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Die österreichische Staatsbürgerschaft ist für viele Ausländer nach der derzeitigen Gesetzeslage unerreichbar.

Foto: APA/Hochmuth

Wien - Im Alter von einem Jahr kam Karina Montes De Oca 1976 aus Uruguay nach Wien, zusammen mit vier Geschwistern und ihren Eltern, die vor der in dem südamerikanischen Land damals regierenden Militärjunta fliehen mussten. Inzwischen ist sie 36, hat Volks- und Hauptschule hier besucht und wohnt in einer Gemeindewohnung.

Staatenlos

Ihr Lebensmittelpunkt ist Österreich. Doch was ihr fehlt, ist die dazugehörige Staatsbürgerschaft: Im Unterschied zu ihrer Mutter, die als anerkannter Flüchtling 1984 Österreicherin wurde, ist Karina De Oca staatenlos. Die Möglichkeit einer Einbürgerung vor ihrem 18. Geburtstag verstrich: Ihr leiblicher Vater war dagegen. Nun, nach dem herrschenden Gesetz, hat sie keine Chance, je Österreicherin zu werden: weil De Oca psychische Probleme hat und nicht imstande ist, einer geregelten Arbeit mit ausreichendem Lohn nachzugehen.

"Karina ist sehr menschenscheu", schildert ihr Stiefvater Peter Stieglitz. Mehrere Versuche, einen Job anzunehmen, seien fehlgeschlagen, nur in einem Projekt von Jugend am Werk sei es ihr gelungen, Fuß zu fassen.

Damit verbunden ist eine Dauerunterstützung des Sozialamts: Bedarfsorientierte Mindestsicherung. Doch diese gilt seit der Staatsbürgerschaftsnovelle 2006 nicht als anrechenbares Einkommen (siehe "Wissen"). Eingebürgert werden dürfen vielmehr nur Personen, deren "Lebensunterhalt hinreichend gesichert" ist - und zwar ausnahmslos, ohne Rücksicht darauf, aus welchem Grund die fehlende Selbsterhaltungsfähigkeit besteht. Also zum Beispiel nicht Karina De Oca, die als zu 50 Prozent behindert gilt und fast ihr ganzes Leben hier verbracht hat.

Langjährige Kritik

An Härten wie diesen stoßen sich NGOs, die Volksanwaltschaft und die Grünen seit 2006. Letztere haben zuletzt 2009 einen Initiativantrag zwecks Gesetzesänderung eingebracht, der jedoch ohne Unterstützung anderer Fraktionen blieb.

Nun jedoch hat die Unzufriedenheit auch die SPÖ erfasst: "Der Ermessensspielraum in Sachen Selbsterhaltungsfähigkeit muss dringend erweitert werden", sagt SPÖ-Behindertensprecherin Ulrike Königsberger-Ludwig. Sie spricht im Namen der gesamten Parlaments-SPÖ: "Ja, wir teilen diese Forderung", sagte Klubobmann Josef Cap dem STANDARD.

Anlass für eine Entschärfung böte eine vom Verfassungsgerichtshof bis Oktober 2012 aufgetragene Reparatur des Einbürgerungsrechts: Vergangenen Herbst hatte das Höchstgericht die Regel außer Kraft gesetzt, dass behördlich zugesagte Einbürgerungen zurückgezogen werden können, wenn das Einkommen vor der offiziellen Verleihung sinkt. Doch im Innenministerium bestätigt ein Sprecher nur, dass "derzeit Gespräche mit den Ländern wegen der Gesetzesreparatur laufen".

Im Fall De Oca hat sich unterdessen der Verfassungsgerichtshof eingeschaltet. Einer von der Wiener Anwältin Doris Einwallner eingebrachten Beschwerde gegen den negativen Einbürgerungsbescheid der zuständigen Wiener MA 35 von Oktober 2011 hat er Verfahrenshilfe zugesichert - für Einwallner eine Überraschung: "Bisher hatten die Höchstgerichte beim Staatsbürgerschaftsrecht immer betont, das die Politik hier frei gestalten könne." (Irene Brickner, DER STANDARD, 1.6.2012)