at: Viele Beobachter sehen in den letzten Wochen einen Bruch zwischen Für Innsbruck und der ÖVP.

Oppitz-Plörer: Es ist kein Bruch, aber nach der Stichwahl hat sich gezeigt, dass die Ernsthaftigkeit bei den Verhandlungen und die Basis, mit der man eine Stadtregierung führen möchte, unterschiedlich waren. Ich habe es sehr bedauert, dass die Innsbrucker Stadtpartei deutlich über zehn Tage nach der Stichwahl sich noch immer mit der Größe des Stadtsenats beschäftigt hat und nicht mit Inhalten.

Ich habe die Stichwahl mit der Festlegung, dass die Grünen in der Stadtregierung vertreten sein werden, gewonnen. Die Grünen leisten über viele Jahre sehr gute Oppositionsarbeit und haben große Entscheidungen wie die Straßenbahn oder den Energieentwicklungsplan mitgetragen. Sie gehören in Innsbruck in die Regierung.

derStandard.at: Wie beurteilen Sie die Reaktion der ÖVP?

Oppitz-Plörer: Es war für die Innsbrucker ÖVP vielleicht nicht klar, dass wir das ernst gemeint haben. Für Innsbruck steht dazu, dass die Grünen jetzt Verantwortung übernehmen, wir sind nicht auseinanderzudividieren. Im Jahr 2006 wurde unter Hilde Zach schon einmal versucht, mit den Grünen eine Stadtregierung zu bilden. Da haben die Grünen aber nicht den letzten Mut gehabt. Deswegen fühle ich mich in guter Tradition.

derStandard.at Waren die Angriffe der ÖVP auch ein Grund dafür, sich andere Mehrheiten jenseits der ÖVP zu suchen?

Oppitz-Plörer: Das war nicht der Grund. Die ÖVP hat etwas übersehen: Nach einer Wahl setzen sich die Fraktionen zusammen, in dem Fall hat die Bürgermeisterin eingeladen, und es fängt jeder mit null an.

Fix war nur, dass Für Innsbruck die Grünen in der Regierung haben wollte - und die Grünen Für Innsbruck. Da war natürlich in der Mitte ein starkes Paket, dazu wurden andere zu Verhandlungen eingeladen. Die wurden über viele Tage von der ÖVP-Forderung dominiert, doch noch neun Stadtsenatssitze zu haben. Die Stadt wird mit sieben Senatsmitgliedern gut geführt. Die ÖVP hat dann versucht, mit der SPÖ eine Koalition mit Rudi Federspiel zu führen. Das war für die SPÖ ein No-go.

derStandard.at: Derzeit ist die Stadtsenatsmitgliederzahl variabel, von sieben bis neun Mitgliedern. Sollte es hier eine fixe Zahl geben?

Oppitz-Plörer: Absolut. Das war auch unser Ansinnen, die flexible Regelung wurde dann vom Land beschlossen. Ich vernehme aber, dass man hier sieben Mitglieder festschreiben könnte.

derStandard.at: Ihnen wird nun von ÖVP-Seite vorgeworfen, Sie stünden an der Spitze eines linkslastigen Bündnisses. Wie fühlt es sich an der Spitze eines solchen an?

Oppitz-Plörer: Wir sind kein linkslastiges Bündnis. Die Punkte, die wir nun im Regierungsprogramm beschlossen haben, sind zu einem Großteil auch noch von der ÖVP mitgestaltet worden. Es ist ein Bündnis in der Mitte, das das Lebensgefühl in Innsbruck sehr gut abdeckt.

derStandard.at: Was unterscheidet Für Innsbruck und die ÖVP eigentlich?

Oppitz-Plörer: Für Innsbruck hat in den letzten Jahren Politik für die Menschen gemacht. Zum Beispiel bei den Kindergärten: Da sind 100 Prozent der städtischen Kindergärten mit Mittagstisch. Das finden Sie in kaum einer anderen Landeshauptstadt.

In den Volksschulen gibt es an über 80 Prozent eine Nachmittagsbetreuung, und wir waren der erste Bezirk in Tirol, der die Neue Mittelschule eingeführt hat - damals unter massivem Widerstand der Volkspartei. Für Innsbruck lebt eine bedürfnisgerechte Kommunalpolitik - das ist der große Unterschied zur ÖVP.

derStandard.at: Zur angesprochenen Schulpolitik: Sie wollen an einem Standort eine Gesamtschule für Kinder von sechs bis 14 Jahren errichten?

Oppitz-Plörer: Ja, an einem Modellstandort. Da sehe ich mich in guter Gesellschaft mit der Forderung der Tiroler Wirtschaftskammer.

derStandard.at: Ist es sinnvoll, das Modell einer Gesamtschule auch flächendeckend einzuführen?

Oppitz-Plörer: Flächendeckend bedeutet immer, dass die Wahlfreiheit leidet. Gerade bei einem Modellstandort können sich aber Kritiker ein Bild machen, wie so etwas funktioniert. Die Wirtschaftskammer, die ja verlässlich nicht links angesiedelt ist, fordert schon lange sowohl die Ganztagsschule als auch eine Gesamtschule. Von dieser Vielfalt lebt auch die Bildungslandschaft.

Gerade bei der Ganztagsschule gibt es zwei Aspekte. Zum einen den Betreuungsaspekt. Mindestens ebenso wichtig ist, dass man unterschiedliche Bildungschancen, die aus den Elternhäusern mitkommen, ausgleicht.

Wenn Kinder und Jugendliche zu Hause von ihren Müttern und Vätern betreut werden, erhalten sie nicht automatisch die bessere Bildung. Es gibt Eltern, die können ihre Kinder nicht ausreichend unterstützen. Manche haben dadurch einen Nachteil. Durch eine Nachmittagsbetreuung und eine Ganztagsschule kann man das ausgleichen.

