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Foto: APA/Grohag

Bianca ist zwölf Jahre alt und leidet an allergischem Asthma. Wenn sie in die Nähe eines Hundes oder einer Katze kommt, verkrampft sich ihre Atemmuskulatur und die Schleimhäute ihrer Bronchien schwellen stark an. Das Mädchen bekommt dann kaum noch Luft, dafür aber starke Hustenanfälle. Für den Notfall hat Bianca deshalb immer ihren Asthma-Spray dabei.

Bianca ist nicht allein - etwa sieben Prozent der Österreicher leiden an Asthma, das sind fast 600.000 Erkrankte. Laut Experten der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (PMU) in Salzburg könnte den Asthma-Patienten ein Aufenthalt an den Krimmler Wasserfällen helfen. Die Mediziner konnten klinisch nachweisen, dass der Sprühnebel der dortigen Wasserfälle Asthma-Symptome lindert und die Lungenfunktion, Sauerstoffsättigung und Blutwerte von Asthmatikern nachhaltig verbessert.

Positive Reaktionen bei Kindern

Asthma-Expertin Renata Sanovic von der PMU führte im Jahr 2007 erstmals klinische Untersuchungen zur Wasserfalltherapie durch. 54 Kinder mit leichtem bis mittelschwerem Asthma verbrachten einen dreiwöchigen Urlaub im Oberpinzgau. Sie wanderten, aßen und spielten gemeinsam und waren im gleichen Hotel untergebracht. Der einzige Unterschied: 27 Kinder hielten sich jeden Tag eine Stunde lang an den Krimmler Wasserfällen auf. Die zweite Gruppe unternahm in dieser Zeit etwas anderes.

"Vor und nach dem Urlaub haben wir die Kinder untersucht. Das Ergebnis war beeindruckend: Bei den Wasserfallkindern hatte sich die Lungenfunktion während der drei Wochen durchschnittlich um 39 Prozent verbessert, ihre Sauerstoffsättigung war gestiegen und auch die Blutwerte hatten sich stark gebessert", schildert Sanovic. Auch die anderen Kinder hätten vom Urlaub in den Bergen profitiert, allerdings bei weitem nicht so stark, und ihre gesundheitlichen Verbesserungen seien schnell wieder abgeflaut. Die Wasserfallgruppe hingegen wies laut Sanovic auch nach vier Monaten noch die gleichen Werte auf wie direkt nach dem Urlaub.

"Keine normale Klimatherapie"

Renata Sanovic leitet mittlerweile jedes Jahr ein Sommercamp für Kinder mit Asthma bei den Krimmler Wasserfällen. Sie betont: "Das ist keine normale Klimatherapie in den Bergen, wo es den Patienten durch weniger Luftverschmutzung, weniger Feinstaub und mehr Bewegung besser geht. Der Wasserfall bewirkt, dass sich das Immunsystem der Patienten umstellt."

Neben den klinischen Studien wurden auch physikalische Messungen am Wasserfall durchgeführt. Diesen Messungen zufolge befinden sich im direkten Umfeld der Krimmler Wasserfälle bis zu 10.000 negativ geladene Ionen pro Kubikzentimeter in der Luft.

Wenn man diese winzigen Teilchen einatmet, gelangen sie in die Lungenbläschen und ins Blut. Dort sollen sie antientzündlich wirken und das Immunsystem positiv beeinflussen. "Wir haben vor und nach der Wasserfalltherapie das Blut der Patienten auf Asthma-Parameter untersucht. Nach der Therapie gab es mehr antientzündliche und weniger proentzündliche Parameter", erklärt die Experten.

Die Wasserfalltherapie wirke nicht nur bei Kindern. Laut Sanovics Auswertungen verbesserten sich die Lungenfunktion, die Sauerstoffsättigung und die Blutwerte bei allen untersuchten Asthma-Patienten durch die Wasserfalltherapie um fast 22 Prozent. Die Asthma-Expertin betreut Patienten, die mittlerweile jedes Jahr bei den Krimmler Wasserfällen Urlaub machen. "Durch die antientzündliche Wirkung des Wasserfalls sind ihre Schleimhäute weniger geschwollen und entzündet, und so fangen sie sich auch nach dem Urlaub nicht so schnell einen Keim ein. Durch die Wasserfalltherapie werden die Asthma-Patienten also insgesamt seltener krank."

Wasserfalltherapie weltweit einzigartig

Die Asthma-Therapie an den Krimmer Wasserfällen ist weltweit einzigartig. Experten der PMU Salzburg haben auch den Sprühnebel anderer Wasserfälle untersucht, doch bei keinem anderen wurden solche Resultate erzielt. "Das heißt nicht, dass kein anderer Wasserfall sich positiv auf die Gesundheit auswirken kann, aber wir haben noch keinen anderen gefunden", sagt Sanovic und unterstreicht, dass die physikalische Dichte der negativ geladenen Ionen im Sprühnebel der Krimmler Wasserfälle außergewöhnlich sei.

Hilfe auch bei anderen Krankheiten

Sanovic hofft, dass die Wasserfalltherapie auch bei anderen Lungenkrankheiten helfen kann. Bei Heuschnupfen oder einer chronischen Bronchitis könne die antientzündliche Wirkung des Sprühnebels Linderung verschaffen, allerdings sei das noch nicht klinisch bewiesen.

Die Wasserfalltherapie sei aber keinesfalls ein Allheilmittel für alle Lungenkrankheiten. "Wenn jemand an einer chronisch obstruktiven Lungenerkankung (COPD) oder an Lungenkrebs leidet, dann kann der Wasserfall ganz bestimmt nicht helfen. Wenn solche Patienten in die Berge kommen, wo weniger Luftdruck herrscht, bekommen sie nur noch größere gesundheitliche Beschwerden", warnt die Expertin.

Helfen könnte der Wasserfall hingegen Patienten mit Neurodermitis. Diese Hautkrankheit kommt oft in Kombination mit Asthma vor, und die antientzündliche Wirkung des Wasserfall-Sprühnebels könnte die Symptome der Neurodermitis lindern. Renata Sanovic und ihre Kollegen an der PMU planen weitere Studien in diesem Bereich. (Helene Voglreiter, derStandard.at, 6.7.2012)