Wir haben in Innsbruck bereits echte Ganztagsschulen, was eine große Abwehrreaktion der Volkspartei hervorgerufen hat. Diese werden quer durch das politische Farbenspektrum der Elternhäuser angenommen. Da muss man auf die Bedürfnisse der Eltern eingehen und nicht von oben herab etwas vorschreiben.

derStandard.at: Schreibt die Volkspartei den Bürgern zu oft etwas von oben herab vor?

Oppitz-Plörer: Ja, den Eindruck habe ich. Gerade im Bildungsbereich ist die Volkspartei nicht gekennzeichnet davon, dass sie innovativ ist. Als Beatrix Karl angefangen hat, Dinge aufzuzeigen, ist sie in ein anderes Ressort versetzt worden. Das hat mir leidgetan.

derStandard.at: Bildet die Volkspartei nicht mehr die Wirklichkeit der Bevölkerung ab?

Oppitz-Plörer: Sie hinkt der Wirklichkeit hinterher. Die Volkspartei muss drei Schritte nach vorne machen im Bildungsbereich, weil ihre Wähler schon die anderen Angebote selbstverständlich annehmen.

derStandard.at: Wie sehen Sie das bei der Tiroler ÖVP?

Oppitz-Plörer: Die schließe ich da mit ein. Innsbruck war im Bildungsbereich immer Vorreiter.

Josef Pröll hat sich vorstellen können, dass die Grundschule sechs Jahre dauert. Solche Ansätze braucht es, um ein starres System aufzubrechen. Zwischen der Volksschule und dem Gymnasium ist ein großer Bruch drinnen. In der Volksschule ist alles noch behütet. Mit zehn Jahren diese Lebensentscheidung zu treffen und nicht mehr alle Möglichkeiten zu haben ist nicht richtig.

derStandard.at: Im Koalitionspapier wird in der Stadt Innsbruck mehr Transparenz gefordert. Subventionen sollen zum Beispiel offengelegt werden.

Oppitz-Plörer: Da wird es einen absoluten Zug nach vorne geben. Ich halte das für richtig. Das ist nicht nur ein Zug der Zeit, wir haben nichts zu verbergen. Wir werden die Subventionsliste, wer welche Förderung erhält, in einem Bericht veröffentlichen.

derStandard.at: Sie haben gefordert, dass die Kosten für den Stadtwahlkampf limitiert werden. Was stellen Sie sich darunter vor?

Oppitz-Plörer: Es gehört nicht nur limitiert, es benötigt auch eine Regelung bei Werbeflächen. Wir werden leicht unter dem sein, was sich der Bund als Wahlkampfkostenobergrenze verordnet hat. Der Wahlkampf hat die Dimensionen für eine Stadt wie Innsbruck mit 140.000 Menschen gesprengt.

derStandard.at: In den Stadtteilen soll die Bevölkerung stärker eingebunden werden. Wie soll das aussehen?

Oppitz-Plörer: Die Bürgerbeteiligung wurde von allen Fraktionen im Gemeinderatswahlkampf diskutiert. Da haben wir Nachholbedarf in Innsbruck. Wir sind jetzt in einer Phase, in der man große Projekte auch mit einer verstärkten Bürgerbeteiligung umsetzen muss.

Das ist ein Phänomen, das sich nicht nur auf Innsbruck beschränkt. Das ist europaweit spürbar, zum Beispiel in Deutschland mit Stuttgart 21. Da hat man gesehen, dass im Endeffekt doch eine Mehrheit dafür war, aber durch das späte Einbinden sind Risse und Brüche entstanden, die dann nur schwer zu kitten sind.

Wir wollen eine Bürgerbeteiligung nicht erst dann, wenn ein Problem entsteht, anbieten, sondern die Stadtteile auch motivieren, eine ihren Bedürfnissen entsprechende Bürgerbeteiligung aufzubauen.

derStandard.at: Es gibt immer wieder Gerüchte, dass bei der nächsten Landtagswahl eine bürgerliche Liste abseits der ÖVP antritt. Würden Sie so eine Liste begrüßen?

Oppitz-Plörer: Ich bin direkt gewählte Innsbrucker Bürgermeisterin. Die Entwicklung im Land verfolge ich mit großem Interesse. Es hat sich gezeigt, dass in Tirol - ich weiß nicht, ob das etwas mit Andreas Hofer zu tun hat - die Bürgerbewegungen immer einen starken Boden haben.

Es darf mir aber jeder glauben: Ich beschäftige mich damit nicht. Ich habe mit der Stadtregierung ausreichend Arbeit. Was ich vom Land einfordere, sind die uns zustehenden Anteile an den entsprechenden finanziellen Mitteln. Diese brauchen wir zur Realisierung des Hauses der Musik, dem Ausbau der Straßenbahn, der Finanzierung der Sozialausgaben oder anderer Projekte. Alles andere werden Menschen und Köpfe im Land entscheiden.

derStandard.at: Leidet die Zusammenarbeit mit der Landesregierung nicht darunter, dass es zwischen Ihnen und dem Landeshauptmann zu Unstimmigkeiten kommt?

Oppitz-Plörer: Nein, da sind wir beide professionelle Politiker. Sonst könnte es in Oberösterreich und in der Steiermark in den Landeshauptstädten auch nicht funktionieren. Ich glaube, es war ein schmerzhafter Prozess, es war auch für mich nicht einfach. Jetzt sind die Dinge aber neu aufgestellt. (Sebastian Pumberger, derStandard.at, 25.5.2012)